Angebote muss mensch auch kennen. Besonders Angebote, die kostenfrei und allen Kindern zur Verfügung stehen und bei denen die kleinen Menschen auch noch etwas lernen - spielerisch. Deshalb traf sich Tanner mit Jo vom Bauspielplatz, um mehr zu erfahren. Damit es eben auch mehr Menschen erfahren.
Hallo Jo vom Bauspielplatz.
Hallo Volly.
Für die Menschen, die Dich und Euch vom Bauspielplatz nicht kennen. Was ist das denn überhaupt: ein Bauspielplatz?
Ein Bau-Spiel-Platz ist, wie der Name schon nahelegt, ein Spielplatz, auf dem unter anderem gebaut werden kann. Wichtig ist dabei immer die pädagogische Begleitung der Kinder, um diese ganzen verrückten Dinge möglich zu machen, die sonst verboten sind: Mit echtem, gefährlichem Werkzeug bauen, Feuer machen, mit Lehm matschen, Farben selber mischen, mit Stöckern fechten und so weiter. Für Kinder eröffnet das ganz neue Möglichkeitsräume und fördert damit ihre Entwicklung durch die Erfahrung von Selbstwirksamkeit, Autonomie und sozialer Kooperation.
Und was macht Ihr so speziell beim Bauspielplatz “Wilder Westen”?
Das Besondere an unserem Bauspielplatz ist, dass wir tatsächlich sehr viel bauen. Andere Projekte legen den Schwerpunkt auf Tierhaltung oder auf besondere Werkstattangebote. Diese sind dann natürlich immer verbindlicher und damit wichtiger als das offene Hüttenbauangebot, um das es bei uns vor allem geht.
Dass bei uns der Hüttenbau überwiegt, liegt zum einen an unserem niedrigen Budget und dass wir in der Lage sind, den Bauspielplatz im Winter drei Monate zu schließen, was mit Tieren natürlich nicht drin wäre. Zum anderen weil wir sehr viele Holz-, Werkzeug- und Nagelspenden bekommen haben und vor allem daran, dass die meisten Kids gerne bauen und das entstehende Hüttendorf als Spielplatz nutzen. Und auch bei uns regelt die Nachfrage das Angebot.
Wir machen aber von Anfang an auch Lehm-, Farb- und diverse Bastelangebote. Vor allem in den Ferien und oft auch spontan, wenn es die Situation hergibt. Dieses Jahr kommt, wenn alles klappt, noch eine Fahrradselbsthilfewerkstatt und eine neue Freiluftküche dazu.
Wir verwenden fast nur Recyclingmaterial, also Holzspenden jeder Art (außer Spanplatten). Dadurch wird das Hüttendorf zu einem postmodernen Sammelsurium der verschiedensten Dinge und den Kindern (und Eltern) fällt auf, dass dieses oder jenes auf einmal einen ganz neuen Sinn ergibt.
Etwas befremdlich ist, dass wir in Leipzig immer noch eine gewisse Pionierrolle innehaben, während andere Städte wie Berlin, Dresden oder Stuttgart seit Jahrzehnten Dutzende pädagogisch betreute Spielplätze betreiben. Das muss nicht so bleiben.
Du merkst, ich mag das Wort Bauspielplatz. Meine Tochter mag den Bauspielplatz nämlich auch.
Schön!
Nun steht in Zukunft ein Umzug an. Erzähl mal bitte Genaueres: Wann, wohin, warum und was sind die positiven Effekte?
Wir haben uns darauf geeinigt, dieses Jahr im September nach der Sommerpause und vor unserem 6. Geburtstag Anfang Oktober umzuziehen. Das neue Gelände ist auf dem Bürgerbahnhof Plagwitz auf halbem Weg zwischen Antonienbrücke und Naumburger Straße. Der Vorteil ist die langfristige Sicherheit, denn bisher sind wir lediglich Zwischennutzer, die Größe des Geländes von 1.800 zu jetzt 800 qm und auch, dass unser jetziges Gelände als Freiraum für die Asylsuchenden und AnwohnerInnen erhalten bleiben kann.
Auf dem neuen Gelände haben wir also mehr Platz in einem spannenden sozialen Rahmen, dem “Bürgerbahnhof”, in den verschiedene soziale Projekte integriert sind. Außerdem können wir dort sogar ein kleines Haus bauen, um unser Angebot weiterzuentwickeln. Das ganze hat eine längere Vorgeschichte: Wir sind seit 2010 im Rahmen der Initiative Bürgerbahnhof Plagwitz (IBBP) zusammen mit verschiedenen Akteuren in Verhandlungen mit Leipziger Ämtern über die Nachnutzung des alten Güterbahnhofareals gewesen. Diese haben nun zum Erfolg geführt!
Ihr arbeitet seit Jahren interkulturell. Zu Euch kommen Kinder aus Familien, die ihre Kinder zu Tanz und Malkursen schicken aber auch Kinder aus Familien, die ihre Kinder nur rausschicken. Wie händelt Ihr die unterschiedlichen Lebensweisen?
Da sprichst du einen interessanten Aspekt unserer Arbeit an. Ich denke, wir sind einer der wenigen Treffpunkte in unserer “ausdifferenzierten” Gesellschaft, auf dem Menschen aller sozialen Milieus zusammenkommen. Das ist für Kinder besonders interessant, manchmal auch ungewohnt. Aber sie sind trotz aller ansozialisierten Vorurteile doch noch viel flexibler als Erwachsene. Sie spielen eben gern. Und irgendwann auch mit den “Anderen”. Das hat sich zwischen 2009 und 2013 besonders zwischen den “Arbeiterkindern” und den “Bürgerkindern” abgespielt, 2014 kamen dann die “Flüchtlingskinder”, aus der benachbarten Asylunterkunft dazu. Wir versuchen natürlich immer wieder, die Kinder zusammenzubringen oder, wo das nicht geht, Konflikte zu begrenzen.
Gibt es Konflikte? Wie geht Ihr damit um?
Konflikte gibt es durchaus und manchmal bestand unsere Arbeit dann vorrangig darin, körperliche Gewalt zu verhindern. Aber das hat sich mit der Zeit gelegt. Teilweise waren wir sogar überrascht, wie schnell sich gerade größere Jungs, die sich anfangs dauernd prügeln wollten, beinahe angefreundet haben.
Sind denn die Eltern dabei?
Bis zum Alter von 6 Jahren müssen die Kids eine Aufsichtsperson mitbringen. Das ist Gesetz. Ansonsten sind oft Eltern aus Interesse dabei, besonders wenn Samstag mal Zeit für die Familie ist. Dabei gibt es oft sehr schöne Situationen, wenn sich zum Beispiel Vater und Tochter beim Bauen gut verstehen. Viele Eltern unterstützen uns auch mit kleinen Spenden oder Aufräumarbeiten und geben uns immer wieder gutes Feedback. Und natürlich haben wir durch die asylsuchenden Eltern einige interkulturelle Kontakte knüpfen können und Hilfe bei der Integration in den Stadtteil leisten können. Zum Beispiel bei der Fahrradbeschaffung.
Ihr habt ja auch ein pädagogisches Konzept. Welches ist dies denn und was beinhaltet es?
In aller Kürze geht es vor allem darum, Kindern Räume und Dinge zur Verfügung zu stellen, mit denen sie sich frei entwickeln können. Unsere Rolle als Pädagoginnen und Pädagogen ist dann die Begleitung der Kinder bei ihren selbst gewählten Tätigkeiten. Das Ziel ist, ähnlich wie in der Schule, die Entwicklung von individuellen, sozialen und technischen Kompetenzen, nur dass die Herangehensweise eine ganz andere, indirekte ist: Kinder sollen Kinder sein dürfen. Sie sind freiwillig da und können tun was sie möchten, solange gewisse basale Regeln eingehalten werden. In diesem Rahmen können pädagogisch betreute Spielplätze eigentlich jedes denkbare Angebot durchführen. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass Menschen aktiv lernen und eine Grundlage davon die Freiwilligkeit sein muss. Unter Zwang lernen Menschen nicht viel, außer sich anzupassen.
Für die freie Persönlichkeitsentfaltung brauchen Menschen Freiräume!
Um sozialpädagogisch wirksam zu sein, ist auch die Kostenfreiheit ein wichtiger Grundsatz unserer Arbeit: Dadurch ist der Bauspielplatz niedrigschwellig und erreicht auch Kinder, die kommerzielle Angebote nicht nutzen können. Ein Gedanke dahinter ist auch, dass die Kommune so mit wenig Geld präventive Angebote schafft, die Jugendkriminalität vorbeugen und hohe Folgekosten sparen.
Heißt das, Ihr seid alle Pädagogen?
Ja, wir haben verschiedene pädagogische Ausbildungen: Förderschullehrerin, Ergotherapeutin, Sozialpädagogen und ich selber bin Grundschulpädagoge. Das ist ein gewisser Vorteil, weil wir unser Fachwissen ergänzen können. Hilfreich wären sicher auch handwerkliche und verwaltungstechnische Ausbildungen, aber das mussten wir uns eben selber beibringen. Es gibt da übrigens sehr interessante Weiterbildungen.
Wie bist Du persönlich zum Bauspielplatz “Wilder Westen” gekommen?
Wir haben uns Ende 2007 das erste Mal über das Thema “Bauspielplatz” unterhalten und festgestellt, dass wir so etwas machen wollen. Bei mir war die Motivation als angehender Grundschullehrer auch die Unzufriedenheit mit dem Schulsystem. Ich wollte gern pädagogisch arbeiten, aber nicht in einem so starren Rahmen.
2008 haben wir unseren Verein, den KIWEST Bau- und Aktivspielplatz Leipzig e.V. gegründet und anschließend bundesweit viele Bau-, Aktivspielplätze und Jugendfarmen besichtigt. Dabei sind wir auf den großartigen Bundesverband der Jugendfarmen und Aktivspielplätze (BdJA) gestoßen, der uns inhaltlich sehr geholfen hat. In Leipzig gab es dann Unterstützung durch den RAA e.V. bei der Antragstellung und nach der Anmietung des Geländes im Oktober 2009 sehr viel Support aus der Nachbarschaft. Der Jugendhilfeausschuss hat im gleichen Jahr beschlossen, unsere Arbeit ab 2010 mit Minijobs zu unterstützen. Das ist zwar wenig Geld aber dafür mit viel Freizeit verbunden.
Abschließend: Gibt es Möglichkeiten, Eure Arbeit zu unterstützen? Erzähl mal bitte.
Ja, uns kann geholfen werden! Denn, wenn jemand Geld braucht, dann sind wir das! In diesem Jahr werden wir für den Umzug und die Vorbereitung des neuen Geländes viel Unterstützung benötigen, ob mit Umzugshilfe im September oder mit Materialspenden. Aber am wichtigsten bleibt immer noch das Finanzielle: Wer Bauspielplatz-Pate oder -Patin wird und monatlich 5 oder mehr Euro überweist, hilft uns ganz enorm! Denn das Jugendamt setzt solche Spenden als Eigenmittel voraus und es springen auch immer mal wieder fleißige Paten ab. Wir sind natürlich auch gemeinnützig und stellen Spendenquittungen aus.
Ansonsten hilft natürlich auch immer eine freundliche Öffentlichkeit, die sich für offene und kreative Kinder- und Jugendarbeit ausspricht! Wer sich für uns interessiert kann einfach zu den Öffnungszeiten Mittwoch bis Samstagnachmittag an der Ecke Markranstädter-/Klingenstraße vorbeikommen.
Man kann uns kontaktieren und auch unseren Newsletter abonnieren unter wilder-westen@gmx.net.
Alle Infos gibt es natürlich auch auf unsere Seite www.kiwest.org.
Dann, viel Spaß beim Bauen, Jo.
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