Es war genau so zu erwarten, wie es jetzt kommt: Der Bund beschließt ein Gesetz, das Eltern mit Kleinkindern einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz garantiert. Aber nicht der Bund als juristische Person steht dafür ein, sondern die eh schon klammen Kommunen. Es ist nicht nur die eine Klage, mit der Leipzigs Stadtverwaltung jetzt zu kämpfen hat, auch wenn Claudia und Sven Menschel am Montag, 7. Juli, mit einer Mitteilung an die Medien so richtig Dampf abließen.

“Da meine Frau nach einem Jahr Elternzeit ihrer beruflichen Tätigkeit wieder nachgehen wollte, haben wir uns bereits frühzeitig um einen Betreuungsplatz bemüht. Jedoch hatten unsere Bemühungen trotz mehrfachen Kontaktes mit der Sachgebietsleiterin Frau Weise vom Jugendamt Leipzig, Einschalten des Petitionsausschusses der Stadt Leipzig (zum völlig desolaten Zustand des Elternportals der Stadt Leipzig), sowie die Beauftragung der Juniko UG (als externer Vermittler zur Findung eines Betreuungsplatzes) nicht den gewünschten Erfolg. Somit standen wir im Januar 2014 ohne einen Betreuungsplatz für unseren Sohn da”, schrieben sie.

“Durch Eigeninitiative und viel Glück gelang es uns ab Anfang März, einen Betreuungsplatz in der Kita Goyastraße in Leipzig zu ergattern. Aufgrund der hieraus resultierenden Verzögerung der Wiederaufnahme der beruflichen Tätigkeit musste meine Frau ihre Elternzeit unentgeltlich verlängern und uns entstand ein finanzieller Schaden, welchen wir durch unseren Anwalt gegenüber der Stadt Leipzig geltend gemacht haben. Jedoch ist bis heute und trotz des Verstreichens von zwei gesetzten Fristen keine Reaktion der Stadt zu den gestellten Forderungen erfolgt. Vielmehr noch wird versucht durch Ignorieren der Situation die Sache auszusitzen. Des Weiteren werden durch die Stadt Leipzig weder Eingangsbestätigungen noch Informationen bezüglich des aktuellen Standes des Verfahrens mitgeteilt. Selbst die Anrufung des Petitionsausschusses der Stadt Leipzig mit der Bitte um Untersuchung und Klärung des Sachverhaltes hat nur bewirkt, dass uns mitgeteilt wurde, dass der Petitionsausschusses hierfür nicht zuständig sei.”

Dass es kein Einzelfall ist, erfuhr nun die Stadträtin der Linken, Juliane Nagel, Sprecherin für Kinder- und Jugendpolitik.Auf eine Anfrage der Linken in der öffentlichen Sitzung des Jugendhilfeausschusses am 16. Juni antwortete die Verwaltung, dass seit Inkrafttreten des Rechtsanspruchs auf einen Krippenplatz zum 1. August 2013 insgesamt 27 Verwaltungsstreitsachen anhängig waren bzw. sind. Ein Betreuungsplatz wurde über das Klageverfahren geltend gemacht, in 55 Fällen wurden Anfragen über RechtsanwältInnen gestellt. Laut Aussagen der Verwaltung wurden in allen Verwaltungsstreitsachen Angebote für Betreuungsplätze unterbreitet. Bei den Anfragen über RechtsanwältInnen waren es nur zwei Drittel. Nicht alle der Angebote wurden auch in Anspruch genommen, weil es sich nicht immer um den gewünschten Betreuungsbeginn und die Wunscheinrichtung handelt.

“Die Zahl der Eltern, die erfolglos einen Betreuungsplatz suchen, dürfte um einiges höher liegen”, schätzt Juliane Nagel ein. “Trotz Bemühungen der Stadtverwaltung, kurzfristig Betreuungsplätze in bestehenden Einrichtungen zu schaffen, ist der Bedarf weiterhin höher als das Angebot. Individuelle Wünsche und Präferenzen der Eltern in Bezug auf Wohnortnähe, pädagogisches Konzept oder Träger können zudem kaum berücksichtigt werden.”

Sie sind der Grund für die Klageflut im zähen Ausbau der Leipziger Kindertagesstätten.

“Der von der Stadt verschleppte Ausbau der Kitainfrastruktur bei massiv steigenden Geburtenzahlen und nahendem Rechtsanspruch zeitigt noch immer seine Wirkungen”, sagt Nagel.

Bis zum Jahresende sollen 1.871 Plätze geschaffen werden. Im kommenden Jahr sind es etwa 1.700 Plätze. Weitere 1.700 Plätze sind für 2015 noch in Planung.

“Die Fraktion Die Linke verbindet mit dem Anstieg der Plätze die Hoffnung, dass eine Bedarfsdeckung in 2015 annähernd erreicht werden kann und die Qualität der Betreuung endlich in den Fokus rücken kann”, benennt Juliane Nagel ihre Erwartungen. “Die Linke wiederholt zudem ihre Forderung nach schnellem Krisenmanagement bei Meldungen von Eltern, die dringend einen Platz suchen. Kosten, die durch die private Absicherung der Kinderbetreuung entstehen, müssen unbürokratisch erstattet werden, bevor Eltern ihre berechtigte Forderung einklagen müssen. Die Fraktion Die Linke bestärkt die Stadt, zu prüfen, ob in diesen Fällen Land und Bund finanziell in die Pflicht genommen werden können, wie es der Deutsche Städtetag angeregt hat.”

Denn das Problem, das scheinbar nur ein Leipziger ist, ist tatsächlich eins, das alle Kommunen haben. In Sachsen verbunden mit dem speziellen Fall, dass das Land die vom Bund ausgereichten Mittel zum Kita-Ausbau nicht 1:1 weitergereicht hat an die Kommunen, was deren finanzielle Spielräume deutlich verenge. Dazu kommt das nun seit 2006 schwelende Problem der sehr zurückhaltenden Beteiligung des Freistaats an der Betreuungsfinanzierung.

Und die Frage, die der Deutsche Städtetag stellt, ist mehr als berechtigt: Warum werden die Kommunen für eine Garantie in Haftung genommen, die sie selbst nicht gegeben haben und für deren Erfüllung sie die Mittel nicht bekommen?

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