Sachsen zählt zu den Bundesländern mit den schlechtesten Betreuungsschlüsseln in Kindertageseinrichtungen - sowohl auf dem Papier als auch in der Realität. Das bestätigte am Freitag, 25. Juli, erneut eine Studie der Bertelsmann Stiftung. Demnach fehlen in Sachsen 16.700 Erzieherinnen und Erzieher, eine Betreuerin müsste im Durchschnitt 6,3 Krippen- und 13,5 Kindergartenkinder betreuen.
Der Rechtsanspruch sowie die in Leipzig vorgenommenen Maßnahmen zur kurzfristigen Schaffung zusätzlicher Betreuungsplätze haben die reale Betreuungssituation in Leipziger Kindertagesstätten noch verschärft. Eine pädagogische Fachkraft ist hier durchschnittlich für 18 Kinder zuständig.
Die Leipziger Kita-Initiative hat dies zum Anlass genommen, die tatsächlichen Zustände in verschiedenen Leipziger Kinderbetreuungseinrichtungen zu erfragen. Die Rückmeldungen seien mehr als beunruhigend, teilt sie nun mit und bringt Zitate aus den Einrichtungen:
“Wir können den Betrieb nur mit Schülerpraktikantinnen aufrecht erhalten.”
“Jeder Krankheitsfall bringt uns an unsere Grenzen, es gibt keine Erzieher die einspringen können.”
“Ich habe so viele Überstunden, dass ich bis Herbst Urlaub machen könnte.”
“Pädagogische Arbeit ist nicht mehr möglich, es geht nur noch darum, das Chaos zu verwalten.”
“Ich habe mir die Arbeit wertvoller vorgestellt.”
So lauten einige Aussagen von Erzieherinnen und Erziehern gegenüber der Initiative. In Sachsens Kitas regiere der Rotstift, stellt diese nun fest, dadurch werde keine qualitativ hochwertige frühkindliche Bildung ermöglicht.
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Christin Melcher von der Kita-Initiative: “Wir waren schockiert, als wir mit den Kitas telefoniert haben. Obwohl wir durch zahlreiche Schilderungen von besorgten Eltern vorbereitet waren, sind die Rückmeldungen aus den Kitas schlimmer, als wir erwartet haben.”
Victoria Jankowicz ergänzt: “Viele Erzieherinnen und Erzieher wünschen sich mehr Unterstützung von der Kommune und endlich eine Verbesserung des Personalschlüssels. Das Spardiktat der CDU-geführten Landesregierung wird auf den Rücken der Kinder und den Erzieher und Erzieherinnen ausgetragen. Unsere Kinder haben eine gute Betreuung verdient, keine Verwahrung!”
Der Betreuungsschlüssel in Sachsen ermöglicht schon jetzt wenig qualitative pädagogische Arbeit. “Es muss zunächst einmal deutlich gemacht werden, dass der Personalschlüssel kein Gruppenschlüssel ist”, erklärt Victoria Jankowicz, eine Sprecherin der Kita-Initiative. “Es handelt sich dabei um eine Berechnung mit Vollzeitäquivalenten und nicht um tatsächliche Einzelpersonen, die für je 6 Krippen- oder 13 Kindergartenkinder verantwortlich wären. Viele Erzieherinnen und Erzieher haben Teilzeitstellen, Gruppengrößen um die 18 Kinder sind in Leipzig normal und nach Aussage des Jugendamts auch im rechtlichen Rahmen. In vielen Kitas ist die tatsächliche Fachkraft-Kind-Relation durch offene oder teiloffene Arbeit ohne feste Bezugsgruppen außerdem schwammig und vermutlich faktisch noch schlechter. Das sächsische Kita-Gesetz sieht diesbezüglich keine konkreten Reglungen vor. Kommen Personalausfälle durch Urlaub und Krankheit hinzu, verschlimmert sich die Situation. Aus Leipziger Kindertagesstätten kamen 2013 allein sieben Überlastungsanzeigen. Das muss wachrütteln!”
Elternverbände und Gewerkschaften fordern schon lange die Verbesserung der Personalstruktur in sächsischen Kitas. Ende 2013 wurde eine 77.000 Unterschriften starke Petition im sächsischen Landtag eingereicht. Bei dieser geht es auch um die Einführung von Vor- und Nachbereitungszeiten. Der auf den Papier festgesetzte Betreuungsschlüssel kann in der Realität meist nicht eingehalten werden, da Verwaltungsaufgaben oder Vor- und Nachbereitungszeiten der pädagogischen Arbeit im Personalschlüssel nicht in ausreichendem Umfang eingeplant sind. Wollen Erzieherinnen und Erzieher Entwicklungsdokumentation, Elterngespräche und pädagogisch durchdachte Angebote leisten, wie im sächsischen Bildungsplan gefordert, müssen sie dies oft in ihrer Freizeit erledigen.
Ein Umdenken sei dringend notwendig, stellt die Initiative fest. Bei der Kinderbetreuung dürfe es nicht nur um Quantität gehen, es müsse auch um Qualität gehen. Mehr Erzieher, ein Personalschlüssel entsprechend einer realen Fachkraft-Kind-Relation, idealerweise von 1:3 im Krippen- und 1:7 im Kindergartenbereich, eine angemessene Entlohnung für die Erzieherinnen und Erzieher, bezahlte Vor- und Nachbereitungszeiten, ein Pool von Erzieherinnen, die im Krankheitsfall einspringen können, gute und regelmäßige Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen und kleine Gruppen seien wesentliche Bausteine für eine verantwortungsvolle frühkindliche Bildung.
“Ein Bündel von verbessernden Maßnahmen ist notwendig, um die Arbeit im Bereich der Frühpädagogik wieder attraktiv zu machen und nicht zuletzt unseren Kindern gerecht zu werden. Die sächsische Landtagswahl am 31. August sehen wir als Chance und hoffen, dass Wähler und Parteien diese im Sinne einer guten Kinderbetreuung nutzen werden”, fügt Victoria Jankowicz noch hinzu.
Die Leipziger Kita-Initiative ist eine Gruppe Leipziger Eltern, die sich ehrenamtlich für eine Verbesserung der prekären Kinderbetreuungssituation in Leipzig engagieren. Durch regelmäßige Demonstrationen und Öffentlichkeitsarbeit macht sie auf die dramatische Situation vieler Eltern aufmerksam. Auf der Webseite und bei regelmäßigen Veranstaltungen informiert die Kita-Initiative zu aktuellen Entwicklungen bei der Kita-Platz-Versorgung und gibt Hilfestellung bei allen Fragen rund um die Kita-Platz-Suche. Die Kita-Initiative setzt sich dafür ein, dass bei der Kinderbetreuung in Leipzig Regelungen und Angebote geschaffen werden, die den tatsächlichen Bedürfnissen der Familien entsprechen.
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