Es gibt Menschenrechte. Darüber zu diskutieren erblöden sich nicht mal mehr Stammtische. Aber diese Menschenrechte - die eben auch Kinderrechte sind - umzusetzen, dies ist ein schwierig zu beackerndes Minenfeld der Meinungen und Egoismen. Doch Klipp und Klar: wer sich an den Rechten der Kinder zu schaffen macht, sollte aus den Entscheidungsstrukturen herauskatapultiert werden. Nur sitzen ebendiese meist gerade dort.

Sich für die Kinder- und Menschenrechte zu engagieren ist dabei nicht einmal gefährlich in unserem Land, dafür geht man nicht in den Knast oder wird in die Luft gesprengt. Trotzdem tun’s zu wenige! Christian Gundlach ist’s aber Herzensangelegenheit und deshalb sprach Volly Tanner mit ihm.

Guten Tag Christian. Du arbeitest für – und jetzt wird es ein echter Rattenschwanz an Begriffen: den Deutschen Kinderschutzbund OV Leipzig e.V. Leipziger Kinderbüro. Uff! Was machst Du denn da eigentlich genau?

Guten Tag Volly. Dieser Rattenschwanz ist gar nicht so schlimm, wir sind ja als Leipziger Kinderbüro bei vielen Kindern und Erwachsenen in der Stadt bekannt. Den Zusatz “Deutscher Kinderschutzbund OV (Ortsverband) Leipzig” tragen wir seit 2011, weil dort jetzt unsere Heimat ist, das heißt der Kinderschutzbund ist unser Trägerverein. Waren wir vorher der Verein Leipziger Kinderbüro, sind wir nun ein Projekt des Deutschen Kinderschutzbundes Leipzig. Wir, das sind zwei erwachsene hauptamtliche Mitarbeiter_innen plus Praktikantin oder Praktikant. Praktikanten aus dem sozialwissenschaftlichen Bereich suchen wir übrigens immer!

Was wir da eigentlich machen? Das Kinderbüro ist eine kommunale Interessenvertretung für Leipziger Kinder, was bedeutet, dass wir alles versuchen die Meinungen und Bedürfnisse der jungen Menschen hörbar zu machen und umzusetzen. Ganz konkret moderieren wir Beteiligungsmaßnahmen für Kinder, wenn Spielplätze, Freiflächen oder andere Räume im öffentlichen Raum umgestaltet werden. Darüber hinaus informieren wir Kinder und Jugendliche über ihre Rechte, nämlich die Kinderrechte. Neben den jungen Menschen konfrontieren wir auch die Erwachsenen in ganz unterschiedlicher Art und Weise mit der UN-Kinderrechtskonvention und den sich daraus ableitenden Rechten für Menschen bis zum 18. Lebensjahr.
Man hört aus schwatzenden Kreisen, dass das Leipziger Kinderbüro aus der Rietschelstraße 2 im Herbst ausziehen möchte. Wieso dies denn? Und wo geht es denn dann hin?

Der Buschfunk scheint zu funktionieren. Es ist richtig, dass das Kinderbüro seine jahrelange Heimat, den Leipziger Westen, verlassen wird und ostwärts zieht. Dort werden wir uns in der neuen Geschäftsstelle des Kinderschutzbundes in der Johannisallee niederlassen. Damit sind wir näher an den anderen Projekten des Deutschen Kinderschutzbundes, wie der Familienbildung, dem Kinder- und Jugendtelefon sowie den Projekten der Fachstelle Suchtprävention und den Schülermultiplikatoren von “freeyourmind”. Deren Themen berühren unsere Schwerpunkte Kinder- und Jugendbeteiligung sowie die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention, so dass wir da künftig intensiver und effektiver für die Kinder in Leipzig zusammenarbeiten können. Nichtsdestotrotz bleibt unser Netzwerk im Leipziger Westen erhalten, wir werden weiterhin Projekte in Lindenau, Plagwitz und Co. durchführen und arbeiten ja sowieso für die Belange und Interessen aller Leipziger Kinder.

Ihr habt – zusammen mit der HTWK – eine Ausstellung zur Kinderfreundlichkeitsprüfung kuratiert. Erzähle mal bitte um was es da genau ging und wer die Ausführenden waren.

In Leipzig gibt es über 73.000 Kinder und Jugendliche. Wir haben uns die Aufgabe gestellt, deren Meinung zu ihrer Stadt bzw. ihrem sozialräumlichen Umfeld einzuholen. Das ist der Grund für unsere Kinderfreundlichkeitsprüfung. Wir wollen von jungen Menschen zwischen 8 und 14 Jahren wissen, wie sie ihren Stadtteil wahrnehmen. Wie sicher fühlen sie sich dort, gibt es ausreichend Angebote für Freizeitaktivitäten, wie schön und lebenswert finden sie ihr Viertel. Das sind die grundlegenden Fragen denen wir mit dieser Erhebung nachgehen. Eine solche Erhebung haben wir in dieser Form erstmals durchgeführt.

Damit meine ich, dass wir zum einen den Studierenden der HTWK Leipzig, ja selber junge Menschen mit einem jugendlicheren Blick aufs Leben, als ich beispielsweise, die Möglichkeit gegeben haben, sehr selbständig und partizipativ zu arbeiten. Auf der anderen Seite ist der Grundgedanke, dass sich die Kinderfreundlichkeitsprüfung ausschließlich an die Kinder wendet und Erwachsenenmeinungen explizit ausschließt. Kinderfreundlichkeit wird nämlich zunehmend in Familienfreundlichkeit gepackt, was sicherlich vor dem Hintergrund sinnvoll ist, weil das eine das andere bedingt. Uns ist es aber wichtig das Kind und dessen Wahrnehmung ins Zentrum der Erhebung zu stellen. Wir sind schon ganz gespannt auf die Ergebnisse und das Feedback der Kinder, vor allem, um diese Erhebung auch künftig weiterentwickeln und verbessern zu können. Denn egal ob erwachsen oder nicht, fehlerfrei ist keiner von uns.

Welche Angebote macht Ihr denn derzeit in der Rietschelstraße 2 so?

Wie bereits erwähnt hat sich das Leipziger Kinderbüro die Aufgabe gestellt, die UN-Kinderrechtskonvention nicht nur bekanntzumachen, sondern deren inhaltliche Forderungen, also die Kinderrechte, auch einzufordern. Der Schwerpunkt dabei liegt auf dem Recht zur Beteiligung an allen Kinder betreffenden Maßnahmen. Das ist auch unser zentrales Arbeitsgebiet. Gemeinsam mit den verschiedenen Verantwortungsträgern der Stadt Leipzig führen wir Partizipationsprojekte bei Stadtentwicklungsmaßnahmen durch, wie zum Beispiel bei neuen Spielanlagen, Grün- oder andere Freiflächen.

Was die wenigsten wahrscheinlich wissen und in Sachsen meinem Wissen nach auch einmalig ist, dass es eine Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendbeteiligung gibt, die Maßnahmen im Schulbaukontext plant. Dort sitzen Vertreter der planenden Ämter (Jugend, Familie und Bildung, Stadtgrün und Gewässer, Gebäudemanagement), Vertreter des Stadtschülerrates zusammen mit uns und beraten unter Federführung des Zentrums demokratische Bildung die nächsten Schulbauprojekte bzw. die durchzuführenden Beteiligungsmaßnahmen vor Ort. Ich könnte jetzt noch zahlreiche andere Projekte aufzählen, da verweise ich aber einfach auf unsere Internetseite www.leipziger-kinderbuero.de, da werden alle Projekte und Angebote vorgestellt. Und bei Facebook darf gern jeder Freund des Kinderbüros sein.

Gibt es Wünsche für die nächsten Monate?

Da gibt es so viele! Nur auf unsere Arbeit bezogen wünsche ich mir, dass die bisher gute Zusammenarbeit mit den genannten Partnern der Stadt weiter geht und andere Stellen in der Verwaltung unsere Arbeitsinhalte und damit die Interessen der Leipziger Kinder stärker berücksichtigen. Denn diese werden in so vielen Bereichen berührt, wenn ich an Verkehrsplanung und Mobilität denke, an Umwelt- und Naturschutz, an Rückzugsräume, dann sind das alles Gebiete, die meiner Meinung nach ausbaufähig sind. Außerhalb unserer Arbeit wünsche ich mir, dass meine liebe Kollegin Teresa von Jan und “ihre” engagierten Jugendlichen, nach ihrer langen und kräftezehrenden Arbeit endlich das Jugendparlament installieren können und die Leipziger Jugendlichen, neben dem Stadtschülerrat ein weiteres Gremium besitzen, um unsere Stadt mitgestalten zu können.

Aus Deiner Erfahrung gesprochen: Wie können wir die sozialen Probleme eigentlich lösen? Gibt es überhaupt noch Lösungen?

Als unverbesserlicher Optimist glaube ich natürlich immer an Lösungen für Probleme. Der Schlüssel für die von dir angesprochenen Herausforderungen liegt meiner Meinung nach darin, ein wirklich gerechtes soziales Umfeld zu schaffen. Jeder muss die gleichen Chancen auf Bildung und Teilhabe in unserer Gesellschaft haben. Und da sind wir bei meinem Arbeitsfeld. Wenn wir Menschen endlich von Beginn an als voll- und gleichwertige Mitglieder und Gestalter unserer Gesellschaft einbeziehen und diese auch von Beginn an das Gefühl haben, dass ihre Meinung und ihre Bedürfnisse ernst genommen werden, dann sind sie auch bereit und motiviert sich künftig in einer Gemeinschaft einzubringen und an deren Gestaltung beizutragen. Die Verantwortungsträger müssen sie nur endlich ran lassen und es nicht nur bei Lippenbekenntnissen oder Scheinaktionen belassen. In meiner Arbeit lerne ich so viele motivierte junge Menschen mit tollen Ideen kennen, also an der jungen Generation liegt es meiner Erfahrung nach nicht.

Danke, Christian. Und viel Kraft.

www.leipziger-kinderbuero.de

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