In der Zeit sind Kinder aus den Windeln raus. Drei Jahre dauert das Gezerre um eine Kinderbetreuung für die Stadtratsmitglieder nun schon. Trocken abgelehnt von dem einen oder anderen bürgerlichen Stadtrat, der sich auf seine emsige Hausfrau zu Hause verlassen kann, immer wieder gefordert von Stadträtinnen und Stadträten von Grünen und Linken. Ein Vorschlag der Stadtverwaltung wird sie jetzt endgültig verärgern.
Denn nachdem man das Thema nun so lange ausgesessen hat, lautet der Vorschlag des Dezernats Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule nun: “Zu Beginn der VI. Wahlperiode erfolgt eine Bedarfserhebung bei allen Stadträten, in welchem Umfang eine Kinderbetreuung benötigt wird. Auf der Grundlage des Ergebnisses dieser Erhebung wird bis Ende 2014 ein Betreuungsangebot vorbereitet. Gleichfalls bis Ende des Jahres erfolgt eine Kalkulation der Kosten und eine Entscheidung über eine Beitragsbeteiligung. Als Zeitraum der Testphase gilt das Jahr 2015.”
Nun, das geht also den Stadtrat in der jetzigen Zusammensetzung nicht mehr viel an. Wer also in dieser Wahlperiode kleine Kinder hatte, die während der zuweilen bis in die Nacht dauernden Marathonsitzungen des Stadtrates hätten betreut werden müssen, hat den Kampf am Wende ohne Erfolg mitgemacht. Dabei waren die Argumentationen zuweilen schon sehr skurril – bis dahin gehend, die Stadträtinnen und Stadträte mögen doch ihre Aufwandsentschädigung dafür nutzen, Kindersitter für diese Zeit zu bezahlen. Was sie wahrscheinlich sowieso tun. Manche würden ihre Kleinkinder wohl auch gern in einer Kindereinrichtung lassen – wenn es denn genug gäbe, die auch eine Betreuung außerhalb der üblichen Öffnungszeiten anbieten.
Die meisten Leipziger Eltern wissen, was es bedeutet, wenn die Arbeitszeit mit den Öffnungszeiten der Kita nicht zusammen passt. Und in Leipzig ist das die Regel, nicht die Ausnahme. Im Ergebnis müssen viele junge Familien auf ein Stück Erwerbseinkommen verzichten, damit zumindest ein Partner es schafft, die Kinder rechtzeitig in Krippe und Kindergarten zu bringen oder abzuholen. Das Betreuungssystem – von aller Platzknappheit abgesehen – entspricht schon lange nicht mehr dem, was Arbeitgeber in Leipzig an Flexibilität verlangen. Zumindest Einige haben mittlerweile umgedacht und nehmen auch auf junge Eltern wieder vermehrt Rücksicht.
Aber Stadträtinnen und Stadträte haben an manchen Tagen schlicht das doppelte Pensum. Übrigens nicht nur zu den Stadtratssitzungen, die in der Regel einmal im Monat stattfinden und – wenn man überhaupt mitreden will – eine ordentliche Vorarbeit brauchen, sondern erst recht zu den diversen Fachausschüssen, die noch öfter tagen und wo ungefähr 90 Prozent aller Stadtratsentscheidungen vorweg genommen werden.
Skadi Jennicke (Linke): Familienfreundlichkeit der Leipziger Verwaltung ist reine Behauptung!
Zur Ratsvorlage V/2421 …
Der Stadtrat tagt: Verwaltung muss Betreuung für Kinder von Ratsmitgliedern bereitstellen
Kinder gehören nicht in eine Ratsversammlung …
Die Schaffung einer Betreuungsmöglichkeit wäre nicht mehr als ein Entgegenkommen, ein simples Signal einer für gewöhnlich auf ihre Arbeitszeiten bedachten Verwaltung, dass sie das Ehrenamt der gewählten Stadträtinnen und Stadträte begreift und akzeptiert.
“Bei öffentlichen städtischen Veranstaltungen wird auf Entscheidung des jeweiligen veranstaltenden Amtes/Referates nach Möglichkeit eine Kinderbetreuung angeboten”, heißt es nun in der Vorlage der Verwaltung. Das würde die Fachausschusssitzungen zumindest mit einschließen.
Aber zumindest ist nun nach drei Jahren Diskussion die zentrale Botschaft angekommen: “Das Angebot einer Kinderbetreuung würde vom neu zu wählenden Stadtrat der VI. Wahlperiode in Anspruch genommen werden. Erst nach der Wahl kann erfragt werden, wie viele Stadträte in welchem Umfang von diesem Angebot Gebrauch machen würden. Insbesondere die Absicht, die Kinderbetreuung bei Bedarf auch während der Ausschuss-Sitzungen vorzuhalten (potentiell betrifft dies 3-5 Termine pro Woche), erfordert eine präzise Bedarfserhebung, Angebotsplanung sowie Kostenkalkulation.”
Aber natürlich steckt hinter dem Vorschlag auch wieder ein bisschen Verzögerungstaktik. Denn so sehr wird sich der Bedarf im neuen Stadtrat nicht von dem im alten unterscheiden. Da hätte man durchaus schon mal Zahlen sammeln können, um eine Vorstellung dafür zu bekommen, was gebraucht wird. Das könnte man mit dem neu gewählten Stadtrat im September schon abgleichen, um spätestens ab Oktober zur Tat zu schreiten. Denn dann erwartet die emsige Verwaltung ja wieder einen voll funktionsfähigen Stadtrat, der gleich mal in die (Doppel-)Haushaltsdiskussion einsteigt.
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