"In der heutigen Presseberichterstattung zur Kita-Platz-Vergabe wird ein Schreiben des Amtes für Jugend, Familie und Bildung unvollständig zitiert", meldete sich - durchaus ein Novum - am Dienstag, 11. März, das Amt für Jugend, Familie und Bildung der Stadt Leipzig zu Wort. Für gewöhnlich arbeitet es zwar recht angespannt, denn Leipzig hechelt nun einmal den wachsenden Geburtenzahlen mit seinem Kita-Ausbauprogramm hinterher.

Entspannung verspricht der zuständige Bürgermeister Thomas Fabian (SPD) frühestens Ende 2014. Wohl wissend, dass viele junge Eltern darunter leiden, wenn knapp ein halbes Jahr nur noch wenig geht bei der Suche nach einem Betreuungsplatz für die Kinder. Viele junge Eltern wollen wieder arbeiten. Der Druck ist hoch. Die Emotionen schlagen immer wieder Wellen. Doch dass gar nichts mehr geht, das sei denn doch die falsche Botschaft.

“Durch die verkürzte Veröffentlichung des Auszuges zum Betreuungsbedarf eines Kindes entsteht der Eindruck, dass keine Aussicht auf einen Betreuungsplatz bis zum 01.09.2014 besteht. Liest man den vollständigen Text, wird deutlich, dass die Verwaltung eine Betreuungsmöglichkeit vor dem 01.09.2014 keinesfalls ausschließt”, weist das Amt darauf hin, dass der Originaltext doch ein wenig anders war, als er von der Leipziger Volkszeitung dann am Dienstag in einer Meldung auf der Titelseite verbreitet wurde: “Bis September gibt es keine Krippenplätze in Leipzig”.

Der vollständige Wortlaut der betreffenden Passage laute, so erklärt das Amt: “Nach intensiver Prüfung der Kapazitäten in den Kindertageseinrichtungen in der Stadt Leipzig kann der Familie am heutigen Tag kein Betreuungsangebot in einer Kindertageseinrichtung vor dem 01.09.2014 unterbreitet werden, was jedoch nicht ausschließt, dass sich dennoch bis dahin eine Betreuungsmöglichkeit ergibt.”

Und erläutert dazu: “Wie in jedem Jahr werden planbare Platzkapazitäten mit dem Schuleintritt der Kita-Kinder zum September frei. Beispielsweise durch Umzug werden darüber hinaus jedoch immer wieder auch unterjährig Plätze frei. Diese Plätze werden nach Dringlichkeit vergeben. Außerdem können alternativ Angebote der Kindertagespflege vermittelt werden. – Die Platzvergabe erfolgt in Leipzig dezentral und direkt in den Einrichtungen. Ansprechpartner sind grundsätzlich alle Träger, Kindertageseinrichtungen und Tagespflegepersonen. Das Amt für Jugend, Familie und Bildung als öffentlicher Träger steht Eltern bei der Platzsuche beratend zur Seite. Insbesondere dann, wenn der Betreuungsbedarf akut ist, unterstützen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Amtes für Jugend, Familie und Bildung Eltern aktiv bei der Suche nach Betreuungsmöglichkeiten. Bei dringlichen Bedarfen konnten bisher Lösungen gefunden werden. Derzeit läuft eine Anfrage bei allen Trägern von Kindertageseinrichtungen und Tagespflege zur Erfassung freier Plätze in den nächsten Monaten. Es befinden sich eine Vielzahl an Kitamaßnahmen in Planung oder bereits im Bau, die in 2014 und 2015 in Betrieb gehen werden.”

So weit der Hintergrund. Die Meldung in die Welt gesetzt hatte ursprünglich die Familienfreund KG, ein durchaus von Eltern gern gefragtes Unternehmen, das sich darauf spezialisiert hat, im Auftrag der Eltern doch noch einen Betreuungsplatz zu besorgen. Ganz systematisch.

Aber manchmal macht es auch ein bisschen PR in eigener Sache. So auch am 10. März. Da lag dann die Botschaft im E-Mail-Postfach: “Schwarz auf weiß: Keine KiTa-Plätze bis 1.9.2014 in Leipzig”.

Im zugehörigen Text auf der Website des Unternehmens heißt es dazu: “Allerdings war im Fax kein Platzvorschlag enthalten, sondern die Abteilungsleiterin des Amtes für Familie, Bildung und Soziales teilte mit, dass bis zum 1. September 2014 in der Stadt Leipzig kein Platz in einer Kindertageseinrichtung vorhanden ist. – Und für die, die es gar nicht glauben können, wurde die Absage der Stadt Leipzig als anonymisiertes Schreiben zur Verfügung gestellt. SKANDAL ! werden Sie sagen. Und Recht haben Sie, denn die geforderten Eigenbemühungen wurden bereits umfangreich dargestellt und es wurden auch keine Alternativen genannt.”
Auf das Wörtchen Skandal sprangen dann gleich zwei Leipziger Protagonisten an. Als erste die FDP-Stadträtin Isabel Siebert. “Die Probleme sind seit Jahren offenbar: Kitaplätze werden trotz Neubauten immer knapper. Bislang hat sich die Stadtverwaltung um klare Aussagen gedrückt. Aber es war doch allen längst klar, was los ist. Wir haben zu wenig Kitaplätze – ab jetzt auch amtlich bestätigt”, erklärte sie. “Anstatt den Stadtrat eigeninitiativ über diese brisante Lage zu informieren, um dann nach dem großen Knall gemeinsam die Ärmel hochzukrempeln, wird es erst einmal klein gehalten und der Mißstand nur auf Anfrage Dritter eingeräumt. Unter den geplanten elf Informationsvorlagen zur kommenden Stadtratssitzung finde ich jedenfalls kein Wort dazu – das ist der zweite Skandal. Es wird Zeit, dass endlich der Stadtrat sagt, wo Schwerpunkte in der Stadtpolitik gesetzt werden. Spätestens seit heute wissen wir, dass der Oberbürgermeister dazu nicht in der Lage ist. Der OBM braucht einen klaren Marschbefehl: Prestigeprojekte und Wohlfühl-Gesten darf es erst geben, wenn die wichtigsten Anliegen gesichert sind: Vorfahrt für unsere Kinder!”

Da war also das Wort Skandal wieder.

Und es ist just diese Pressewortmeldung von Isabel Siebert, aus der die LVZ dann am 11. März ihre Meldung bastelte. Gar noch mit dem Duktus, man habe es hier mit einer belastbaren Aussage zu tun und nicht nur mit einem politischen Statement: “?Die Stadtverwaltung hat Betroffenen nun schriftlich mitgeteilt, dass es bis September 2014 keine Krippenplätze mehr gibt’, berichtete gestern FDP-Stadträtin Isabel Siebert (36)”, heißt es in der Meldung.

Und die nahm nun die Leipziger Kita-Initiative wieder auf und schrieb selbst wieder ein aufgeregtes Statement: “Am 10.03.2014 titelte die Leipziger Volkszeitung: ?Keine freien Kita-Plätze bis September’ und bezieht sich dabei auf ein Schreiben des Leipziger Jugendamts an eine Familie, in dem es heiße: ?Nach intensiver Prüfung der Kapazitäten in den Kindertageseinrichtungen in der Stadt Leipzig kann der Familie am heutigen Tag kein Betreuungsangebot in einer Kindertageseinrichtung vor dem 01.09.2014 unterbreitet werden.’ Die FDP-Fraktion wolle nun im Stadtrat monatlich die Zahl der freien Kita-Plätze erfragen. Die Stadt Leipzig verspricht ihrerseits, im Jahr 2014 allein 5000 zusätzliche Kinderbetreuungsplätze zu schaffen, obwohl sie ihre selbst vorgegebenen Ausbauziele in den vergangenen Jahren nicht annähernd erfüllen konnte (2013 wurden 2500 neue Plätze versprochen, 1568 Plätze realisiert, davon 316 Plätze in bereits bestehenden Einrichtungen und 278 Plätze in der Tagespflege). Zahlreiche Kinder, die bis zu ihrem 3. Geburtstag durch Tagesmütter/-väter betreut wurden, finden danach keine Plätze in Kindertagesstätten. Uns erreichen vermehrt Meldungen von Menschen, die in Leipzig Kindertagesstätten bzw. Kita-Elterninitiativen eröffnen möchten, die trotz des faktischen Platzmangels auf Demotivation durch das Jugendamt, Widerstand und bürokratische Hürden statt auf Unterstützung treffen.”

Aber die Kita-Initiative ließ es nicht dabei. Sondern entwirft selbst ein Programm, wie im Dilemma anders und mit mehr Verständnis gerade für die jungen Eltern agiert werden könnte. Weniger Skandal, mehr Empathie ist die Devise. Hier ist es:

“Wir verstehen, dass die Kinderbetreuung für die Kommunen eine enorme, nicht zuletzt finanzielle Herausforderung ist. Wir verstehen auch, dass Leipzigs stetig wachsende Geburten- und Zuzugszahlen diese noch einmal verschärfen. Wir sehen das Problem, dass die Zuschüsse pro Kind und Platz von Seiten des Landes Sachsen seit 2005 nicht erhöhen wurden, trotz steigender Kosten. Es ist uns auch klar, dass Kindertagesstätten nicht ohne Weiteres in drei Wochen aus dem Boden gestampft werden können.

Die Stadt Leipzig muss ihrer Verantwortung für die Familien trotz alledem gerecht werden!

Es dürfen nicht die Eltern heute dafür büßen, dass die Stadt jahrelang – jahrzehntelang! – den Ausbau der Kinderbetreuung versäumt hat. Die einzig nennenswerten und für die Eltern tatsächlich sichtbaren Veränderungen der letzten zwei Jahre im Bereich der Kinderbetreuung waren die begrüßenswerte offizielle Abfrage des Betreuungsbedarfs einerseits und die Erhöhung der Elternbeiträge für die Krippen- und Kindergartenplätze andererseits. Das ist nicht akzeptabel!

Wir fordern von der Stadt endlich echte Unterstützungsangebote in Zeiten des Betreuungsplatzmangels, konkret:

1. Unterstützung durch das Jugendamt
Die Leipziger Eltern fühlen sich durch das Leipziger Jugendamt nicht ernst genommen, geschweige denn unterstützt. Die Beratung durch die zuständige Stelle (Rathaus Waren) ist ungenügend, oft herablassend und absolut nicht hilfreich. Wir fordern eine Aufstockung der zuständigen Stellen, häufigere, familienfreundliche Sprechzeiten, längere Beratungstermine und freundliche, kompetente MitarbeiterInnen, die sich der großen Problemen und Sorgen, die die desolate Kinderbetreuungssituation für die Familien mit sich bringt, vertrauensvoll und empathisch annehmen und die möglichen Alternativen – von alternativen Betreuungsmöglichkeiten bis zur Klage – offen und verständlich aufzeigen. Wird fordern ferner, dass die Stadt entsprechende Qualitätskontrollen der Beratung durchführt. Eltern dürfen nicht länger als Bittsteller behandelt werden! Das ist das Mindeste, was die Stadt den Leipziger Eltern bieten muss!

2. Verbesserung der Informationsweitergabe
Wir fordern, dass die Leipziger Eltern alle entscheidenden Informationen darüber, wie sie ihren Anspruch auf Kinderbetreuung fristgerecht anmelden und durchsetzen können mit der Geburtsurkunde bekommen. Insbesondere fordern wir, dass das Jugendamt mit den Eltern bei Abholung der Geburtsurkunde ein Aufklärungsgespräch führt, in dem ihnen mitgeteilt wird, dass sie ihren Betreuungsbedarf 6 Monate vor gewünschtem Betreuungsbeginn offiziell bei der Stadt anzumelden haben, um ihrer Mitwirkungspflicht nachzukommen. Das Stattfinden dieses Aufklärungsgesprächs sollte schriftlich von beiden Seiten via Unterschrift direkt vor Ort bestätigt werden. Auf diese Weise würde sichergestellt, dass sich definitiv alle Eltern über diesen Sachverhalt im Klaren sind. Anderenfalls müssen wir davon ausgehen, dass die Stadt die Anforderungen verschleiert, um etwa Hürden bei der Durchsetzung des Rechtsanspruchs aufzubauen.

3. Anbieten von Übergangslösungen
Die Stadt muss den Eltern Übergangslösungen anbieten. Wir fordern, dass schnellstmöglich Zwischenlösungen geschaffen werden, solange Leipzig nicht einmal annähernd für alle Familien, die ihre Kinder in Kindertagesstätten oder Kindertagespflege betreuen lassen möchten oder müssen, Betreuungsplätze bieten kann. Vorstellbar sind etwa kurzfristig eingerichtete Betreuungsstätten mit professionellem Betreuungspersonal, in der Familien, die nachweislich keine Betreuung für ihre Kinder bekommen konnten, ihre Kinder dennoch betreuen lassen können bis sie Plätze in einer Kindertagesstätte oder Kindertagespflege gefunden haben. Denkbar wäre auch ein Gutscheinsystem, dass Eltern dazu berechtigt, ihre Kinder stundenweise in Betreuungseinrichtungen wie “Wiesenknopf” zu geben, wobei die Kosten direkt durch die Stadt übernommen werden. Falls es hier bürokratische Probleme gibt, muss die Stadt Leipzig sich selbstständig und schnell darum kümmern, diese zu lokalisieren und zu eruieren, wie sie in dieser akuten Notfallsituation umgangen werden können!

Wir fordern die Einrichtungen eines entsprechenden “Krisenstabs Kinderbetreuung”, der sich mit diesen Problem und Möglichkeiten auseinandersetzt.

Wir Leipziger Eltern sind bereit zu akzeptieren, dass die Probleme für die Stadt akut nicht einfach zu beheben sind. Wir erwarten aber auch, dass die Stadt anerkennt, welche großen Probleme die Situation für Leipziger Familien mit sich bringt. Dazu gehört, dass die Stadt den Mangel aktiv verwaltet! Einfach von Jahr zu Jahr höhere, unrealistische Ausbauzahlen zu versprechen, reicht nicht aus und ändert nichts an den Problemen, die wir Familien hier und heute durch die Versäumnisse der Stadt haben! Die Kommunen müssen Kinderbetreuung zur Verfügung stellen. Leipzig kann dies derzeit nicht ausreichend bieten, also erwarten wir Hilfestellungen für die betroffenen Familien! Unverzüglich!”

www.leipziger-kita-initiative.com

www.facebook.com/dieleipzigerkitainitiative

Die ursprüngliche Meldung der Familienfreund KG:
www.familienfreund.de

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