Wahlfreiheit ist für viele junge Leipziger Eltern noch ein Traum. Sie sind schon froh, wenn sie für ihre Kinder überhaupt einen Betreuungsplatz bekommen. Seit Jahren läuft die Entwicklung der Betreuungseinrichtungen in Leipzig der steigenden Geburtenzahl hinterher. Doch seit einigen Tagen sorgt eine Klage für Extra-Unruhe.

Die Geschäftsführerin eines Leipziger Unternehmens, welches Eltern gegen Bezahlung bei der Betreuungsplatzsuche unterstützen will, klagt gegen eine Kita, um den Rechtsanspruch durchzusetzen bzw. die gesetzlich festgeschriebene Wahlfreiheit bei der Kinderbetreuung zu gewährleisten.

Ein Vorgang, den selbst die Leipziger Kita-Initiative, die seit Jahren für ein besseres Kita-Angebot kämpft, kritisch beurteilt. Transparenz bei der Vergabe von Kitaplätzen sei zwar ein Anliegen, dem die Initiative folgt. Einzelne Einrichtungen oder freie Träger zu verklagen aber sei jedoch der falsche Weg.

Victoria Jankowicz von der Leipziger Kita-Initiative: “Wir sehen die Klage kritisch. Kitas oder freie Träger haben diesbezüglich auf der Anklagebank nichts zu suchen! Für sie ist der Kitaplatzmangel selbst ein großes Problem und oft wird alles versucht, um genügend Plätze zu schaffen. – Ein Ziel unserer Elterninitiative ist, die Rahmenbedingungen für die Platzvergabe so transparent wie möglich zu gestalten. Klagen gegen einzelne Kitas sind aber kein guter Weg! Wir finden es richtiger, sich in die politischen Entscheidungsprozesse einzubringen und mit Stadt und Trägern zusammenzuarbeiten. Wir sehen diese nicht als Feinde, die es zu bekämpfen gilt!”

Der Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz gilt nämlich gegenüber dem öffentlichen Gewährleistungsträger, in diesem Fall also der Stadt Leipzig.

Die Kriterien für die Platzvergabe sind gesetzlich geregelt. Doch die Probleme entstehen in Leipzig durch den Mangel an angebotenen Plätzen. Immer wieder war das umstrittene Kita-Platz-Portal Thema der Kritik. Ebenso war die Platzvergabe in einzelnen Einrichtungen immer wieder Gesprächsthema.

“Wir fordern seit Langem Transparenz der Kriterien, nach denen die Plätze vergeben werden. Eltern sollten ein Recht darauf haben, zu erfahren, warum sie einen Platz nicht bekommen haben. Es hilft nicht, wenn eine Mutter eine Kita verklagt”, sagt deshalb Christin Melcher von der Leipziger Kita-Initiative. “Die Stadt Leipzig muss hier im Großen handeln und angesprochen werden.”

Die Leipziger Kita-Initiative fordere daher die Vergabe nach klaren und nachvollziehbaren Kriterien, etwa sozialen Aspekten, Anfahrtszeiten, Geschwisterkindern und Wartezeit. Die Stadt könne einen solchen Kriterienkatalog unter Einbeziehung der verschiedenen Interessengruppen – Politik, Träger und Elternschaft – erarbeiten. Auf Grundlage dessen könnte eine faire und nachvollziehbare Vergabe erfolgen.

Ein Problem bleibe aber nach wie vor, dass es nicht genug Plätze gibt und zu viele Familien gleiche Ansprüche geltend machen können.

Victoria Jankowicz: “Wie soll die Kita hier entscheiden? Solange der Mangel besteht, müssen Kitas irgendwie aus der unglaublichen Masse an Bewerbungen auswählen. Bei 30 Bewerbungen auf einen Kitaplatz ist das ein riesiges Problem. Bei der Gruppenzusammenstellung müssen auch noch viele weitere Kriterien bedacht werden. Den Kitas dann auch noch eine Klage zuzumuten ist unüberlegt und anmaßend.” Zudem gebe es immer auch Kitas, die bei den Eltern besonders beliebt seien, gerade in kinderreichen Stadtvierteln. “Wenn alle Eltern, die ihre Kinder in dieser bestimmten Kita betreuen lassen möchten, diese dann verklagen, gibt es bald womöglich noch weniger Kitaplätze, weil die Kitas so nicht arbeiten können.”

Besonders merkwürdig erscheint die Klage von Mandy Rost unter dem Aspekt, dass sie selbst die Geschäftsführerin einer Firma ist, die Eltern Betreuungsplätze gegen Geld besorgen möchte.

“Es ist Aufgabe der Stadt, die Vergabe gerecht zu regeln. Darauf zielt unsere Arbeit ab. Die UG von Frau Rost nutzt die Zwangslage der Eltern aus und baut darauf ein Geschäftsmodell auf. Wir finden das äußerst fragwürdig”, meint Victoria Jankowicz. “Die aggressive PR des Unternehmens ist uns schon häufiger aufgefallen. Man könnte unken, dass sich hinter der Klage eine mehr oder weniger clevere PR-Strategie verbirgt, um das eigene Geschäftsmodell voranzubringen. Die Stadt muss für ausreichend gute Kinderbetreuung sorgen. Dazu ist sie gesetzlich verpflichtet. Eltern können zur Durchsetzung ihres Rechtsanspruchs die Stadt verklagen. Bei erfolgreichen Klagen müssen die Gerichtskosten vom Verlierer getragen werden. Dass nun nach und nach ‘Mittler’ auftauchen, die aus der Not der Eltern Kapital zu schlagen versuchen, ist aus unserer Sicht eine äußerst problematische Entwicklung.”Aber was fängt man nun mit dieser Klage an?

“Die Vorwürfe der Klägerin lasten schwer – Intransparente Vergabe und das Fließen von Geldern bei der Berücksichtigung von Kitaplätzen. Vorwürfe, die nicht das erste Mal in den Raum gestellt werden”, meint Michael Schmidt, familienpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Leipziger Stadtrat. “Seit langer Zeit fordern wir ein transparenteres System zur Vergabe von Kitaplätzen. Wichtig ist dies nicht nur in Zeiten, in denen die Nachfrage nach Plätzen die vorhandenen Kapazitäten übersteigt und somit der bestehende Rechtsanspruch nicht gewährleistet werden kann. Mit der beauftragten grundlegenden Überarbeitung des Kitaportals www.meinkitaplatz-leipzig.de soll diese eingeforderte Transparenz gesteigert werden.”

Das Dilemma: Nach wie vor seien die Eltern die Bittsteller, die sich bis zur Verzweiflung um einen freien Kitaplatz bemühen und dennoch zu oft keine Berücksichtigung finden.

“Dies muss sich ändern”, meint Schmidt. “Bereits 2012 forderte die Fraktion daher eine zentrale Verwaltung aller Kitaplätze, ohne dabei den freien Trägern die Vergabe und Vertragsschließung aus den Händen zu nehmen. Dies wurde allerdings sowohl von den anderen Fraktionen als auch von den Freien Trägern konsequent abgelehnt. Die nun erfolgte Klage gegen den Träger Fairbund, den wir im Übrigen aufgrund seiner hochanerkannten pädagogischen Arbeit überaus schätzen, ist sehr bedauerlich. Denn sie impliziert, dass die Träger im Allgemeinen Kitaplätze nach Nase vergeben, statt Prioritäten, wie sie im Sächsischen Kitagesetz verankert sind, konsequent berücksichtigen.”

Eine zentrale Verwaltung der Plätze über das Amt für Jugend, Familie und Bildung würde in dieses Vergabeverfahren deutlich mehr Transparenz bringen. Dies soll nun in gewisser Weise über die Neuorganisation des KIVAN kommen, wo digitale Wartelisten durch konkret hinterlegte Bedarfsanmeldungen der Eltern, verbunden mit der Berücksichtigung von Prioritäten integriert werden sollen. Wartelisten in den Einrichtungen selbst sollen dann der Vergangenheit angehören, Mauscheleien bei der Platzvergabe sollen dann nicht mehr möglich sein und die Träger und Einrichtungen seien vor derartigen Anschuldigungen besser geschützt.

“Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen ist die Umsetzung der Neuerungen im KIVAN schnellstmöglich” notwendig, fordert Schmidt. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordere zudem – vor dem Hintergrund des weiteren Anstiegs der Geburtenzahlen – den ungebremsten weiteren Ausbau der Kita-Kapazitäten. Während in diesem Jahr etwa 5.000 Kitaplätze entstehen sollen, ist nach aktuellen Planungen für das Jahr 2015 nur ein Zuwachs von 700 Plätzen in Krippe und Kindergarten geplant.

“Momentan deutet aus unserer Sicht alles darauf hin, dass dieser deutlich gebremste Zuwachs für das Jahr 2015 nicht ausreichen wird”, stellt der Grünen-Stadtrat fest. “Die Geburtenzahl für Leipzig im Jahr 2013 liegt bei knapp 5.900, das bedeutet gegenüber der Bedarfsplanung einen weiteren Anstieg und damit den zusätzlichen Bedarf an weiteren drei Kitas und einer Grundschule. Wir erwarten daher von der Verwaltung, alle Möglichkeiten zu nutzen, gerade in den noch unterversorgten Stadtteilen weitere Kapazitäten zu schaffen und die Freien Träger und auch andere Initiativen dabei zu unterstützen!”

So sieht es auch Annette Körner, jugendpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: “Der Zuwachs an Plätzen in Kitas und Krippen reicht nicht annähernd aus, um die Nachfrage zu bedienen. So werden Eltern weiterhin verzweifelt suchen und sich an das Amt wenden müssen. Es ist unverantwortlich, dass die Stadt nur schleichend auf politischen Druck hin an der Verbesserung ihres Kita-Portals arbeitet. Das mögliche Nachrücken auf Tausenden von Plätzen schafft sie immer noch nicht so transparent darzustellen, dass Eltern eine Chance haben, ohne Bittgang auf die Warteliste einer Einrichtung aufgenommen zu werden. Im digitalen Zeitalter ist dies ein absurdes Handling im Suchvorgang. Gar nicht zu akzeptieren sind Hinweise auf elterliche Zahlungen im Gegenzug zu einem aussichtsreichen Platz, wenn dieser nicht privat angeboten wird, sondern zu den geförderten zählt. Bei dringender Platzsuche z.B. bei Alleinerziehenden bietet sich die Stadt bereits zur außergewöhnlichen Lösung an, was durch die Eltern auch weiterhin eingefordert werden sollte.”

www.meinkitaplatz-leipzig.de

www.leipziger-kita-initiative.com

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