Auch im Bereich Bildung macht das Wort "Nachhaltigkeit" Sinn. Denn eines der wesentlichen Ergebnisse der vergangenen PISA-Studien war eben nicht, dass Sachsens Schulen so toll sind, sondern dass der Bildungserfolg von Kindern vor allem an einem Faktor hängt: der vorschulischen Bildung. Die Defizite, mit denen Kinder in die Schule kommen, können dort kaum wieder ausgeglichen werden.
Das betrifft die motorischen und sprachlichen Defizite genauso wie die Fähigkeiten, komplexere Zusammenhänge zu begreifen und dafür Lösungen zu finden – aber auch das ganze Bündel emotionaler und sozialer Kompetenzen.
Das sprach sich selbst bis zur Bundesregierung herum, die dann ab 2009 die steigende Beteiligung des Bundes an den Betriebsausgaben der Kindertagesstätten in der Republik regelte. Geld, das eigentlich über die Länder direkt an die Kommunen, die die Kinderbetreuung ausbauen sollen, weitergereicht werden sollte. Doch in Sachsen ist das alles ein bisschen anders. Der Sächsische Finanzminister verrechnet die Summe mit den Geldern, die der Freistaat für die Betriebskosten zuschießt. Ein Unding, fanden nicht nur Politikerinnen und Politiker aus der kritikfreudigen Opposition. Auch die CDU-Bundestagsabgeordnete Veronika Bellmann aus Chemnitz fand das seltsam und schrieb auch extra den Sächsischen Finanzminister Georg Unland (CDU) an. Sie fragte nach, warum er die Gelder aus dem Programm “Kinderbetreuungsfinanzierung” nicht weiterreichte an die Kommunen.
Der rechnete ihr dann vor, wie er die Bundeszuschüsse in die Landespauschale hineinrechnete – und damit den Anteil des Landes an der Betriebskostenfinanzierung in den Kitas tatsächlich absenkte. Eben um die 25 Millionen Euro des Bundes, die 2012 dazu kamen, 2013 waren es schon über 30, 2014 werden es 38,5 Millionen Euro sein. Da der Freistaat seinen Beitrag schon seit Jahren bei 1.850 Euro pro Betreuungsplatz deckelt, bedeutet das zwangsläufig, dass Eltern und Kommunen auf den wachsenden Kosten sitzen bleiben. Den Kommunen laufen damit die Jugendetats aus dem Ruder.
Es verwundert also keineswegs, wenn auch bei den Fachberatern gespart wird, die eigentlich dazu da sein sollten, das Angebot in den Kindertagesstätten qualitativ zu bewerten und zu verbessern. Immerhin geht es um frühkindliche Bildung – dafür gibt ja der Bund seine Kita-Zuschüsse.
Um das Thema Fachberater zu beleuchten, hat Annekatrin Klepsch, kinder- und jugendpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Sächsischen Landtag, eine entsprechende Anfrage an die Sächsische Staatsregierung gestellt. Und wurde durch das, was Bildungsministerin Brunhild Kurth ihr zuarbeitete, voll und ganz in ihrer Vermutung bestätigt.
“Mit den erfreulicherweise wieder steigenden Geburtenzahlen in Sachsen und dem Ausbau der Kindertagesbetreuung für unter Dreijährige sind allein seit 2009 die Betreuungszahlen in den sächsischen Kindertageseinrichtungen um elf Prozent gestiegen. Wurden im Jahr 2009 noch 244.853 Kinder in 2.713 Einrichtungen betreut, waren es im ablaufenden Jahr 2013 bereits 272.786 Kinder in 2.815 Einrichtungen”, benennt Klepsch die zugrunde liegenden Zahlen. “Die Anzahl der Fachberaterinnen und Fachberater für die Teams in den Kindertageseinrichtungen und die pädagogischen Fachkräfte ist demgegenüber jedoch mit 32,68 Vollzeitstellen landesweit konstant geblieben, wie die Antwort des Kultusministeriums auf eine Kleine Anfrage (Landtags-Drucksache 5/13147) offenbart hat.”
Fachberatung ist laut §21 Abs. 3 SächsKitaG eine Pflichtaufgabe der örtlichen Träger der Jugendhilfe. Laut “Empfehlungen des Sächsischen Landesjugendamtes zur Fachberatung in Kindertageseinrichtungen und in Kindertagespflege” sollen einer Vollzeitstelle Fachberatung maximal 20 bis 25 Kindertageseinrichtungen gegenüber stehen.
Doch gegenwärtig beträgt das Verhältnis im Landesdurchschnitt 1:86 – eine Fachberaterin / ein Fachberater müssen im Schnitt 86 Einrichtungen betreuen. Negativer Spitzenreiter ist nach den von Brunhild Kurth vorgelegten Zahlen der Landkreis Bautzen, wo auf eine Fachberatungsstelle 124 Kindertageseinrichtungen kommen, doch auch in Dresden (111 Kitas), und im Landkreis Zwickau (102 Kitas) ist die Fachberatung personell deutlich unterbesetzt.Und Leipzig steht nicht die Spur besser da. Hier kommen 101 Kitas auf je eine / einen Fachberaterin / Fachberater.
Oder in genauen Zahlen: Zweieinhalb im Jugendamt beschäftige Fachberater(innen) kümmerten sich bis 2011 um über 280 Kindertageseinrichtungen. 2012 wurde das Personal “aufgestockt”: Aus der halben Vollzeitstelle wurde eine ganze – jetzt kümmern sich drei Fachberater(innen) um mittlerweile 302 Einrichtungen. Dazu kommen mittlerweile noch 3,75 Vollzeit-Äquivalente zur Betreuung der zunehmenden Zahl von Tagespflegepersonen – immerhin 534, die in diesem Jahr 2.399 Kinder betreuten.
Um aber allein die Kindertagesstätten adäquat betreuen zu können, müsste Leipzig eigentlich 10 Fachberater(innen) allein für diesen Bereich beschäftigen – etwas, was augenscheinlich den Personaletat an dieser Stelle völlig aus dem Lot bringen würde.
Und da die Kommunen derart am Beraterpersonal sparen müssen, verschlechtert sich zwangsläufig mit den wachsenden Geburtenzahlen das Betreuungsverhältnis auch pro Kind. Annekatrin Klepsch: “Auf die Anzahl der betreuten Kinder umgerechnet betrug das Verhältnis zwischen einer Vollzeitstelle Fachberatung im Jahr 2009 im Landesdurchschnitt 1: 7.492, im Jahr 2013 jedoch bereits 1: 8.374. Während aktuell im Landkreis Görlitz und im Landkreis Vogtland nur 4.272 bzw. 4.752 Kinder auf eine Fachberaterin kommen, sind es in den Ballungsgebieten Dresden 13.070 bzw. Leipzig 12.261 Kinder sowie im Landkreis Bautzen 12.030 Kinder.”
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Das alles erzählt natürlich von einer (frühkindlichen) Bildungspolitik, der in Sachsen nicht nur Hand und Fuß fehlen (zu erinnern sei auch an das von Schwarz/Gelb wieder abgeschaffte kostenfreie Vorschuljahr), sondern auch jegliche Ansätze zu einer Nachhaltigkeit. Denn nur wenn auch die Kostenverteilungen nachhaltig ausbalanciert sind, kann die frühkindliche Betreuung und Bildung von den Kommunen tatsächlich dauerhaft gesichert werden.
Klepsch dazu: “Selbst wenn man berücksichtigt, dass ein Teil der Kindertageseinrichtungen in freier Trägerschaft die Angebote der Fachberatung bei den Wohlfahrtsverbänden nutzt, weicht die Zahl der vorhandenen Fachberaterinnen und Fachberater deutlich von den Fachempfehlungen ab und stellt damit die Qualitätssicherung in der Kindertagesbetreuung in Frage. Die Fraktion Die Linke fordert die Staatsregierung deshalb auf, gemeinsam mit den kommunalen Jugendämtern auf den personellen Ausbau der Fachberatung hinzuwirken und die Finanzierung der Kindertagesbetreuung in Sachsen im nächsten Doppelhaushalt 2015/16 deutlich zu erhöhen.”
Die Nachfrage von Veronika Bellmann zur Verwendung der Bundeszuschüsse in Sachsen: www.veronika-bellmann.net/
Die Anfrage von Annekatrin Klepsch als PDF zum Download.
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