Der Gesetzgeber hat es sich einfach gemacht: Per 1. August 2013 gilt das Anrecht auf einen Betreuungsplatz für alle Kinder ab vollendetem ersten Lebensjahr. Umzusetzen von den Kommunen, dalli, dalli. Macht mal. In Leipzig konnten die betroffenen Eltern selbst miterleben, in welche Kalamitäten die Stadt rutschte. Sie legte zwar auch für 2013 ein gewaltiges Kita-Bauprogramm auf. Nur fertig wurde davon nur ein Teil. Am 1. August klaffte die Betreuungslücke noch immer. Jetzt sollen 2014 sogar knapp 5.000 neue Betreuungsplätze entstehen.

“Wenn wir das schaffen”, sagt selbst Sozialbürgermeister Thomas Fabian, “dann können wir Ende 2014 tatsächlich den Bedarf decken.”

Es stecken viele Wenn und Aber in dieser Vision. Aber es stecken auch die Erfahrungen des Jahres 2012 und der Vorjahre drin. Da plante die Stadt jedes Mal dutzende neuer Kindertagesstätten, erstellte eine Liste, alle freuten sich drauf – und dann wurde die Hälfte oft nicht umgesetzt oder verschoben ins nächste oder übernächste Jahr. Mit den Jahren und den steigenden Geburtenzahlen klaffte die Lücke zwischen Bedarf und Angebot immer weiter auseinander. 2012/2013 wollte die Stadt dann das Problem mit dem Bau von Modul-Kindertagesstätten in großem Stil angehen. Und stellte dann bei der Bestellung fest, dass Modul-Kitas viel zu teuer sind. Auf die Laufzeit gerechnet sogar wesentlich teurer als klassisch gebaute Kindertagesstätten.

Also wieder raus aus der neuen Hose, umgeplant. Was blieb aus dem hektischen Jahr 2012: ein zentraler Planungsstab im Sozialdezernat, wo seitdem alle Planungen zu Kindertagesstätten zusammen laufen. So hat die Stadt zumindest über die eigenen Bauprojekte die Übersicht. Und kann den anderen Projekten, wenn sie ämterseitig ins Stocken geraten, unter die Arme greifen. Erleichtert ist Fabian, so sagt er, erst, wenn der erste Spatenstich getan ist. Dann gibt es in der Regel nur noch einen, die die Vollendung der neuen Kita verzögern kann: den Winter.

Der nächste steht vor der Tür. Der letzte hat sein Werk getan. Er hat zum Beispiel dafür gesorgt, dass eine ganze Reihe neuer Kindertagesstätten erst zum Jahresende oder sogar erst 2014 fertig werden. Das längste an einem Kita-Projekt, so Fabian, ist die lange Planungs- und Genehmigungsphase von mindestens anderthalb Jahren. “Wenn erst mal gebaut wird, geht es schnell. Da kann man praktisch zugucken”, sagt Fabian. Neun bis zwölf Monate. Dann können die Knirpse einziehen.

Wenn nicht der Winter dazwischen kommt.

Der letzte Winter hat deutlich gezeigt, was ein richtiger Winter so kann: neun Vorhaben, die eigentlich noch 2013 ans Netz sollten, verschieben sich mit der Fertigstellung bis ins Frühjahr 2014. Zwei Bauprojekte sind sogar noch von 2012 übrig geblieben.

Aber da gebaut wird, ist Fabian zuversichtlich, dass 2014 wirklich ein ganz großer Teil dessen geschafft wird, was die Versorgungslücke schließt. Zehn Einrichtungen sollen übrigens noch 2013 fertig werden. Zusätzlich zu den Projekten, die sich von 2012 und 2013 ins Jahr 2014 verschoben haben, sollen noch weitere 20 Kindertagesstätten neu entstehen. Zwölf Kindertagesstätten werden baulich erweitert.

Dazu kommen auch noch 182 neue Plätze in der Tagespflege. Im Ergebnis sollen 2014 rund 5.000 neue Kita-Plätze in Leipzig entstehen. Mehr als die Stadt an Bedarf errechnet hat.Der Bedarf ist ein eigenes Thema. In den vergangenen Jahren war die Stadt auch bei der Bedarfsermittlung sehr zurückhaltend, zurückhaltender auch als etwa die Stadt Dresden. Man rechnete lieber konservativ, wohl wissend, dass das Geld eigentlich auch nicht für mehr reichte. Noch 2010 rechnete man mit einer Bedarfsquote bei den Ein- bis Dreijährigen von 61,7 Prozent, ging dann im Folgejahr auf 64 Prozent. Doch die Entwicklung zeigte: Das war zu vorsichtig. Nicht nur der Betreuungsanspruch ab 1. August nahte und änderte die Szenerie. Auch der Arbeitsmarkt in Leipzig änderte sich. Junge Eltern bekamen deutlich häufiger einen Arbeitsplatz. Aber bekamen nun ein Problem, weil sie keinen Betreuungsplatz für die Kinder fanden.

Und so passte die Stadt dann auch 2013 ihre prognostizierte Betreuungsquote für die Ein- bis Dreijährigen an, erhöhte sie auf 74,3 Prozent. 2014 geht sie sogar von einer Betreuungsquote von 82,7 Prozent aus. Das ist eine kleine Revolution. Denn damit nähern sich die Betreuungsquoten im Krippenalter denen in den Kindergärten an, wo sie bei 92 Prozent liegen. Was eigentlich auch zu niedrig ist, wenn man das Thema “vorschulische Bildung” wirklich ernst nimmt.

Auf Grundlage der höher gesetzten Betreuungsquote und der weiter gestiegenen Geburtenzahl geht das Sozialdezernat von einem zusätzlichen Platzbedarf allein im Krippen- und Kindergartenbereich von rund 1.900 Plätzen aus. Entstehen werden aber 3.189 neue Betreuungsplätze – davon 1.557 für Kinder unter 3 Jahren (Krippe und Tagespflege), 337 für Kinder zwischen 3 und 6 Jahren und 1.295 im Hortbereich. Denn der Geburtenzuwachs kommt ja auch längst in den Schulen an. Auch neue Schulen entstehen. Und alte werden nicht – wie noch 2008 geplant – abgerissen. Auch die alten Plattenbauten von Neruda-Schule, Kästner-Schule und 3. Grundschule bleiben erhalten und werden zur weiteren Nutzung saniert.

Wenn alle Neubauten so wie geplant kommen, könnte das Betreuungsangebot für Kinder 2014 in Leipzig um knapp 5.000 Plätze wachsen. Knapp 1.500 dieser Plätze sind der Überhang aus den Jahren 2012 und 2013. Die Stadt Leipzig hat dann Ende 2014 zum ersten Mal seit Jahren keine große Kluft mehr zwischen Bedarf und Angebot. Vorübergehend, wie Thomas Fabian betont. Denn wenn es 2013 schon 300 Geburten mehr gibt als noch 2012 und das in den nächsten Jahren so weiter geht, entsteht zwangsläufig neuer Bedarf. “Wir müssen also auch in den nächsten Jahren so weitermachen”, sagt Fabian.

Das Ganze hat natürlich auch Folgen für den Haushalt, denn auch wenn die Kindergärten stehen, muss die Stadt Geld zuschießen für den Betrieb. 2012 überstieg die Summe der Eigenmittel als Zuschuss von der Stadt erstmals die 100-Millionen-Euro-Marke. 2013 sind es schon 112 Millionen Euro, 2014 rechnet der Sozialbürgermeister mit einer Steigerung auf 130,8 Millionen. Da der Freistaat seine Zuschüsse seit 2005 eingefroren hat, sind es dann nur noch die Eltern, die mit höheren Elternbeiträgen für einen Ausgleich von geschätzten 2,4 Millionen Euro sorgen können. Das Geld soll durch die Erhöhung der Elternbeiträge im Kindergartenbereich von bisher 27 auf den gesetzlichen Maximalbetrag von 30 Prozent erreicht werden. In Hort und Krippe werden schon die Maximalanteile von 23 bzw. 30 Prozent verlangt.

So steigen per 1. Januar 2014 die Elternbeiträge im Kindergarten von 109,55 Euro im Monat auf 124,93 Euro, in der Krippe schon durch den Anstieg der Betriebskosten von 202,19 auf 207,52 Euro und im Schulhort von 71,20 auf 73,08 Euro.

Insgesamt erhöhen sich die Betreuungskosten in Leipzigs Kitas auf über 220 Millionen Euro (2013: 196,5 Millionen), von denen dann neben den 130,8 Millionen der Stadt 90,1 Millionen auf Eltern und Freistaat zusammen entfallen.

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