Keine halben Sachen, Herr Fabian oder Wie eine Leipziger Verwaltungsvorlage zum “Masterplan” wird

Wie die künftige Vergabe von Kita-Plätzen über das Kita-Platz-Portal der Stadt geschehen soll, darüber diskutierte der Jugendhilfeausschuss schon am 2. September. Einige wesentliche Punkte eines Antrags der Grünen-Fraktion macht sich die Stadtverwaltung zu eigen. Am 13. September wurde das Protokoll der Sitzung veröffentlicht und am Montag, 16. September, machte die "Bild"-Zeitung gleich mal einen "Masterplan gegen das Kita-Chaos" daraus.

Sie ging sogar so weit, den verantwortlichen Sozialbürgermeister Thomas Fabian dabei so darzustellen, als hätte er der “Bild” die Sache ganz exklusiv erklärt.

Das nahm nun tatsächlich die Leipziger Kita-Initiative für bare Münze. Als gäbe es wirklich einen Masterplan. Und nicht eine eher zurückhaltende Variante, bei der auch nicht alles umgesetzt wird, was die Grünen beantragt haben.

Aus dem Protokoll des Jugendhilfeausschusses:

“Zu 1. Zustimmung mit Ergänzung: Die Eltern bekommen die Möglichkeit ihren Kinderbetreuungsbedarf zeit- und einrichtungskonkret über www.meinkitaplatz-leipzig.de anzumelden.

Zu 2. Ablehnung: Eine Registrierung über verschiedene Ämter und freie Träger ist nicht günstig. Die Registrierung des Kindes soll weiterhin über das Elternportal umgesetzt werden.

Zu 3. Zustimmung mit Ergänzung: Die Bedarfsanmeldungen werden anonymisiert und zusammengefasst als wesentliche Grundlage für die zukünftige Kindertagesstätten-Bedarfsplanung verwendet.

Zu 4. Zustimmung: Die Bedarfsanmeldungen sind mit dem Datenschutzbeauftragten der Stadt Leipzig abzustimmen.”

Im Protokoll ist auch nachzulesen, dass die stadteigene LECOS durchaus alle gewünschten Verfahrensabläufe im Kita-Portal darstellen und vereinfachen könnte. Die klare Ansage: “Wenn die Anforderungen der Stadt vorliegen, wie ein Modul aussehen soll, kann dies auch zum Einsatz kommen.”

Das Problem an www.meinkitaplatz-leipzig.de ist nicht die technische Umsetzbarkeit, sondern die Tatsache, dass die verfügbaren Betreuungsplätze in Leipzig nicht ausreichen. Die meisten frei werdenden Plätze kommen gar nicht erst ins System, sondern werden ganz klassisch über die Kindereinrichtung an die beantragenden Eltern vergeben – Wartelisten eingeschlossen.
Die Sache mit dem “Masterplan” aber hat die Kitaplatz-Initiative augenscheinlich beeindruckt.

Und so kommt die Initiative zu der Feststellung: “Offensichtlich gesteht das Rathaus endlich die chaotische Kita-Platz-Vergabe ein und will mit einem Master-Plan den Spießrutenlauf vieler Eltern ein Ende setzen.”

Das nennt man denn eine gelungene Überschrift.

Aber das Anliegen bleibt natürlich trotzdem akut. Nach wie vor läuft die Geburtenentwicklung den Leipziger Planern davon. Knapp 6.000 Geburten prognostiziert das Amt für Statistik und Wahlen Leipzig am Jahresende – rund 300 bis 400 mehr als 2012.

Dass Christin Melcher von der Leipziger Kita-Initiative gemerkt hat, das vielleicht etwas an der Botschaft vom 16. September nicht stimmt, drückt sie so aus: “Der Vorschlag von Sozialbürgermeister Fabian ist eine Farce. Mit halben Sachen geben wir uns nicht zufrieden.”

Jahrelang wurden die Probleme bei der Platz-Vergabe vom Rathaus negiert, nun gestehe das Rathaus Handlungsbedarf ein, allerdings nur halbherzig. Die Kita-Initiative beurteile den Master-Plan als “viel zu spätes Einlenken und ein Tropfen auf den heißen Stein – familienfreundliche Politik sieht anders aus”. Das Rathaus schöpfe seinen Handlungsspielraum nicht aus. Lediglich die Durchführung einer Bedarfsanalyse sei zu begrüßen: nach jahrelangem Ringen im Stadtrat und das Drängen vieler Elterninitiativen werde die Stadt wohl zukünftige auf Grundlager verlässlicher Zahlen den Kita-Ausbau planen. Ein Witz sei dagegen die Vergaben von lediglich zehn Prozent der Plätze durch das Jugendamt.

Im Jugendhilfeausschuss wurde am 2. September auch thematisiert, wie viele Kita-Plätze tatsächlich über das Portal der Stadt 2012 vermittelt wurden: 188, gerade einmal 4 Prozent. Dagegen sind 10 Prozent natürlich eine Steigerung.

Das kann man ganz nüchtern erzählen.- Oder einen “Masterplan” draus machen, den dann sogar die Kita-Initiative glaubt. Die dann auch noch blauäugig fragt: “Wem soll das helfen?” Die Stadt erleichtere die Zwangslage vieler Eltern auch zukünftig nicht.

“Wir sehen uns konfrontiert mit einer scheinheiligen Politik.”

Eltern die berufstätig oder in Ausbildung seien, sollten bevorzugt werden – das sei Gesetzeslage und kein Master-Plan. Seit 1. August gebe es den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz, alle Eltern hätten demnach einen Anspruch auf einen qualifizierten Betreuungsplatz – ein Anspruch dem die Stadt nachkommen müsse. Die Eltern wünschten sich eine rechtzeitige Zusage für einen Betreuungsplatz, hilfreiche Informationen zu den Einrichtungen und eine gerechte und transparente Vergabe aller Plätze und nicht ein Flickenteppich von wirkungslosen Maßnahmen. Die Eltern seien trotz Master-Plan gezwungen unzählige Kitas abzuklappern um einen der begehrten Plätze zu ergattern.

“Wir bestehen auf unserer Forderung nach einer zentralen Verwaltung aller Kita-Plätze – nur so kann das Chaos beseitigt werden und eine echte Wahlfreiheit für Eltern sichergestellt werden. Das ist eine vernünftige Mangelverwaltung.”

Und Christin Melcher abschließend: “Das Jugendamt hat uns Ende September zu einem Austausch eingeladen, besprochen werden soll die Organisation und die Durchführung einer gerechten Vergabepraxis. Wir hoffen, dass die Stadt sich noch verhandlungsbereit zeigt und die Bedürfnisse der Eltern endlich ernst nimmt. Wir fordern eine tatsächliche Auseinandersetzung mit unseren Forderungen und keine Symbolpolitik.”

Wahrscheinlich wird es bei diesem Austausch die Ergebnisse des Jugendhilfeausschusses vom 2. September geben. Und einen schmunzelnden Sozialbürgermeister, der sich freut, dass er jetzt auch einen “Masterplan” hat.

http://leipziger-kita-initiative.com
www.meinkitaplatz-leipzig.de

Das Protokoll der Sitzung des Jugendhilfeausschuses vom 2. September:
http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/89188523BC3530B1C1257BE50048C7EA/$FILE/61.%20Sitzung%2002.09.13.pdf

Der “Masterplan” in der “Bild”-Zeitung:
www.bild.de/regional/leipzig/kita-pflicht/masterplan-gegen-das-kita-chaos-32403608.bild.html