Es ist ein Hoffnungsfunke, der da glüht am Gutenbergplatz. Der Funke Hoffnung, dass Leipzig die Sache mit einer sozialen Grundversorgung doch noch irgendwann in den Griff bekommt. Eine richtige Familienstadt wird, die es (noch) nicht ist. Was auch die Leipziger merken, wenn mal wieder eins dieser Löcher aufreißt, das dann zeigt, wie schlecht es um Ressourcen und Finanzen der Stadt bestellt ist. Aktuell: bei Kindertagesplätzen.

Ab 1. August gilt auch der Rechtsanspruch für die Kinderbetreuung unter 3 Jahre. Und eins ist sicher: Leipzig wird den Anspruch nicht erfüllen können. Wie viele andere Großstädte auch. Genug Kita-Plätze wird es geben am 1. August. Aber selbst Bundesfamilienministerin Dr. Kristina Schröder hat die Zahlen nur widerwillig so genannt, weil sie auch weiß: Die freien Kita-Kapazitäten sind am falschen Ort. Dort, wo dieses Land wirklich wächst und Betreuungsplätze braucht, fehlen diese. Die Bundesrepublik hätte ein echtes Förderprogramm für die Großstädte gebraucht. Die Gießkanne hat mal wieder nicht funktioniert.

Was in Leipzig dazu führt, dass von 2.500 für 2013 geplanten neuen Betreuungsplätzen wohl nur 1.200 kommen werden. Und das auch nur bis Jahresende. Da ist selbst ein Richtfest ein Hoffnungsschimmer. 23. Juli, 11 Uhr am Gutenbergplatz: Richtfest für die zweite Kindertagesstätte des Studentenwerks Leipzig. Oder besser: für den ersten Teil desselben.Der Rohbau für die geplante Kinderkrippe im “Center for Social Services” am Gutenbergplatz 4 steht, die Richtkrone tanzt in der Luft, der Sektkelch ist zerschmettert. Der Krippen-Flachbau entsteht im Innenhof des ehemaligen HTWK-Mediencampus am Gutenbergplatz. Die Medienleute der Hochschule sind ja bekanntlich in ihren neuen Campus an der Gustav-Freytag-Straße umgezogen. Glück fürs Studentenwerk. Denn als Dr. Andrea Diekhof 2011 mit ihrem Amtsantritt als Geschäftsführerin des Studentenwerks beim Sächsischen Wissenschaftsministerium vorfühlte, stellte sich bald heraus, dass die Immobilie am Gutenbergplatz nicht nur dem Land gehörte, sondern für die Pläne des Studentenwerkes auch zur Verfügung stand.Es ging um mehr als eine Kita. Sondern um ein ganzes Dienstleistungs-Bündel für Studierende in besonderen Lebenslagen. Und davon gibt es jede Menge. Dr. Andrea Diekhof nannte zum Richtfest die entsprechenden Zahlen: Deutschlandweit versuchen 5 Prozent der Studierenden, ihr Studium zusammen mit einer Familiengründung zu meistern. In Leipzig betrifft es sogar 10 Prozent der Studierenden. Logisch, dass das Studentenwerk intensiv über hochschulnahe Kinderbetreuung nachdenken muss. 2010 eröffnete es an der Brüderstraße seine erste Kita: das “EinSteinchen”. Träger ist hier die Fröbel GmbH. Sie wird auch am Gutenbergplatz die Trägerschaft übernehmen. Deshalb reisten die großen Kinder aus der Brüderstraße auch schon mal zum Richtfest an und erfreuten die Bauleute, Planer, Geldgeber und Gäste mit zwei Liedern aus ihrem Repertoire – dem Lied vom “ABC” (denn sie wollen ja demnächst alle zur Schule) und dem Lied über die modernste aller Frauen: “Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad”.Beim Publikum kam das gut an. Jetzt wissen alle, was auf sie zukommt. Auch wenn es mit dem Kindergarten noch etwas dauert. Zuerst wird die 45 Plätze fassende Kinderkrippe fertig. “Die wird auch am dringendsten gebraucht”, bestätigt Thomas Schmidt, amtierender Leiter des Amtes für Jugend, Familie und Bildung. Im Dezember soll sie fertig sein. Nicht nur der Rohbau steht, auch die Pergola hat schon Konturen angenommen. Wo das Publikum am Dienstag auf staubigem Split stand, soll noch eine richtige Freianlage für die Knirpse entstehen. Und zwischen Freianlage und der Mauer zum Johannisfriedhof noch eine neue Straße, damit die Knirpse hier ohne Rückstau auf die Straße abgegeben werden können.

1,9 Millionen Euro kostet allein der Neubau der Kinderkrippe. Hier wurde das Kita-Förderprogramm des Bundes wirksam. Und Thomas Schmidt wünscht sich innig, dass es “auch nach 2014 so fortgesetzt wird”. Städte wie Leipzig sind dringend darauf angewiesen, wenn sie überhaupt ihren Stau beim Kita-Bau bewältigen wollen. Auch das Land Sachsen und die Stadt Leipzig gaben Geld dazu, so dass von den 1,9 Millionen Euro immerhin 1,1 Millionen gefördert werden.

Nach der Krippe geht es an den großen Plattenbauriegel zum Gutenbergplatz hin. Hier sind noch einmal über 3 Millionen Euro Investition geplant. Der Bau aus den 1970er Jahren wird im Inneren umgebaut und bekommt auch eine neue Fassade. Das Kachelmotiv an der Straßenfront, das eine leuchtende Sonne zeigt, bleibt erhalten, verspricht Dr. Andrea Diekhof.Im Souterrain und im Parterre entsteht der geplante Kindergarten. Insgesamt werden künftig 134 Kinder am Gutenbergplatz betreut. Die Eröffnung ist für Oktober 2014 geplant. Und natürlich hoffen die Bauleute, dass der nächste Winter nicht so hart wird wie der vergangene.

In den drei oberen Stockwerken wird das untergebracht, was das Studentenwerk Leipzig als Unterstützung für Studierende in besonderen Lebenslagen weiterhin geplant hat: Hier entstehen Räumlichkeiten für die Sozialberatung und die Psychosoziale Beratung des Studentenwerks Leipzig mit sechs Einzelbüros, einem Wartebereich und einem Gruppenraum. Ein Thema, das seit der Bologna-Reform massiv an Bedeutung gewonnen hat, wie Andrea Diekhof betont. Denn mit der Einführung der strafferen Studiengänge hat die psychische Belastung für die Studierenden massiv zugenommen. Entsprechend müssen die Unterstützungsangebote des Studentenwerks ausgebaut werden.

Dazu kommen 17 Zwei-Zimmer-Apartments für Studierende mit Kind, zwei barrierefreie Zwei-Zimmer-Apartments für Studierende mit einer Behinderung und 29 Apartments für ausländische Studierende und Doktoranden. Womit dann die anderen Studierendengruppen in “besonderen Lebenslagen” genannt sind. Mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die ihnen auch das Studium erschweren, haben nach Erhebung des Studentenwerks 7 Prozent aller Studierenden zu tun. Für einige Betroffene werden also auch dringend barrierefreie Wohnräume gebraucht. Und 10 Prozent aller Studierenden in Leipzig kommen aus dem Ausland. “Was ja so auch beabsichtigt ist”, betonte Dr. Ronald Werner vom Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst am Dienstag. “In unseren Wohnheimen beträgt der Anteil der ausländischen Studierenden sogar schon über 30 Prozent”, so Diekhof.

Das Studentenwerk reagiert mit seinem “Center for Social Services” also auf Prozesse, die in Leipzig längst im Gang sind und schafft damit eine Unterstützungs-Struktur für alle sieben Leipziger Hochschulen, die dringend gebraucht wird.

5 Millionen Euro wird das Gesamtprojekt kosten, wenn alle Kostenrahmen eingehalten werden können. Und der Winter nicht dazwischenfunkt.

www.studentenwerk-leipzig.de

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar