Der 1. August naht mit großen Schritten. Ab dann gilt das Recht auf einen Betreuungsplatz in ganz Deutschland. Kaum eine Stadt wird es schaffen, der vermutlichen Bedarf zum 1. August zu decken. Auch Leipzig nicht. Der Grund ist simpel: Die Bundesregierung hat die Betreuungsplatzgarantie ausgesprochen - aber an Geldern fehlt's.

Leipzig hat zwar knapp vor Jahresschluss noch ein gewaltiges Neubau- und Erweiterungsprogramm für seine KiTa-Kapazitäten aufgelegt – hängt damit aber weit zurück. Das Meiste wird erst zum Jahresschluss oder gar erst Anfang 2014 fertig werden. Manches wird in der Zeitschleife hängen bleiben, was zum Beispiel der in der Gohliser Straße geplanten Kindertagesstätte droht. Da machen jetzt die Anwohner mobil.

Dass die Stadt dort die Grünfläche überhaupt für einen Kita-Neubau vorsah, hat schlicht damit zu tun, dass sie im Stadtgebiet kaum noch über freie Baugrundstücke verfügt. Zu viele wurden in den letzten Jahren veräußert, um den Haushalt zu stärken. Man sieht zwar allerorten wilde Brachflächen, die oft geradezu ideal für neue Kindertagesstätten wären. Aber zumeist sind sie in Privatbesitz. Stehen also auch nicht zur Verfügung. Dann wieder gibt es Flächen, die sind zwar privat – stünden aber zur Verfügung.

So meldet die SPD-Fraktion, dass sich auch immer wieder Leipziger Kleinunternehmen melden, die jederzeit gern Räume für Kinderbetreuung zur Verfügung stellen würden – aber nicht die Mittel haben, eine eigene Betriebskindertagesstätte zu betreuen. Was tun? Warum nicht das Nötige mit dem Möglichen verbinden, dachte sich die SPD-Fraktion. Und gab jetzt einen Antrag ins Verfahren mit dem eher trockenen Titel “Zusammenarbeit von Unternehmen mit Kindertagesstätten und Kindertagespflegepersonen unterstützen”. Behandelt werden soll er in der Ratsversammlung am 19. Juni.

Er besteht aus zwei Teilen, wobei der zweite Teil eigentlich der Interessantere ist. Der erste Teil lautet: “Die Stadtverwaltung wird beauftragt, gemeinsam mit städtischen Unternehmen, die Realisierung von betriebsnahen Kindertagesstätten voranzubringen. Darüber hinaus sollen private Unternehmen angesprochen werden, um sie auf die Möglichkeit von Betriebseigenen- bzw. Betriebsnahen Kindertagesstätten hinzuweisen. Dabei sollen die Unternehmen auch auf Fördermöglichkeiten des Bundes für die Errichtung von Betriebskindergärten aufmerksam gemacht werden.” Trotzdem ist so ein Betriebskindergarten eine erhebliche Belastung für das Unternehmen. Es muss also schon eine gewisse Größe haben, um den Schritt zu wagen.

In Leipzig gebe es aktuell nur im St. Georg Krankenhaus eine betriebseigene Kindertagesstätte, zählt SPD-Stadtrat Christopher Zenker auf. Zusätzlich gebe es einige betriebsnahe Kindertagesstätten. Hierzu zählen die Caritas Kindertagesstätte “Elifant” auf dem Gelände es St. Elisabeth Krankenhauses, die Plaußiger Johanniter Kindertagesstätte “Strolche”, die von BMW unterstützt wurde, sowie die Fröbel Kindertagesstätte “Einsteinchen”, welche mit dem Studentenwerk kooperiert.

Laut der Elternumfrage 2013 des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sind 88 Prozent der Beschäftigten der Meinung, dass Betriebe eine Mitverantwortung bei der Kinderbetreuung haben, so Zenker. Von 57 Prozent der Befragten werden flexible Betreuungszeiten dabei die größte Bedeutung zugemessen.
Aber was kann man tun, wenn 99 Prozent der Unternehmen in einer Stadt wie Leipzig eher kleine sind, die solche Aufwändungen gar nicht stemmen können – aber gern was tun wollen?

Darauf bezieht sich dann Punkt 2 des Antrags: “Die Stadtverwaltung erarbeitet in Zusammenarbeit mit Trägern der Tagespflege einen Rahmenvertrag für die Einrichtung von betriebseigener bzw. betriebsnaher Tagespflege.”

Hier ist der Schritt nicht so groß. Geeignete Räume für kleine Gruppen lassen sich eher finden als geeignete Grundstücke für eine ganze Kindertagesstätte. Und Tagespflegeeltern, die nach geeigneten Räumen suchen, in denen sie ihre Schützlinge betreuen können, gibt es immer mehr. Man würde also beiden Seiten helfen.

Im Text des SPD-Antrages: “Betriebsnahe Kindertagesstätten bzw. Tagespflege sind auch für Kinder außerhalb des Unternehmens geöffnet und werden generell von einem freien oder kommunalen Träger geführt. Das betriebliche Engagement kann beispielsweise von einer Finanzierung der Ausstattung, dem zur Verfügung stellen eines Grundstücks/bzw. von Räumlichkeiten bis hin zur Beteiligung an den laufenden Betriebskosten reichen.

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In der Tagespflege kann das bedeuten, dass das Unternehmen Räumlichkeiten zur Verfügung stellt oder sich an den Gehaltskosten der Tagespflege beteiligen. Für die Unternehmen bietet eine betriebseigene Betreuung in einer Kindertagesstätte oder bei Tagespflegepersonen insbesondere die Vorteile die Betreuungszeiten an die Arbeitszeiten des Unternehmens bzw. der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anzupassen und die Nähe des Arbeitsplatzes zur Betreuungseinrichtung. Tagespflege könnte sogar in Betriebseigenen Räumen stattfinden.”

Man würde also auch das Problem anpacken können, das bislang viele Tagespflegeeltern haben: Was tun, wenn sie selbst mal ausfallen? Wer übernimmt dann die Kinder? – Bislang hatten dann wieder die Eltern das Problem. Wenn aber mehrere Tagespflegeeltern sich zusammentun, entsteht schon so etwas wie eine kleine Kindertagesstätte. Wenn sie gar noch betriebsnah ist, können selbst die Betreuungszeiten den Arbeitszeiten der Eltern angepasst werden. Es wäre ein Modellprojekt.

“Für die ersten zwei Jahre besteht die Möglichkeit einer Förderung durch den Bund. Auch wenn es in Leipzig bereits betriebseigene bzw. betriebsnahe Kindertagesstätten gibt, ist das Engagement diesbezüglich bisher als gering anzusehen. Während es in anderen Städten bereits erfolgreiche Beispiele von Kooperationen zwischen Tagespflege und Unternehmen gibt, wird dieses Modell, welches gerade für kleinere und mittlere Unternehmen interessant sein könnte, bisher nicht praktiziert. Die Stadtverwaltung ist daher aufgefordert, diese Form der Kooperationen aktiver zu bewerben und durch Musterverträge die notwendigen Rahmenbedingungen für solche Kooperationen zu schaffen.”

Und die SPD sieht auch wieder die Unternehmen in der Pflicht. Es wird zwar jedes Jahr mit viel Bambule ein “Familienfreundlichkeitspreis” verliehen. Aber den bekommen in der Regel wieder nur Unternehmen, die schon vom Bestehenden profitieren. Dabei sind sie selbst als Akteure dringend gefragt.

“Bei Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind auch die Unternehmen gefordert, insbesondere wenn es darum geht, die Betreuungszeiten den Bedarfen des Unternehmens bzw. deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern anzupassen. Dabei sollten städtische Unternehmen ebenso mit gutem Beispiel vorangehen wie der Arbeitgeber Freistaat Sachsen, um dadurch auch andere Unternehmen zu animieren sich im Bereich Kinderbetreuung zu engagieren”, heißt es im SPD-Antrag. “Die Anfragen von kleineren und mittleren Unternehmen für Kooperationen mit Tagespflege liegen bereits vor, die Stadtverwaltung ist hier aufgefordert, die notwendigen Rahmenbedingen zu schaffen, diese auch mit möglichst geringem Aufwand für das Unternehmen zu ermöglichen. Der Ausbau betrieblicher Kindertagesstätten bzw. Tagespflege kann ein Baustein zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf sein. Er bietet für die Unternehmen die Möglichkeit sich als Arbeitgeber von anderen Unternehmen abzuheben und verschafft sich dadurch einen Vorteil bei der Gewinnung von Fachkräften. Viel wichtiger ist jedoch, dass dadurch zusätzliche Betreuungsplätze entstehen können, die den Mangel an Betreuungsplätzen reduzieren können.”

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