So langsam aber sicher setzt sich in den Städten und Gemeinden das Wissen darum durch, dass Familienfreundlichkeit der wichtigste Standortfaktor im internationalen Wettbewerb ist. Im regionalen auch. Aber da es die Metropolregion Mitteldeutschland gern schwarz auf weiß vorzeigen möchte, wenn hartleibige Politiker wieder so tun, als begriffen sie es nicht, hat sie 1.667 Städte, Gemeinde und Landkreise in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen befragen lassen.
Die Ergebnisse der Umfrage wurden am Montag, 8. Oktober, auf der Gewerbeimmobilienmesse EXPO REAL 2012 in München veröffentlicht. Danach schätzen 68 Prozent der Befragten die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für die Unternehmen in ihrer Gebietskörperschaft als “bedeutsam” oder “sehr bedeutsam” ein. In 83 Prozent der Kommunen glauben die Verantwortlichen, dass diese Bedeutung in den nächsten fünf Jahren weiter zunehmen wird.
Dabei sieht sich die Mehrheit der mitteldeutschen Kommunen beim Thema Familienfreundlichkeit sogar gut aufgestellt. Was eigentlich überrascht. Die Wanderungsbewegungen, die in allen drei Bundesländern weiterhin anhalten, unterstützen diese Sichtweise nicht unbedingt. Aber manchmal kommt es wohl auch bei dieser Frage darauf an, wie umfassend vor Ort schon die Vorstellungen davon sind, was zum Markenzeichen echter Familienfreundlichkeit alles dazu gehört. Ein Aspekt ist natürlich die Kinderbetreuung.
So verfügen rund 83 Prozent der Befragten nach eigenen Angaben über ein durchgängiges Betreuungsangebot für unter dreijährige Kinder. Rund 68 Prozent der Städte, Gemeinden und Landkreise bieten erweiterte Öffnungszeiten in ihren Kitas an, um die Vereinbarkeit von Familien und Beruf zu garantieren. Weitere 7 Prozent der Befragten planen dies für die Zukunft. In 56 Prozent der Kommunen und Landkreise steht eine Informationsstelle für Familien zur Verfügung. Rund 12 Prozent der Gebietskörperschaften geben Familien Ermäßigungen beim Eigenheimerwerb.
“Die Schaffung familienfreundlicher Strukturen und Angebote ist ein wirksamer und nachhaltiger Ansatz, um Unternehmen und Fachkräfte für den Standort Mitteldeutschland zu gewinnen sowie den Auswirkungen des demografischen Wandels zu begegnen. Die Zahlen zeigen: Mitteldeutschland ist dabei im bundesweiten Vergleich überdurchschnittlich gut aufgestellt”, erklärt Dr. Albrecht Schröter, Vorsitzender des Gemeinsamen Ausschusses der Metropolregion Mitteldeutschland und Oberbürgermeister Stadt Jena. Zu den Vorzügen der Region gehörten neben der Spitzenquote bei der Kinderbetreuung auch ein breites Angebot an günstigem Wohnraum, zahlreiche familienorientierte Serviceleistungen in den öffentlichen Verwaltungen sowie eine familienfreundliche Personalpolitik in vielen Unternehmen der Region.
Dass das aber nur ein Teil der Aufgabe ist, ist dem OBM von Jena durchaus bewusst.
“Trotz der bislang erreichten Erfolge gibt es aber noch einiges zu tun, etwa bei der unterschiedlichen Wahrnehmung des Themas in den großen Städten und dem ländlichen Raum”, so Dr. Albrecht Schröter weiter. So verfügen laut der Umfrage zwar 75 Prozent der mitteldeutschen Städte mit mehr als 50.000 Einwohnern bereits über ein familienpolitisches Leitbild bzw. Gesamtkonzept oder planen ein solches einzuführen. In dreiviertel der kleinen Kommunen unter 5.000 Einwohner ist dies jedoch bislang nicht der Fall.Um die weitere Entwicklung Mitteldeutschlands zu einer familienfreundlichen Region zu fördern, sei die Metropolregion Mitteldeutschland auf verschiedenen Handlungsfeldern aktiv. Dazu gehörten familiengerechte Kommunikationsstrukturen und die Beteiligung von Familien an politischen Entscheidungsprozessen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bzw. Ausbildung, familienfreundliche Wohnbedingungen sowie attraktive Bildungs-, Freizeit-, Sport- und Kulturangebote.
Dazu wurden im Jahr 2009 die “Leitlinien zur Familienfreundlichkeit in der Metropolregion Mitteldeutschland” verabschiedet. Diese beschreiben die Zielvorstellungen für eine familienfreundliche Region bis zum Jahr 2015 und sollen politischen Entscheidungsträgern, kommunalen Planungsinstanzen, Arbeitgebern, privaten und genossenschaftlichen Wohnungsanbietern sowie Bildungsträgern eine grundlegende Handlungsorientierung geben. Gleichzeitig würden sie die Grundlage für die Vernetzung und die Kommunikation zwischen den zahlreichen Akteuren und Netzwerken zum Thema Familienfreundlichkeit bilden.
Ob dieses Handlungspaket genügt, darf bezweifelt werden. Selbst in Leipzig können die Betroffenen im Alltag miterleben, wie knapp die kommunalen Ressourcen sind, um auch nur einen Teil der Vorhaben abzusichern. Selbst die Akteure schätzen ein, dass die vorhandenen Netzwerke nach wie vor zu löcherig sind. Und man spricht zwar sehr ausgiebig über Kommunikation und Gewährleistung von Betreuungsplätzen. Dass aber komplette funktionierende Infrastrukturen dazugehören, ist in den Leitlinien zumindest skizziert. So weiß man durchaus, dass die medizinische Versorgung in den ländlichen Räumen in naher Zukunft sehr prekär werden wird. Und die Situation in den Schulen schätzte man 2009 sogar noch komfortabel ein. Und statt die miserable Ausstattung der ländlichen Räume mit Schulen klar zu benennen, schwatzte man in den Leitlinien von “Entwicklungsmöglichkeiten”. Man redet sich auch in der Metropolregion so manches schön, was schon längst im Argen liegt und sich permanent weiter verschlechtert.
Forsch dekretierte man sich in Leitlinie 10: “Die Qualität der Bildungsangebote wird aufrechterhalten und gegebenenfalls erhöht. Die Vielfalt der Bildungskonzepte wird sichergestellt.”
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So lange die drei Landesregierungen nicht mitspielen, werden sich die Bedingungen für Familien in der Region immer weiter verschlechtern. Auch auf die Hochschulausbildung (Leitlinie 12) haben die Kommunen keinen Einfluss. Das geht mit den Kultur- und Freizeitangeboten im ländlichen Raum weiter – in Sachsen gerade eines der beliebtesten Sparmodelle.
Wenn die Umfrage etwas zeigt, dann die schlichte Notwendigkeit, tatsächlich etwas zu tun. Nur den Akteuren der Metropolregion sind die Hände gebunden. Und die gern beschworenen Bündnisse sind nur eine kleine Selbsthilfe in einer Landschaft, in der die regierenden Politiker vom “Standortwettbewerb” geradezu berauscht sind.
Nach den Ergebnissen der Umfrage existieren aktuell 66 lokale Bündnisse für Familie und 37 Unternehmensnetzwerke in der Metropolregion Mitteldeutschland in diesem Bereich.
Die “Leitlinien zur Familienfreundlichkeit in der Metropolregion Mitteldeutschland” findet man unter: www.region-mitteldeutschland.com
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