Während Republik und Regierungskoalition im Bund über das Betreuungsgeld streiten, fehlt in deutschen Kindertageseinrichtungen längst das Personal. Auch in Sachsen, wo der hohe Betreuungsschlüssel sowieso schon dafür sorgt, dass weniger Personal zur Betreuung der Knirpse zur Verfügung steht. Auch sächsische Einrichtungen stopfen die Löcher mit Leiharbeiterinnen, wie Sabine Zimmermann jetzt feststellte.
Sie ist sächsische Abgeordnete der linken im Bundestag. Und sie hat im Mai mal bei der Bundesregierung angefragt, ob man da was weiß über den Einsatz von Leiharbeitskräften im Sozialbereich. Weiß man, teilte ihr Staatssekretär Dr. Ralf Brauksipe mit. Und lieferte auch Zahlen für 1009, 2010 und 2011. Die Zahlen zeigten, dass 2011 bundesweit bereits 7.338 Leiharbeitskräfte im Bereich Kindertageseinrichtungen arbeiteten. In Sachsen waren es 280. Davon 144 SozialarbeitInnen/SozialpflegerInnnen, 53 SozialpädagogInnen und HeimleiterInnen und 83 KindergärtnerInnen und KinderpflegerInnen. 2009 und 2010 waren es sogar noch mehr gewesen. Es sind eher die westlichen Bundesländer, die ihren Nachholbedarf in der Kleinkinderbetreuung mit Leiharbeitskräften decken.
Was die Lage in Sachsen nicht entspannt. Sie ist schon durch den hohen Betreuungsschlüssel dauerhaft prekär. Im bundesweiten Vergleich liegt Sachsen beim Betreuungsschlüssel an viertletzter Stelle, wie das Ländermonitoring Bertelsmannstiftung 2011 feststellte. In der Kinderkrippe betreut eine Erzieherin acht, im Kindergarten 13 Kinder – auf dem Papier. In der Praxis ist das Verhältnis deutlich schlechter, laut Angaben des Gesamtelternrates Leipzig ist das tatsächliche Betreuungsverhältnis 1:8 bzw. 1:17.
“Seit Jahren weigern sich das sächsische Sozial- bzw. Kultusministerium, den Betreuungsschlüssel in Hort, Kindergarten und Kinderkrippe herabzusetzen”, kritisiert deshalb der stellvertretende Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses, Rüdiger Ulrich. “Einige Kindertageseinrichtungen sind nun nicht mehr in der Lage, die Betreuung zu gewährleisten und sichern temporäre Engpässe mit Leiharbeit ab.”
Was er als schwarzes Bild an die Wand malt, ist in mancher Einrichtung längst Realität: “Man muss sich das vorstellen: Wenn zu viele Erzieherinnen krank, im Urlaub oder auf Fortbildung sind, muss die Leitung einer Einrichtung handeln, um nicht schließen zu müssen. Sie stellt Leihkräfte ein. Diese haben im besten Fall noch einen pädagogischen Abschluss, kennen aber weder die Kinder, die Eltern noch ihre Kolleginnen und haben im Zweifelsfall keine Bindung zum Konzept der betroffenen Einrichtung. Verlierer sind bei dieser Vorgehensweise alle. Die verbliebenen Erzieherinnen müssen die Leihkraft in die routinierten Abläufe im Kindergartenalltag einweisen, die Kinder haben kaum Zeit, sich an die ‘Neue’ zu gewöhnen.”
“Dieser Zustand ist ein Skandal”, meint Dr. Skadi Jennicke, Stellvertretende Vorsitzende der Fraktion Die Linke und Mutter von drei Kindern. “Einerseits wird viel Kraft, Zeit und Geld in die Ausarbeitung eines Bildungsplans investiert, andererseits fehlt seit Jahren das Personal, um diesen adäquat umzusetzen. Die Fachkräfte arbeiten an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit, werden frustriert, sind öfter krank, was den Zustand nur verschlechtert. Noch sind nur Einzelfälle bekannt.”
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Um einen Überblick über die gesamtstädtische Lage zu erhalten, habe die Fraktion Die Linke eine Anfrage an den Oberbürgermeister eingereicht, die zur Ratsversammlung am 18. Juli beantwortet werden soll, teilt sie mit.
“Eine Gesellschaft, die im pädagogischen Bereich, in dem es im Kern auf Bindung, Kontinuität, Vertrauen und Qualität ankommt, wirft all diese Werte über Bord, um lieber steigende Steuermehreinnahmen in die Absicherung fragwürdiger Finanzgeschäfte, wie bei der Sachsen LB, zu stecken. Dieser Zustand ist nicht länger hinzunehmen. Mit dem Einsatz von Leiharbeit im Bildungsbereich ist ein Damm gebrochen”, sagt Jennicke. “Wir als Fraktion Die Linke fordern die sächsische Kultusministerin Brunhild Kurth auf, umgehend diesen Zustand zu beenden. Die Verweigerung eines abgesenkten Betreuungsschlüssels, der Fehlzeiten der Betreuungskräfte maßvoll einkalkuliert, ist keinen Tag länger hinzunehmen. Es muss endlich gelingen, gemeinsam mit den Wohlfahrtsverbänden und Gewerkschaften die Staatsregierung zum Handeln zu zwingen.
Die Anfrage als PDF zum download.
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