Der Zoff um die Kita-Platz-Vergabe in Leipzig geht weiter. Vom Kreisverband der Leipziger Grünen bekommt Leipzigs Sozialbürgermeister Thomas Fabian nun einen Offenen Brief. Der eigentlich eine Petition ist. Sie haben ihn bei openpetition.de eingestellt und man kann ihn unterzeichnen. Auch wenn - Punkt 3 der Forderungen belegt es - der Leipziger Sozialbürgermeister zumindest beim Geld kurz gehalten wird. Und der Ärger mit der elektronischen Kita-Platz-Vergabe kommt obendrauf.

Den hätte die Stadt Leipzig sich niemals einhandeln müssen. Die Probleme waren von Anfang an bekannt. Schon vorher war die Vergabe der Plätze in den Kindereinrichtungen chaotisch. Im entscheidenden Raum – den bei Familien beliebten innerstädtischen Quartieren – fehlten Einrichtungen und Plätze. Eltern meldeten ihre Kinder parallel in verschiedenen Einrichtungen an. Die Mehrfachanmeldungen blockierten wieder andere Eltern.

Die einzige Chance wäre eine zentrale Verwaltung gewesen, die die Plätze in der Folge der Anmeldung und nach dem angemeldeten Wunsch der Eltern vergeben hätte. Das hätte die für mehrere zehntausend Euro programmierte Website meinkitaplatz-leipzig.de leisten können – hätte die Stadt die Macht, alle Kindereinrichtungen zum Mitmachen zu verdammen. Doch schon beim Start im Dezember 2008 war das nicht gewährleistet. Insbesondere die von Freien Trägern geführten Einrichtungen sahen gar nicht ein, warum sie da mitmachen sollten. Die Anmeldelisten waren voll. Und vielen war auch das Kriterium Wohnortnähe höchst egal. Denn viele der Einrichtungen hatten sich ein besonderes Profil zugelegt, für das interessierte Eltern auch durch ganz Leipzig fuhren, um ihre Kinder dort abzugeben.Doch das Problem verschärfte sich noch. Die Geburtenzahlen stiegen weiter. Für 2011 meldet die Stadt jetzt ganz offiziell 5.490 Neugeborene – wieder ein paar mehr als 2010. Obwohl jedes Jahr neue Kinderbetreuungseinrichtungen eröffnen, entspannt sich die Lage nicht. Und das, obwohl es der Stadt durchaus gelang, für die Kindergartenkinder eine Betreuungsquote von 91 Prozent zu sichern. Im Krippenbereich sind es 45,5 Prozent. Das liegt beides über dem Bundesdurchschnitt.

Doch in den letzten drei Jahren ist noch etwas anderes geschehen: Der Arbeitsmarkt für junge Fachkräfte ist umgestürzt. Wo sie vorher jahrelang in prekären Verhältnissen auf einen echten Einstieg in den Arbeitsmarkt warten mussten, sind im Jahre 2012 die Unternehmen der Region händeringend auf Suche nach qualifizierten Arbeitskräften. Immer mehr haben für sich familienfreundlichere Arbeitsverhältnisse geschaffen. Sie nehmen jetzt auch die jungen Väter und Mütter mit Kusshand. Oft gibt’s schon auf die erste Bewerbung die Zusage. Und dann …

Dann haben die jungen Familien ein Problem.

Dann fängt die Jagd nach einem Betreuungsplatz für die Kleinen an. Und das Vergabesystem führt – obwohl das Jugendamt mittlerweile die zentrale Vermittlung übernommen hat – bei Betroffenen zu Frustrationen.
“Wir machen Sozialbürgermeister Fabian mit einem Offenen Brief darauf aufmerksam, wie chaotisch die Zustände in Leipzig sind”, erklärt Christin Melcher, Vorstandsmitglied bei Bündnis 90/Die Grünen, zu dem Offenen Brief, den die Grünen formuliert haben.

Die Situation sei haarsträubend, meint sie, nicht nur dass es zu wenig KiTa-Plätze gebe und sich die Stadt vehement dagegen wehre, eine tatsächliche Bedarfsanalyse vorzunehmen. Vor allem die Vergabemodalitäten seien undurchsichtig. “Viele Eltern stehen auf unzähligen Wartelisten, das KiTa-Platz-Portal zeigt Plätze an, die es real gar nicht gibt. Eltern sind gezwungen, permanent in den KiTas anzurufen, auch KiTa-LeiterInnen sind überfordert. Es herrscht Chaos. Die Eltern wissen nicht, wie sie an einen Betreuungsplatz kommen sollen, das spricht auch für eine desolate Informationspolitik der Stadt”, meint Melcher.

Im Offenen Brief weisen die Grünen freilich auch darauf hin, dass der Freistaat Sachsen sich seit Jahren bei der nötigen Finanzierung zurückhält. “Um den tatsächlichen Bedarf an Kita- und Krippenplätzen zu realisieren, ist es unumgänglich, dass die Kita-Platz-Pauschale des Landes erhöht wird. Es muss endlich ein deutliches Zeichen gesetzt werden beim Ausbau der KiTa-Plätze, dies kann nur mit ausreichend finanziellen Mitteln realisiert werden. Daher fordern wir die Stadtverwaltung auf, sich auf Landesebene für eine Erhöhung der Kita-Platz-Pauschale einzusetzen”, heißt es da.Ähnlich und noch deutlicher äußerte sich am 13. Juni der Linke-Stadtrat Rüdiger Ulrich nach der “Sockenparade” Leipziger Eltern vor dem Neuen Rathaus. “Seit nunmehr sieben Jahren stagniert der Landeszuschuss zu den Betriebskosten bei 1.800,- Euro pro Kind und Jahr. Das bedeutet, dass die jährlich steigenden Personal- und Sachkosten durch die Eltern, die Freien Träger von Kitas und die Stadt zu tragen sind. So wurden in diesem Jahr die Elternbeiträge zum wiederholten Mal erhöht. Der Eigenanteil der Freien Träger an den Betriebskosten wurde ebenfalls angehoben. Der Zuschuss der Stadt stieg seit 2005 um nahezu das Doppelte auf ca. 106 Millionen Euro. Das sind Millionenbeiträge, die damit nicht in den dringend notwendigen Ausbau der Kita-Infrastruktur gesteckt werden können. Damit besteht die große Gefahr, dass der Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz, welcher ab 1. August 2013 gilt, nicht gewährleistet wird. Der Stadt droht eine Klagewelle”, sagte er.

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Machte damit aber auch deutlich, wie die Sparpolitik des Landes sich als tiefer Griff in den Haushalt der Stadt Leipzig erweist. Und nicht nur bei diesem Posten entzieht der Freistaat seinen Kommunen das dringend benötigte Geld. Ulrich: “Erneut fordern wir den Freistaat Sachsen auf, die Bundesmittel, die den Kommunen zum Ausbau des Krippenbereiches bereitgestellt wurden, in Gänze weiterzureichen. Zirka 7,5 Millionen Euro gehen der Stadt Leipzig bis 2013 verloren. Auch diese Mittel wären dringend notwendig, um die Platzkapazitäten entsprechend des steigenden Bedarfs in der Stadt Leipzig anzuheben.”

Also wird auch weiter demonstriert.

Bündnis 90/Die Grünen wollen gemeinsam mit anderen Elterninitiativen eine Kundgebung am 5. Juli um 16 Uhr auf dem Burgplatz nutzen, um mit den Eltern ins Gespräch zu kommen und über den Sommer hinweg gemeinsam mit Fachleuten einen detaillierten Forderungskatalog zu erarbeiten.

“Es ist tragisch, dass Eltern bei einer so wichtigen Entscheidung wie der Betreuung ihrer Kinder keine Wahl haben und froh sein müssen, überhaupt einen Platz zu bekommen”, sagt Jürgen Kasek, Vorstandssprecher Bündnis 90/Die Grünen. “Viele müssen dazu lange Wege in Kauf nehmen.”

Den Offenen Brief findet man hier: www.gruene-leipzig.de

Oder auch gleich hier: www.openpetition.de

Das ratlose Kita-Platz-Portal der Stadt: www.meinkitaplatz-leipzig.de

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