Sachsens demokratische Landtagsopposition hat Ende März 2012 eine Verfassungsklage gegen die Kürzungen bei den Freien Schulen eingereicht. Die kritisierten Einschnitte treffen auch Berufsfachschulen, beispielsweise in der Altenpflege- und Erzieherausbildung. Ein Besuch in der AWO Akademie Mitteldeutschland in Leipzig.

Altenpflege hat mit demografischen Entwicklungen zu tun. Die frühkindliche Bildung aber auch. Weil es immer mehr ältere und pflegebedürftige Menschen gibt, braucht es mehr Pflegefachkräfte.

Zugleich steigen die Geburtenzahlen in Sachsen wieder, insbesondere in den beiden Halbmillionenstädten Dresden und Leipzig. Deshalb übersteigt die Nachfrage an Kinderbetreuungsangeboten das aktuelle Angebot. Ein Angebot, das nach den immer gern verkündeten politischen Prämissen und wegen der gesetzlichen Garantie eines Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz eigentlich für alle reichen müsste.

Die Realität ist bekanntermaßen eine andere. Zusätzlicher Fachkräftebedarf besteht also auch hier.

Doch da kommt die Demografie schon wieder ins Spiel, nur jetzt von einer anderen Seite. “Die Zahl der Jugendlichen im ausbildungsfähigen Alter ist recht knapp”, beschreiben die Mitarbeiter der AWO Akademie Mitteldeutschland die Situation. Die ist natürlich für Schulabgänger positiv. Denn so steht jedem Schulabgänger der Weg in die berufliche Erstausbildung grundsätzlich offen.

“Altenpflege steht auf dem Wunschzettel der Jugendlichen nicht ganz oben”, bestätigt auch der Geschäftsführer der SPI Soziale Stadt und Land Entwicklungsgesellschaft mbH Michael Scherschel. “Dabei ist eine Tätigkeit in der Altenpflege konjunkturunabhängig – eben wegen der vorgezeichneten demografischen Entwicklung.” Die SPI GmbH ist Träger der AWO Akademie Mitteldeutschland und auf vielerlei Weise in Maßnahmen und Projekten der sozialen, pädagogischen und integrativen Arbeit generationsübergreifend tätig.

Die Berufsfachschule für Altenpflege der AWO Akademie Mitteldeutschland ist mit ihren Angeboten auf Berufsmessen präsent, hält den Kontakt zur Arbeitsverwaltung und beteiligt sich am Projekt “care4future – SchülerInnen für die Pflege begeistern!”. Hier können Schüler der siebten bis neunten Klasse im Rahmen der Berufsorientierung sozialpflegerische Berufe kennen lernen. Und das fast noch unter Gleichaltrigen: Denn als Ansprechpartner stehen Berufsfachschüler des zweiten und dritten Ausbildungsjahres zur Verfügung.Gegenwärtig befinden sich an der AWO Akademie in der Gerhard-Ellrodt-Straße in Großzschocher 93 junge Menschen in der Ausbildung zum Altenpfleger. Weitere 58 absolvieren die Ausbildung zum Erzieher. In Weiterbildungsmaßnahmen werden jährlich etwa 750 Teilnehmer erreicht. Die Ausbildung realisiert die Akademie gemeinsam mit Praxispartnern: 47 sind es in der Altenpflegeausbildung, 48 in der Fachrichtung Sozialpädagogik bei den Erziehern.

Nun steht AWO für Arbeiterwohlfahrt. Und die ist als anerkannter Träger der freien Wohlfahrtspflege selbst Trägerin vieler Einrichtungen der Kinderbetreuung, der Altenpflege und der Behindertenhilfe. So werden in der Ausbildung die Grundwerte der Arbeiterwohlfahrt vermittelt. Doch die Ausbildung erfolgt nicht trägergebunden, sondern ist offen für alle Träger der Freien Wohlfahrtspflege sowie für die Zusammenarbeit mit privaten und öffentlichen Unternehmen.

Wer als freier Träger eine Bildungseinrichtung betreibt, für den gelten neben den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen zu den Ausbildungsgängen die Regelungen zur Anerkennung und Finanzierung freier Schulen. Diese sind in Sachsen mit Inkrafttreten des Doppelhaushaltes 2011/2012 verschärft worden. Ob diese Einschnitte mit den Bestimmungen der sächsischen Verfassung zur Schulvielfalt und dem sozial nicht beschränkten Zugang zu den freien Schulen vereinbar sind, lassen Linke, Sozialdemokraten und Grüne gerade vor dem Sächsischen Verfassungsgericht prüfen.

Welche Auswirkungen das nun im zweiten Jahr geltende Recht hat, können die Hüter der sächsischen Verfassung auch in der AWO Akademie in Großzschocher herausfinden. Staatlich anerkannte Ersatzschulen sind zum Erheben von Schulgeld verpflichtet. In der Vollzeitausbildung zur Altenpflegerin beträgt es an der AWO Akademie derzeit 60 Euro monatlich.

Wer diese Summe aus sozialen Gründen nicht aufbringen kann, darf von Gesetzes wegen nicht abgewiesen werden. Das hatte man bei der AWO ohnehin nicht vor. Doch seitdem in solchen Fällen der vorher übliche so genannte Schulgeldersatz aus Steuermitteln entfallen ist, stellt sich die Finanzierung des Ausbildungsbetriebs eben schwieriger dar.

Auch hat der Landesgesetzgeber die Genehmigungsphase bei der Gründung freier Schulen von drei auf vier Jahre verlängert. In dieser Zeit muss der Schulbetrieb vollständig aus Eigenmitteln finanziert werden, erst danach gibt es Landesförderung. Zudem werden in dieser Aufbauphase die Abschlüsse in einer so genannten Schulfremdenprüfung erworben. Die wird von Lehrkräften staatlicher Berufsschulen abgenommen und ist deutlich umfangreicher als das Prüfungsgeschehen an der staatlich anerkannten Schule in freier Trägerschaft.Mit ihren Angeboten erreicht die AWO Akademie Mitteldeutschland Schüler aus allen drei mitteldeutschen Bundesländern. Zwar besteht seit 2003 ein bundeseinheitliches Altenpflegeausbildungsgesetz. Doch die Ausführungsbestimmungen sind Ländersache. Auch in Mitteldeutschland, wo die Landesregierungen so gern gemeinsame Initiativen starten, gibt es klare Unterschiede.

Doch dankenswerterweise verzichtet der Freistaat Sachsen auf eine so genannte Landeskinderregelung. Somit erreicht die Landesförderung der Ausbildung alle Schüler, nicht nur die, die in Sachsen leben.

Darüber hinaus sind sich die Lehrkräfte der Bildungseinrichtung des Spannungsverhältnisses zwischen den Erfordernissen einer humanen Pflege auf dem aktuellen medizinischen Stand und dem engen finanziellen und zeitlichen Korsett im Berufsalltag bewusst. Gerade in der Weiterbildung würden den Lehrkräften Teilnehmer gegenüber sitzen, “die wir mit dem neuesten Fachwissen versorgen, die sich aber in den Zwängen bewegen, die ihnen der Kostenrahmen vorgibt”, erzählt die Leiterin des Bereichs Weiterbildung, Dr. Gisela Neumann.

Deshalb besteht der Lehrauftrag in der Altenpflegeausbildung laut Neumann einerseits darin, die Schüler “auf die Realität des Pflegealltags im täglichen Praxiseinsatz” vorzubereiten. Zugleich gelte es, “die junge Menschen mit dem Selbstbewusstsein auszustatten, sich für ihr Berufsbild stark zu machen.”

www.awoakademie.de

www.spi-ost.de

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar