Weil die Waffe gesichert war und sich zweimal kein Schuss löste, soll ein heimtückischer Mordanschlag auf der Eisenbahnstraße verhindert worden sein: Von diesem Szenario geht jedenfalls die Leipziger Staatsanwaltschaft aus, die einen 60-Jährigen unter anderem wegen versuchten Mordes auf die Anklagebank gebracht hat. Montag wurde der Prozess am Landgericht Leipzig eröffnet.
Kurz nach 08:30 Uhr führten Justizbeamte den Angeklagten am Montagmorgen in den Gerichtssaal des Landgerichts. Fikret A. schaute müde ins Leere, bewegte sich unabhängig davon, dass er Fußfesseln tragen musste, eher langsam und schwerfällig, eben nicht wie ein Ausbund an Sportlichkeit.
Staatsanwalt: Er handelte mit Tötungsabsicht
Laut Anklage soll der 60-Jährige am frühen Morgen des 4. Juli 2024, etwa 05:15 Uhr, einem damals 36-Jährigen im Bereich der Eisenbahnstraße 102–104 eine Schusswaffe vorgehalten haben: „Er betätigte den Abzug, um den Geschädigten zu töten“, sagte Staatsanwalt Torsten Naumann. Allerdings sei die Pistole der Marke „Taurus“ noch gesichert gewesen, auch nach einem zweiten Anlauf habe sich nach dem Drücken des Abzugs kein Schuss gelöst.
Das Opfer des mutmaßlichen Anschlagsversuchs blieb unverletzt, während sich der Verdächtige in ein Mehrfamilienhaus zurückzog. Dort wurde Fikret A., damals 59, etwa drei Stunden nach dem Vorfall durch Kräfte eines Spezialeinsatzkommandos (SEK) festgenommen. Der Angeklagte, der sich über die potenziell tödliche Wirkung einer Schussabgabe im Klaren gewesen sei, habe die Pistole in der Zwischenzeit entsorgt, da er auch über keine Lizenz verfügte, heißt es.
Entsprechend geht die Anklagebehörde von einem heimtückischen Mordversuch Fikret A.s aus: Zwar soll sich der in der Türkei geborene Mann seinem Zielobjekt nicht von hinten genähert haben. Jedoch sei der Angreifer auf den Geschädigten zugelaufen, wobei zwischen dem Zücken der scharfen Waffe und dem Abdrücken so wenig Zeit vergangen sei, dass der 36-jährige Tunesier möglicherweise arg- und wehrlos war.
Zusammenhang zu Auseinandersetzung wenige Tage zuvor?
Doch was war, die Täterschaft des Angeklagten vorausgesetzt, dessen Motiv? Offenbar wird ein möglicher Zusammenhang der jetzt angeklagten Tat mit einer Auseinandersetzung auf der Eisenbahnstraße wenige Tage zuvor in Betracht gezogen: In der Nacht auf den 29. Juni 2024 waren dort offenbar mindestens zwei Personen brutal aneinandergeraten. Hernach wurde ein 48-Jähriger schwer verletzt, der mutmaßliche Täter (41) stellte sich kurz darauf der Polizei.

Fikret A. soll bei dieser gewaltsamen Konfrontation nicht direkt beteiligt gewesen sein, aber anschließend trotzdem eine Gefährdungslage verspürt haben, so heißt es. Ob sich das so bewahrheitet, muss der weitere Prozessverlauf zeigen.
Der Angeklagte selbst, der nach eigenen Angaben zuletzt als Fahrer und auf Baustellen tätig war, verteidigt sich vorerst schweigend: „Mein Mandant wird derzeit keine Angaben machen“, erklärte sein Verteidiger Curt-Matthias Engel am Montag.
Der Anwalt regte auch an, sich die Ermittlungsakten zur möglichen Vorgeschichte des Anklagevorwurfs genau anzusehen. Zudem habe Fikret A., der vor seiner Untersuchungshaft noch nie im Gefängnis war, in der JVA körperliche Schäden davongetragen, monierte der Verteidiger. Für den Prozess wegen versuchten Mordes und illegalen Waffenbesitzes sind vor der 16. Strafkammer weitere Termine bis 20. Mai geplant.
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