Vor den Augen von Polizei, Zeugen und Kameras stach er unvermittelt mit Klappmesser auf einen jungen Bargast ein: Fast zehn Monate nach dieser Tat in der Georg-Schumann-Straรe verurteilte das Landgericht einen 53-Jรคhrigen am Dienstag zu fรผnf Jahren Freiheitsentzug. Die zustรคndige Strafkammer hielt einen heimtรผckischen Mordversuch fรผr erwiesen, das genaue Tatmotiv des Angeklagten aber bleibt nach wie vor unklar.
Arif A. ist schuldig des versuchten Mordes in Tateinheit mit gefรคhrlicher Kรถrperverletzung, kommt fรผnf Jahre hinter Gitter: Dieses Urteil verkรผndete die 16. Strafkammer des Landgerichts Leipzig am Dienstag. Fรผr sie stand fest, dass der 53-jรคhrige Mazedonier im Nachgang einer Auseinandersetzung in zwei benachbarten Bars auf der Georg-Schumann-Straรe auf einen damals 26-Jรคhrigen mit einem Taschenmesser einstach.
Polizistinnen konnten Angriff nicht verhindern
Zweifel am Ablauf der Tat, die am frรผhen Morgen des 25. Mai 2024 stattfand, gab es ohnehin keine, weil sich das Geschehen wรคhrend des im Januar gestarteten Prozesses durch zahlreiche Beobachter und Aufzeichnungen von Kameras rekonstruieren lieร. Auch die Polizei war bereits vor Ort. Die Gesetzeshรผter waren wegen eines Streits in einem der Lokale alarmiert worden, der sich dann an jenem Samstagmorgen auf den Bereich des Gehsteigs unweit der Kreuzung zur Georg-Schumann-Straรe verlagerte.
Hier kam auch der Angeklagte Arif A. ins Spiel, der in den Lokalen als Respektsperson gilt und die Polizeibeamten beschwichtigte, dass alles in Ordnung sei. Gleichwohl schaukelte sich die Situation dann zu einer aggressiven Stimmung hoch, die erst durch weitere Polizeikrรคfte kurz beruhigt werden konnte. Doch nur wenig spรคter versetzte der Angeklagte seinem heute 27-jรคhrigen Opfer zunรคchst einen Faustschlag.
Hernach gelang es Arif A., in eines der Lokale zu stรผrmen, wo er auf sein Opfer einstach. Zwei Polizeibeamtinnen hatten den Angriff zuvor nicht verhindern kรถnnen, da der Angeklagte an ihnen vorbeirannte und sich von ihnen losriss, wie eine Polizeiobermeisterin (27) wรคhrend des Prozesses im Zeugenstand einrรคumen musste. Das telefonierende Opfer wurde durch die Attacke von hinten an der Darmauรenwand verletzt und brach sich eine Rippe, musste notoperiert und mehrere Tage stationรคr behandelt werden.
Tatmotiv bleibt im Dunkeln
Fรผr das Gericht stand auรer Frage, dass der Geschรคdigte arg- und wehrlos war, mit keinem Angriff rechnete, sodass vom Mordmerkmal der Heimtรผcke auszugehen sei. Arif A. habe sich in einem โerheblichen Erregungszustandโ befunden und das Versterben seines Opfers billigend in Kauf genommen, sagte die Vorsitzende Richterin Antje Schiller. Ob ein angeblich respektloser Kommentar, eine Beleidigung oder รคhnliches den Ausschlag fรผr die brutale Tat gaben, konnte auch die Gerichtsverhandlung nicht aufklรคren.
Zumindest sprachen aus Sicht der Kammer einige Punkte fรผr Arif A.: Er war gestรคndig, zeigte Reue, entschuldigte sich beim Opfer und bemรผhte sich um einen finanziellen Ausgleich. Dazu galt der 53-Jรคhrige wegen seines Alkohol- und Kokainrausches nur als vermindert steuerungsfรคhig. Das Gericht blieb mit fรผnf Jahren Haft unterhalb der von Staatsanwรคltin Vanessa Fink geforderten sechseinhalb Jahre. Verteidiger Prof. Endrik Wilhelm hatte auf gefรคhrliche Kรถrperverletzung und Bewรคhrung plรคdiert.
Richterin: Respekt an eingreifende Zeugen
Dass Arif A. quasi vor den Augen der Polizei einen Mordversuch verwirklichte, hatte auch in der Hauptverhandlung fรผr unangenehme Fragen gesorgt. Die Tat begangen habe jedoch allein der Angeklagte, stellte die Kammervorsitzende mit Blick auf Arif A. klar, vielleicht mit dem Ziel, Respekt einzufordern.
Aber: โRespekt haben Sie sich mit dieser Tat nicht verdient, sondern die, die beherzt in das Tatgeschehen eingegriffen haben.โ Mehrere umstehende Personen hatten den Aggressor wohl festgehalten und so womรถglich auch ein Nachsetzen mit dem Taschenmesser verhindert. Die deutliche Mahnung von der Richterbank: โDiese Tat sollte nicht nur ihr erstes, sondern auch ihr letztes Gewaltdelikt gewesen sein.โ Arif A. ist vorbestraft, fiel aber bisher nicht mit einschlรคgigen Taten auf.
Gegen das Urteil kann Revision eingelegt werden.
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