„Boycott, Divestment and Sanctions“, kurz BDS: Die Bewegung ruft gemäß einem Bundestagsbeschluss von 2019 zum Boykott gegen Israel sowie von dort stammende Funktionsträger, Waren und Dienstleistungen auf. Daher sollten dem als antisemitisch eingestuften Zusammenschluss Räume und Förderung versagt bleiben. Drei Personen klagten dagegen – und scheiterten am Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), das sich heute für nicht zuständig erklärte.
Ein sogenannter „schlichter Parlamentsbeschluss“ kann gerichtlich generell nicht auf dem verwaltungsrechtlichen Weg überprüft werden: Diese Entscheidung fällte heute der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) in Leipzig. Vielmehr liege die Zuständigkeit in derlei Fällen beim Bundesverfassungsgericht oder – bei Beschlüssen der Landesparlamente – bei den Verfassungsgerichten der Bundesländer.
Antrag aus 2019 sieht Boykottaufrufe und Antisemitismus
Der Hintergrund des Richterspruchs war, zumal in der jetzigen Situation in Nahost seit dem Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober 2023, brisant: Am 17. Mai 2019 hatte der Deutsche Bundestag einen Beschluss mit dem Titel „Der BDS-Bewegung entschlossen entgegentreten – Antisemitismus bekämpfen“ gefasst (Drucksache 19/10191).
Die BDS-Bewegung rufe seit Jahren zum Boykott gegen Israel, israelische Waren, Dienstleistungen, Künstler, Wissenschaftler und Sportler auf. Hierbei bediene sich die Bewegung antisemitischer Mittel: „Die Aufrufe der Kampagne zum Boykott israelischer Künstlerinnen und Künstler sowie Aufkleber auf israelischen Handelsgütern, die vom Kauf abhalten sollen, erinnern zudem an die schrecklichste Phase der deutschen Geschichte. ‚Don’t Buy‘-Aufkleber der BDS-Bewegung auf israelischen Produkten wecken unweigerlich Assoziationen zu der NS-Parole ‚Kauft nicht bei Juden!‘ und entsprechenden Schmierereien an Fassaden und Schaufenstern“, heißt es im gemeinsamen Antrag der Fraktionen von Union, FDP, SPD und Grünen aus 2019.
Daher werde der Bundestag Räume und Einrichtungen unter seiner Verwaltung derlei Gruppen nicht zur bereitstellen. Auch sollten Organisationen und Projekte, die das Existenzrecht Israels infrage stellten, zum Boykott Israels aufriefen oder die BDS-Bewegung unterstützten, nicht mit finanzieller Förderung rechnen dürfen. Länder, Städte und Gemeinden seien aufgerufen, hier mitzuziehen.
Bundesrichter in Leipzig sehen sich nicht zuständig
Die drei Kläger, welche die BDS-Bewegung unterstützen, waren 2021 vor dem Berliner Verwaltungsgericht gescheitert. Dieses hatte die Klage als teils unzulässig und im Übrigen unbegründet zurückgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg lehnte 2023 die Berufung ab und erklärte, dass es sich um eine verfassungsrechtliche Angelegenheit handele, für die man mithin nicht zuständig sei.
Dieser Auffassung schloss sich am Mittwoch auch das BVerwG an. In der Anhörung am Vormittag ging es zunächst um die Abgrenzung von Verwaltungs- und Verfassungsrecht. Obgleich sich dies nicht immer ganz einfach trennen ließe, sei der Beschluss des Bundestags doch ein „schlichter Parlamentsbeschluss ohne imperativen Charakter“, sagte der Senatsvorsitzende Ingo Kraft. „Wir haben hier den Ort, wo sich die politischen Auseinandersetzungen der Gesellschaft spiegeln.“
Kläger wollen weitere Gerichte einschalten
Vonseiten der Kläger wurde auf deren Benachteiligung und die Rolle eines Parlamentsbeschlusses hingewiesen: „Die Vorbildfunktion des Bundestags in dieser Hinsicht kann kaum in Worte gefasst werden“, so Rechtsanwalt Ahmed Abed. Die Betroffenen seien massivem Schaden durch den Antisemitismusvorwurf ausgesetzt, zudem würden etwa Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit angegriffen. Von der Zielrichtung des Beschlusses her sei von einer Verbindlichkeit auszugehen.
Die Klägerseite, die schon vorab mit einer Niederlage am BVerwG gerechnet hatte, erhob in einer Mitteilung schwere Vorwürfe gegen Israel und die Bundesrepublik, die sich durch ihre Staatsräson zum Komplizen mache. Jetzt wollen die Klagenden das Bundesverfassungsgericht und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einschalten: „Mit unserer Klage gehen wir zum Gegenangriff über! Es geht um offene Diskurse, Gerechtigkeit und Solidarität. Das geht uns alle an“, heißt es.
BVerwG 6 C 6.23, Urteil vom 26. März 2025
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