Heftige Vorwürfe gegen einen 35-jährigen Leipziger, dem seit Donnerstag der Prozess am Landgericht gemacht wird: In Lößnig soll der Mann einer Bekannten vor deren Wohnhaus aufgelauert und sie mit einem Cuttermesser schwer verletzt haben, weil sie ihm Geld schuldete. Die Anklage geht von einem Mordversuch aus. Ausführlich schilderte der Verdächtige Alexander F. zum Prozessbeginn seine Sicht der Dinge.
Der Mann, dem die Staatsanwaltschaft einen versuchten Mord zur Last legt, macht einen offenen und redegewandten Eindruck. Als die zwei Pressefotografen im Saal des Landgerichts ihre Aufnahmen einstellen, zieht er seine Kapuze herunter und hört zunächst schweigend der Anklageschrift zu. Die hat es in sich: Am Abend des 17. Juli 2024 soll der strafrechtlich bisher unauffällige Alexander F. seiner Bekanntschaft Ellen S. (Name geändert) etwa 21:00 Uhr vor deren Wohnhaus in der Lößniger Georg-Maurer-Straße aufgelauert und von ihr Geld gefordert haben.
Anklage schildert gravierende Verletzungen
Dann hätten sich ein Wortgefecht und eine körperliche Auseinandersetzung entwickelt, in deren Verlauf Alexander F. mindestens zehnmal mit der vier Zentimeter langen Klinge eines Cuttermessers auf die damals 35-jährige Ellen S. eingestochen haben soll, ins Gesicht, den Hals, den Oberkörper und den linken Arm. Erst als das Opfer sich lautstark wehrte und Nachbarn aufmerksam wurden, habe der Angeklagte von der Frau abgelassen, sei davongeradelt, die schwer verletzte Ellen S. zurücklassend.
Diese musste acht Tage stationär behandelt werden, wird für immer durch sichtbare Narben im Gesicht entstellt sein, so Staatsanwalt Christopher Jusciak. Dem Angeklagten wirft er unter anderem einen Mordversuch vor, da er wegen vermeintlicher Schulden aus einem niedrigen Beweggrund gehandelt habe. Zudem sei Ellen S. zum Zeitpunkt des Angriffs arglos gewesen, weswegen von Heimtücke auszugehen sei. Den Tod des Opfers habe der Angreifer zumindest billigend in Kauf genommen.
Wechselhafte Beziehung und viel Zoff
Ausführlich schildert Alexander F. die Vorgeschichte, die eine, wenn man seiner Version folgt, seltsame und teils toxische Beziehung offenbart. Kennengelernt habe er Ellen S. im November 2023, erzählt der Maler und Lackierer. Danach habe man sich immer mal getroffen. Ellen S. habe mehr vom Angeklagten gewollt, er aber wies sexuelle Avancen in Form einer „Freundschaft plus“ zurück, sagt er: „Ich wollte nur eine Freundschaft, mit größeren Abständen.“
Seine Empfindungen für Ellen S. fasst er so zusammen: „Ich habe sie definitiv gemocht. Es war schon sehr schön, sich mit ihr zu unterhalten.“ Zugleich sei sie schwierig gewesen, mal liebevoll und fürsorglich, dann wieder aggressiv, habe Cannabis, Pilze und Alkohol konsumiert. Die Mittdreißigerin sei „kein Mensch, den ich jemandem vorstellen würde, den ich kenne.“
Trotzdem habe er Zeit mit der Lößnigerin verbracht, mit ihr geraucht und Musik gehört, sie unterstützt, für sie eingekauft, ihr Geschenke gemacht und größere Geldsummen bei ihr in der Wohnung gelassen. Die seien auch zu einem Streitpunkt geworden – neben anderen Themen. So soll Ellen S., die laut Angeklagtem in einem Online-Forum übel beschimpft wurde, dort aber auch vulgär gegen andere austeilte, sogar ungefragt seine Privatanschrift veröffentlicht haben, schildert Alexander F. dem Schwurgericht.
Angeklagter spricht von „Kontrollverlust“ und bestreitet Tötungsvorsatz
In dieser Gemengelage habe er Ellen S. am Tatabend wegen ihres Verhaltens zur Rede stellen wollen, nachdem man sich am 12. März 2024 zum letzten Mal persönlich begegnet war. Geschenke im Wert von etwa 90 Euro hätten nur eine Nebenrolle gespielt: „Soweit es ging, habe ich sie unterstützt. Da wollte ich einfach nur Klarheit“, sagt der 35-Jährige.
Er spricht von einem „Kontrollverlust“, als er sie daran habe hindern wollen, das Mehrfamilienhaus zu betreten. Letztlich habe sich das Gerangel auf den Gehsteig verlagert, Ellen S. habe ihn dreimal in den Genitalbereich getreten. Auch sonst überstand er selbst die Auseinandersetzung nach Kenntnissen der Ermittler nicht unversehrt, entfernte sich schließlich mit einer Armverletzung, um sich im Krankenhaus ärztliche Hilfe zu holen. Wenig später klickten die Handschellen.
Nach Angaben seines Verteidigers Curt-Matthias Engel habe Alexander F. nie einen Tötungsvorsatz gegenüber seiner Bekannten gehabt, die im Prozess Nebenklägerin ist. Auch habe sich sein Mandant im Rahmen der Möglichkeiten schon um eine finanzielle Wiedergutmachung bemüht, erklärt der Rechtsanwalt. Bis zu einem Urteil sind im Verfahren noch Termine bis Ende März geplant.
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