Von diesem Richterspruch könnte eine Signalwirkung ausgehen: Das Oberlandesgericht (OLG) Dresden hat gestern die Freisprüche für fünf „Klimakleber“ der „Letzten Generation“ einkassiert. Im Sommer 2023 mussten sich die Betroffenen wegen einer Straßenblockade ein Jahr zuvor am Leipziger Amtsgericht wegen Nötigung verantworten. Dieses befand jedoch, es sein kein verwerfliches Handeln gegeben.
Ein Prozess gegen fünf sogenannte Klimakleber der „Letzten Generation“ in Leipzig, der mit Freisprüchen endete, muss am dortigen Amtsgericht neu aufgerollt werden: Der 6. Strafsenat des OLG in Dresden kippte gestern nach einer Revision der Staatsanwaltschaft das ergangene Urteil vom 4. Juli 2023, da er rechtliche Unklarheiten bei der Abwägung monierte. Jetzt wird das Verfahren zur neuen Verhandlung vor dem Amtsgericht Leipzig an einen anderen Richter oder eine andere Richterin zurückverwiesen.
Amtsgericht Leipzig sah kein verwerfliches Handeln
Am 4. Juli 2023 hatte das Amtsgericht Leipzig fünf Personen aus den Reihen der „Letzten Generation“ vom Nötigungsvorwurf freigesprochen. Verhandlungsgegenstand war eine Blockadeaktion auf dem Leipziger Cityring vom Juni 2022. Damals besetzten die Angeklagten Pia O. (27), Kevin H. (31), Leon M. (26), Elena T. (24) und Maike G. (22) beide Fahrbahnen in der morgendlichen Rushhour, um nach eigenen Angaben auf die Dringlichkeit von Klimaschutz und den „fossilen Wahnsinn“ hinzuweisen.
![Angeklagte der „Letzten Generation“ vor Gericht. Foto: Lucas Böhme](https://www.l-iz.de/wp-content/uploads/2025/01/Angeklagte-der-Letzten-Generation-vor-Gericht-1320x880-1.jpg)
Zwei der Beteiligten hatten sich auf der Fahrbahn festgeklebt, der Verkehr wurde vorübergehend zum Erliegen gebracht. Er floss auf einer Seite bereits nach wenigen Minuten wieder, rund eine Stunde später komplett. Eine größere Störung blieb wohl auch wegen des schnellen Eingreifens der Polizei aus.
Den Freispruch hatte die Amtsrichterin vor allem auf eine Abwägung zwischen der Versammlungsfreiheit und der Fortbewegungsfreiheit der Autofahrer gestützt. Im konkreten Fall sei aufgrund diverser Umstände kein verwerfliches Handeln gegeben.
Sie wolle dies aber weder als eine Grundsatzentscheidung verstanden wissen noch dürfe die persönliche Meinung von Juristen beim Urteil eine Rolle spielen, sagte die Richterin am Ende der zweitägigen Verhandlung. Es war die erste gegen Mitglieder der „Letzten Generation“ in Leipzig.
„Letzte Generation“ hat das Kapitel des Festklebens für beendet erklärt
Der Dresdener Senat unter dem Vorsitzenden Hans Schlüter-Staats argumentierte gestern unter anderem, dass die von den Aktivisten der „Letzten Generation“ geltend gemachte Versammlungsfreiheit an Grenzen stoße, wenn andere Gesetze bzw. Grundrechte Dritter eingeschränkt würden. Hier müsse eine noch genauere Abwägung her. Zudem habe das gekippte Urteil die Bedeutung des Festklebens auf dem Fahrstreifen nicht hinreichend gewürdigt.
Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft hatte im Leipziger Prozess von 2023 Geldstrafen für die weitgehend geständigen Angeklagten gefordert, die ihr Handeln mit Sorge aufgrund der Klimakrise und dem fehlenden Gegensteuern der Politik begründeten. Die Verteidigung wollte Freisprüche.
Ob es nun doch zu einer Verurteilung kommen wird oder der Freispruch Bestand hat, ist mit der gestrigen Entscheidung offen. Die „Letzte Generation“ war unter anderem auch in Leipzig seit 2022 mit einer Vielzahl von Klebeaktionen im Straßenverkehr aufgefallen, die polarisierten und laut eigenem Bekunden durch gezielte Störung der Alltagsroutine auf Gefahren des menschengemachten Klimawandels aufmerksam machen sollten.
Vor einem Jahr hatte die Gruppierung öffentlich verkündet, künftig vom Festkleben Abstand zu nehmen und sich auf neue Protestformen zu konzentrieren.
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