Die Polizei war bereits vor Ort, als er unvermittelt zugestochen haben soll: Mit einem Messerangriff, den die Staatsanwaltschaft als Mordversuch wertet, befasst sich aktuell das Leipziger Landgericht. Tatort war ein Lokal in der Georg-Schumann-Straße im Norden von Leipzig Ende Mai vergangenen Jahres. Das Motiv des Verdächtigen (53) ist bislang ungeklärt – doch an Tatzeugen fehlt es wahrlich nicht.

Dass ein junger Mann dieser Tage seinen 27. Geburtstag erlebt, scheint pures Glück. Denn wenn man der Anklage der Leipziger Staatsanwaltschaft folgt, so trachtete ihm ein Kontrahent im vergangenen Jahr während einer Auseinandersetzung nach dem Leben und stach mit einem Klappmesser mehrfach auf ihn ein.

Schauplatz war nach Wissensstand der Ermittlungsbehörden der Bereich rund um zwei nahe beieinanderliegende Bars in der Georg-Schumann-Straße, jener mehr als fünf Kilometer langen Magistrale, die mehrere Ortsteile mit dem Zentrum verbindet und zu den längsten Leipzigs zählt. Hierhin war die Polizei am frühen Morgen des 25. Mai 2024, etwa 06:30 Uhr, wegen Meldungen über eine gewaltsame Auseinandersetzung alarmiert worden.

Dem Griff der Polizei entwunden und zugestochen

Der in einer Bar unweit der Kreuzung zur Lindenthaler Straße zunächst eskalierte Streit soll sich dann an jenem Samstagmorgen auf die Straße rund um die Hausnummer 89 verlagert haben. Wie sie die Situation wahrnahm, schilderte eine eingesetzte Polizeiobermeisterin (27) im Zeugenstand gegenüber dem Gericht: Demnach habe der jetzt Angeklagte Arif A. (53), der sich als Verantwortlicher eines der Lokale ausgegeben haben soll, die eingetroffenen Ordnungshüter trotz des Notrufs beschwichtigt, es sei alles in Ordnung und sie könnten wieder abziehen – zum Missfallen des späteren Opfers.

Georg-Schumann-Straße, kurz vor der Kreuzung zur Lindenthaler Straße in Gohlis-Süd. Archivfoto: Ralf Julke
An der Georg-Schumann-Straße, kurz vor der Kreuzung zur Lindenthaler Straße in Gohlis-Süd. Archivfoto: Ralf Julke

Auf der Straße schaukelte sich der Streit dann offenbar hoch, mehrere Personen kamen hinzu und mischten sich in die Diskussion mit den Polizeibeamten ein. Die Bodycam einer Einsatzkraft, die am Donnerstag im Landgerichtssaal abgespielt wurde, zeigt die aggressive und aufgeheizte Stimmung, in der ein Mann immer wieder „Ich ficke dich!“ ruft und von anderen zurückgehalten wird. Erst durch herbeigerufene Verstärkung seitens der Polizei habe man die Situation kurzzeitig beruhigt.

Kurz darauf soll der Angeklagte Arif A. sein damals 26-jähriges Opfer jedoch auf der Straße verfolgt und mit einem Faustschlag attackiert haben. Daher habe man eine Anzeige aufgenommen und den jungen Mann in eine der Bars gebracht.

Wenig später gelang es Arif A., an der Polizeibeamtin und ihrer Kollegin vorbei in die Räume der Bar zu gelangen. „Er ist zielstrebig an uns vorbeigelaufen“, so die Polizeiobermeisterin. Dem Griff von ihr und ihrer Kollegin, die ihn am Arm festzuhalten versuchten, habe sich der ältere Mann erfolgreich entwunden und sei in das Lokal gestürmt.

Opfer erscheint nicht zur Zeugenvernehmung

Mit einem Klappmesser soll Arif A. dann hinterrücks mehrfach auf sein Opfer eingestochen haben. Gegenwehr des Betroffenen habe es nicht gegeben: „Es ging so schnell, ich glaube er war in dem Moment überrascht, dass es passiert ist“, sagte die Polizistin. Der 26-Jährige erlitt nach Gerichtsangaben eine Stichverletzung am Brustkorb, eine Darmverletzung und eine gebrochene Rippe, musste nach dem brutalen Übergriff stationär behandelt werden.

Der Tatverdächtige wurde durch umstehende Zeugen festgehalten, schließlich mithilfe von Pfefferspray der Polizei überwältigt. Nach Kenntnis der Staatsanwaltschaft soll der Mazedonier sich über angeblich respektloses Verhalten des Opfers geärgert haben. Ob das so stimmt, ist noch ungeklärt.

Gern hätte man erfahren, was der Geschädigte selbst zu all dem zu sagen hat. Doch der erschien am Donnerstagmorgen trotz offizieller Vorladung als Zeuge nicht vor Gericht. Seine Vernehmung soll nun zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Der Prozess wird fortgesetzt, es sind weitere Verhandlungstage bis Mitte Februar geplant.

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Es gibt 3 Kommentare

Offenbar war der Herr stärker als die zwei Polizistinnen oder hatte das Überraschungsmoment auf seiner Seite. Aber hin wie her, die Georg Schumann Straße ist in den letzten Jahren zu einer Kriminalitätshochburg geworden, das ‘Personal” ist einschlägig , wie jeder weiß, der dort wie ich öfter entlangläuft, besonders abends. Da braucht es keine Verschwörungstheorie, nur offene Augen und gesunden Menschenverstand. Für solche Fälle finde ich die von manchen Parteien angedachte Zwei Strafen und raus Regelung absolut richtig.

Schöne Verschwörungstheorie, Gohliser!
Zu fragen ist hier eher, warum die Polizei diese Tat nicht verhindern konnte. Warum konnte der Täter zielstrebig an den Polizisten vorbeigehen, ohne, dass sie ihn gestoppt haben? Hätte man nicht direkt hinterher gehen müssen?
Warum brauchte es mehrere andere Menschen, die den Täter stoppten, bevor die Polizei Pfefferspray (super in Räumen übrigens) eingesetzt hat?
Haben sich die beiden Polizeibeamtinnen überfordert gefühlt? Wo war die angeforderte Verstärkung zu diesem Zeitpunkt?
Da hätte man die Polizei auch nicht rufen brauchen, bei dem Ergebnis.

Wahrscheinlich ist der Zeuge längst untergetaucht. Es würde mich auch nicht wundern, wenn alle Beteiligten in kriminelle Netzwerke verstrickt sind. Kein Wunder, dass die Leute genug haben und ihr Kreuz rechts der Mitte machen. Die Polizisten können einem nur Leid tun.

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