Sechs Männer müssen sich am Leipziger Landgericht unter anderem wegen versuchten Totschlags verantworten: Die Leipziger Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, drei andere Personen im Frühjahr 2024 nach einer fingierten Verabredung mit Fäusten traktiert und teilweise mit Messern auf sie eingestochen zu haben. Die Opfer erlitten erhebliche Verletzungen, über die Hintergründe des Geschehens herrscht Unklarheit.
Was geschah am Abend des 31. März 2024 vor der Leipziger Thomaskirche? Folgt man der Anklageschrift der Leipziger Staatsanwaltschaft, so sollen sich Amirzai R. (29), Shahab A. (22), Mohammad M. (22), Milad W. (21), Said H. (18) und Fardin S. (25) damals gegen 21:15 Uhr an den späteren Tatort begeben haben. Dem sei eine gezielte Verabredung vorangegangen, die der Angeklagte M. initiiert habe.
Per Anruf in eine Falle gelockt?
Die späteren Opfer Wajidullah A., dessen Bruder Javid A. sowie Begleiter Nawidullah H. hätten sich infolge des ausgemachten Treffs in den Bereich an der Thomaskirche begeben. Als der Angeklagte Mohammad M. zu Wajidullah M. ging, den er hauptsächlich habe treffen wollen, traten dann die fünf anderen Angeklagten aus dem Hintergrund plötzlich hinzu, so die Anklage.
Anschließend hätte das Sextett, wie geplant, zunächst mit Fäusten auf Wajidullah A. und Nawidullah H. eingeprügelt. Danach sollen Shahab A., Amirzai R., Fardin S. und Mohammad M. jeweils Messer mit Klingenlängen von acht bis zehn Zentimetern hervorgezogen haben, letzterer hätte zusätzlich Pfefferspray gegen Wajidullah A. eingesetzt. In der Folge habe Wajidullah A. mehrere Stiche abbekommen, die ihn in Bauch- und Schulterbereich, den rechten Oberschenkel sowie die linke Schulter trafen.
Javid A. soll seinem Bruder während der brutalen Auseinandersetzung aus der Distanz zu Hilfe geeilt sein, wodurch sich die Aggression auch gegen ihn gerichtet habe: Die Folge waren laut Ermittlungsbehörden Messerstiche in den Nacken und die linke Gesäßseite sowie ein Schlag auf den Kopf. Nawidullah H., der Begleiter des Brüderpaares, soll im Lauf der Konfrontation am Hals festgehalten und von einem weiteren Mittäter zwei- bis dreimal ins Gesicht geschlagen worden sein.
Brutaler Angriff führt zu massiven Verletzungen
Wie er den mutmaßlichen Angriff seiner Landsleute erlebte, schilderte der 22-jährige Afghane am Mittwoch dem Gericht im Zeugenstand: Seiner Aussage nach war er mit den Brüdern verabredet, die ebenfalls aus Afghanistan stammen. Schon zuvor hätten diese einen Anruf erhalten, dass sie zur Thomaskirche kommen sollten, er habe sie begleitet.
Vor Ort aber seien dann acht Personen gewesen, die auf sie eingeschlagen hätten, so Nawidullah H., der zwei der Angreifer im Gerichtssaal wiederzuerkennen glaubte. Vom Vorsitzenden Richter Michael Dahms nach den Hintergründen der Gewaltorgie gefragt, sagte der 22-Jährige, es habe bereits Anfang des Jahres 2024 einen Vorfall gegeben, der Thema gewesen und bei dem Aufeinandertreffen erneut angesprochen worden sei. „Aber genau weiß ich es nicht.“
Der junge Mann selbst hatte im Zuge der Auseinandersetzung eine Jochbeinrötung und anhaltenden Schmerz erlitten, die Geschwister unter anderem offene Wunden, Schnittverletzungen und Schwellungen. Bei Wajidullah A. ist ein Stichkanal im Brustkorb dokumentiert, der bis zu einer Rippe ging, er musste mehrere Tage stationär in eine Klinik und operiert werden.
Den Kenntnissen der Ermittler zufolge hatten die Angeklagten am Tatabend von Wajidullah A. abgelassen, nachdem dieser blutend zu Boden gegangen war, und entfernten sich, ohne sich Gedanken über das Opfer zu machen. Die Verletzten hätten sich zur Polizei geschleppt und Anzeige erstattet, Wajidullah habe man dorthin tragen müssen.
Angeklagte schweigen, Zeuge spricht von Drohanrufen
Im Nachgang hätten ihn telefonische Drohungen erreicht, so der Zeuge und Geschädigte Nawidullah H. am Mittwoch: „Ich wurde gefragt, wo ich wohne. Man wolle mir die Ohren abschneiden, das habe ich der Polizei gemeldet.“
Vier der Angeklagten liegt als schwerster Vorwurf versuchter Totschlag zur Last, da sie beim Angriff auf Wajidullah A. gewusst hätten, dass Stichverletzungen zum Tod eines Menschen führen können, der zumindest billigend in Kauf genommen worden sei. Die mit 21 bzw. 18 Jahren jüngsten Verdächtigen W. und H. müssen sich wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten. Ob sie von den Messern ihrer mutmaßlichen Komplizen wussten, ist nicht sicher.
Im Prozess machen bislang alle von ihrem Schweigerecht Gebrauch, sodass die Hintergründe unklar bleiben. Noch bis Ende April 2025 wird der Fall voraussichtlich verhandelt.
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