Die Silvesternacht brachte, nicht nur in Berlin, große Sachschäden, Verletzte und auch Tote durch unsachgemäßen Einsatz von Pyrotechnik mit sich. In vielen Gegenden Deutschlands wurde auch schon lange vor Silvester ausgiebig geböllert. Damit soll Schluss sein, wenn es nach der Gewerkschaft der Polizei (Gdp) in Berlin geht. Dazu wurde eine Petition „Bundesweites Böllerverbot, Jetzt!“ gestartet. Es ist nicht die einzige Initiative zum Verbot oder zur Einschränkung der Silvesterfeuerwerke.

Wir sprachen dazu am 6. Januar mit Benjamin Jendro, dem Abteilungsleiter und Pressesprecher bei der Gewerkschaft der Polizei Berlin.

Hallo Herr Jendro, schön dass Sie sich die Zeit nehmen. Sagen Sie uns doch zuerst kurz etwas über die Silvesternacht in Berlin.

Ehrlicherweise muss man sagen: Was an Silvester in Berlin passiert ist, aber auch in anderen großen Städten in Deutschland, das ist etwas, was uns nicht überrascht hat. Nichtsdestotrotz sind wir schockiert. Wir stellen seit Jahren fest, dass die Zahl derer, die Pyrotechnik unsachgemäß gebrauchen und sie vor allem auch dazu einsetzen, andere zu gefährden, irgendwelche Social-Media-Streams von coolen Aktionen zu starten oder Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr massiv zu beschießen, dass diese Zahl zunimmt.

Wir stellen fest, dass die Pyrotechnik sich von der Qualität her verändert und in Berlin so ein bisschen Sodom und Gomorrha auf den Straßen herrscht. Dass alles durch die Luft fliegt, dass in Kauf genommen wird, wenn irgendwas brennt, etc. und wir dann aus jeder Nacht mit verletzten Einsatzkräften rausgehen. Immer am 1. Januar wird dann wieder darüber diskutiert, wie schlimm das eigentlich ist und was man dagegen machen kann.

Wir sind durchaus gewillt, jetzt doch mal etwas an den Rahmenbedingungen zu verändern, denn sonst werden wir im nächsten Jahr, Anfang Januar, wieder darüber sprechen, wie schlimm alles ist, aber es wird sich nichts ändern.

Die GdP Berlin hat diese Petition nicht erst nach Silvester 2024 gestartet. Seit wann gibt es diese und ist sie als Gegenentwurf zur Petition der Deutschen Umwelthilfe gedacht?

Also vorneweg: Es ist kein Gegenentwurf zur Petition der Deutschen Umwelthilfe. Es ist in der Tat so, dass wir nach den Ereignissen Silvester 2022/23, als ja auch die Bilder sehr viral gingen, als alle angefangen haben über die Eskalation zu diskutieren, die keinesfalls das erste Mal passiert ist, da haben wir als GDP Berlin uns entschieden etwas zu tun.

Es gab durchaus schon andere Unterschriftenaktionen zu dem Thema, von Tierschutzverbänden, von der Deutschen Umwelthilfe beispielsweise, aber wir wollten auch noch ein anderes Thema in den Fokus stellen, nämlich die Gesundheit unserer Kolleginnen und Kollegen, was bisher gar keine Rolle gespielt hat. Da sind wir die zentrale Interessenvertretung und deswegen war das unser Hauptargument.

Wir wollten natürlich auch noch einen Unterstützerkreis erreichen, den die Deutsche Umwelthilfe vielleicht nicht erreicht. Deswegen haben wir gesagt, wir starten etwas Eigenes.

Das war Anfang Januar 2023. Wir haben das zu Silvester 23/24 auch noch mal forciert, da waren die Bilder aber nicht so doll, muss man auch ehrlicherweise sagen, obwohl es keineswegs friedlich war. Wir haben es jetzt Ende des vergangenen Jahres noch mal auf der Plattform innn.it forciert. Dann hatten wir, Stand 29. Dezember, 90.000 Unterschriften und am 31. waren schon 250.000. Und es ist dann noch weiter gewachsen.

Die Zahlen in den letzten Tagen sind beeindruckend. Wir stehen jetzt bei 1,4 Millionen Unterschriften. Das ist natürlich eine Zahl, die dann auch die Politik nicht wegatmen kann. Von daher, die Petition endet auch heute nicht, sie geht weiter. Wir übergeben zwar heute die aktuelle Unterschriftenanzahl ans BMI, aber damit ist das Thema für uns nicht beendet. Das Thema ist für uns beendet, wenn die Politik endlich reagiert und die Rahmenbedingungen sich verändern, damit wir nicht in jedem Jahr wieder mit Verletzten rausgehen.

Wie steht die Gesamt-GdP zu Ihrem Vorgehen?

Wir müssen ganz ehrlich sein, das ist natürlich ein Phänomen, welches in Metropolen stärker zuschlägt. Also auch in München und auch in Hamburg gab es Ausschreitungen. Wir haben in der GdP eine Bundesorganisation und insgesamt 18 Landesbezirke. Also jedes Bundesland hat einen eigenen Landesbezirk, dann gibt es das Bundeskriminalamt, dann gibt es die Bundespolizei. Natürlich sieht man in Flächenländern das Problem vielleicht nicht so groß.

Fakt ist, dass die Gewerkschaft der Polizei sich im vergangenen Jahr als Bundesorganisation dazu entschieden hat, die Unterschriftenaktion der Deutschen Umwelthilfe zu unterstützen. Da ist man mittlerweile Teil des Unterstützungsnetzwerks, dazu gehören auch die Deutsche Ärztekammer, Tierschutzvereine und andere. Deswegen spüren wir da auch Rückendeckung durch die Bundesorganisation.

Aber es ist schon ganz klar, das ist eine Petition der Gewerkschaft der Polizei Berlin. Und das macht es dann schon deutlich, über welche Dimensionen wir reden bei 1,4 Millionen Menschen.

Herr Benjamin Jendro, Abteilungsleiter und Pressesprecher bei der Gewerkschaft der Polizei Berlin. Foto: LZ
Benjamin Jendro, Abteilungsleiter und Pressesprecher bei der Gewerkschaft der Polizei Berlin, im Gespräch mit der LZ. Foto: LZ

Böllerverbot, das klingt nach Spaßbremse. In der Petition heißt es: „Wir fordern ein umfassendes Böllerverbot im Privatbereich, so wie es das in vielen Ländern bereits gibt. Dazu gehört auch ein entsprechendes Verkaufsverbot an all jene, die damit nicht beruflich zu tun haben.“ Eine Regelung für Deutschland allein scheint da nicht zielführend, solange man kurz hinter den Grenzen Material kaufen kann, welches hier schon verboten ist. Wird die Polizei nicht mit weiteren Kontrollen überfordert?

Wir müssen ehrlich sein. Erstmal sollten wir es nicht auf illegale Pyrotechnik reduzieren. Es ist so, dass wir ein Sprengstoffgesetz in Deutschland haben. Das beschränkt alles ab Pyrotechnik Kategorie F2, da reden wir über Raketen, Böller, alles, was nicht Tischfeuerwerk ist, darf ich grundsätzlich gar nicht an Menschen ohne Befähigungsnachweis abgeben.

Es gibt eine Verordnung, kein Gesetz, das Playbook. Darin steht, ich darf es abgeben ab dem 29. Dezember, außer es ist ein Sonntag, dann ab dem 28. Dezember bis zum 31. Und das darf dann auch von Menschen ab 18 Jahren abgebrannt werden, am 31.12. und am 1.1..

Das ist eine Verordnung, die man ändern müsste. Es ist das ganze Jahr über verboten, nur an Silvester erlauben wir uns den Spaß. Und sind wir ehrlich, wir haben die Pyrotechnik-Probleme nicht nur an Silvester. Wir kennen die auch an Halloween, wir kennen die auch in diversen Versammlungslagen. Natürlich muss man mit den EU-Partnern mal reden. Sie kriegen diese Dinge aber auch übers Internet, das ist auch ein Thema.

Wir werden den Verkauf jetzt auch nicht auf Null bringen. Jetzt bin ich beim großen Aber: Wir sollten uns mal die Frage stellen, warum es keine Bilder aus Warschau gibt, warum es keine Bilder aus Krakau gibt. Man kann sich auch mal mit Pyrotechnik-Verkäufern in Polen unterhalten. Die sagen: Meine Landsleute kaufen das Zeug nicht, die sind nicht wahnsinnig, die machen das nicht. Es sind die Deutschen, die kaufen.

Es wird weiter gekauft werden, aber Fakt ist: Wir haben ein Problem. Wir können die Leute auch nicht zur Rechenschaft ziehen, weil wir eine Szenerie an Silvester haben, in der alles quer durch die Gegend fliegt. Wir können Straftaten nicht bestimmten Personen zuordnen. Das ist unser großes Problem.

Wenn wir ein Verkaufsverbot haben, glaube ich, dass die Masse dann eben nicht an das Zeug ran kommt. Nicht jeder wird sich in Polen eindecken, wenn er weiß, es ist verboten. Wenn wir darüber hinaus organisierte Veranstaltungen haben, mit organisierter Pyrotechnik, dann gehen auch Hunderttausende da hin. Weil diese nämlich jetzt schon Angst haben, auf die Straße zu gehen. Das heißt, wir trennen die Spreu vom Weizen.

Wenn es ein Verbot gibt, natürlich wird irgendwo auch jemand eine Rakete zünden und die Polizei wird nicht da sein. Aber es ist auch verboten, Menschen zu töten und trotzdem machen es Einzelne. Also von daher: Es ist eine Mammutaufgabe. Jetzt zur Erklärung, wir müssen an den Grenzen stärker kontrollieren. Wir haben in den letzten Monaten massiv an den Grenzen kontrolliert und trotzdem wurden Kugelbomben eingesetzt. Von daher, ja, es ist eine Mischung. Wichtig wäre ein Pyrotechnikverbot, ein Verkaufsverbot und die anderen Maßnahmen werden sich über Jahre durchsetzen.

Zum Schluss noch die Frage: Sie haben die Petition über innn.it gestartet, warum nicht über das Petitionsforum des Bundestages?

Weil wir gemerkt haben, dass das sehr langatmig ist. Es ist ja so: Wenn dort ein bestimmtes Quorum erreicht ist, dann muss sich der Petitionsausschuss damit beschäftigen. Was ist denn dann die Folge? Der Petitionsausschuss des Bundestages übergibt es an die zuständigen Ausschüsse. Also gehen wir doch gleich an den Bundestagsinnenausschuss ran und an das BMI.

Nochmal, es ist keine Gesetzesveränderung notwendig, es geht um eine Verordnung. Auch ganz wichtig ist, die Länder könnten jetzt schon reagieren. Sie haben die Möglichkeit per Verordnung. Berlin könnte jetzt schon sagen, wir verkaufen keine Pyrotechnik an Silvester, das ist gesetzlich möglich.

Von daher wollen wir jetzt vor allem die Verantwortlichen treiben, weil das Prozedere über den Petitionsausschuss so sperrig ist. Das ist eine Barriere, die behindert viele Menschen. Und deswegen haben wir gesagt: Wir machen es jetzt so und werden das auch weiter treiben.

Vielen Dank für das Gespräch und Ihre Zeit.

Fazit: Die Petition der GdP Berlin ist eine ergänzende Petition zu der der Deutschen Umwelthilfe, keine konkurrierende. Mit 1,4 Millionen Unterzeichnern ist sie schon gewichtig genug, um in der Bundespolitik Anstöße zu geben. Auch wenn der Bundeskanzler meint, dass die Diskussion um ein Böllerverbot „irgendwie komisch“ wäre, 1,4 Millionen Unterzeichnerinnen und Unterzeichner dieser Petition, beziehungsweise knapp zwei Millionen Menschen inklusive der Unterzeichnenden der Petition der DUH, finden es nicht komisch, sondern erforderlich.

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Das ist wieder etwas nur für die Leute die sich ans Gesetz halten. Viele der Gründe sind schon verboten und werden von der Polizei bloß nicht durchgesetzt. Also lieber noch mal verbieten, da das ja viel hilft.

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