Aus purer Aggressionslust soll er seinen Widersacher brutal misshandelt und mit einem Kabel erwürgt haben: Nach einem Tötungsverbrechen im Obdachlosenmilieu am Leipziger Hauptbahnhof im April steht ein 25-jähriger Ukrainer seit Oktober vor dem Landgericht. Zwei Tatzeugen belasteten den Angeklagten am Mittwoch – und schilderten, welche Angst er ihnen einjagte.
Ein Transportcontainer an der Sachsenseite des Leipziger Hauptbahnhofs wurde Ende April 2024 zum Schauplatz eines brutalen Tötungsdelikts. Opfer war Maxim S., der gemeinsam mit weiteren obdachlosen Personen in dem Objekt nächtigte, er wurde nur 43 Jahre alt. Der Ukrainer Oleksandre T. (25) soll den Russlanddeutschen verprügelt und eiskalt mit einem Wasserkocher-Kabel erwürgt haben – so jedenfalls glaubt es die Staatsanwaltschaft, die Oleksandre T. unter Mordverdacht angeklagt hat.
Aus nichtigem Anlass misshandelt und getötet?
Nichtiger Anlass sei gewesen, dass der ermordete Maxim S. einen Landsmann des Angeklagten namens Artem (40) am frühen Morgen des 23. April wegen störender Schnarcherei an die frische Luft geschickt hatte, als man in einer Kleingruppe in dem ausgedienten Container schlief.
Zu den Übernachtenden zählten unter anderem ein Ukrainer und dessen Frau, die am Mittwoch im Landgericht als Zeugen aussagten. Die Anbahnung der tödlichen Aggression bekam das obdachlose Paar direkt mit: Der Rauswurf des lauten Schnarchers mit der Bitte, an die frische Luft zu gehen, sei etwa 3 Uhr morgens erfolgt, sagte der 52-jährige Ukrainer aus, der vor einigen Monaten nach Leipzig gekommen war.
Am Vormittag, nur Stunden später, soll der Angeklagte ausgerastet sein, als er von dem Vorfall erfuhr. Daraufhin habe er das Opfer im Container aufgesucht, ins Gesicht geschlagen, immer wieder auf Kopf und Oberkörper des wehrlosen Mannes eingetreten: „Er hat ihn in unserer Anwesenheit so stark geschlagen, dass Maxim zwischendurch das Bewusstsein verloren hat. Meine Frau hat versucht, ihn zu besänftigen und angefleht, dass er aufhört“, sagte der Zeuge. Letztlich habe man es aber nicht geschafft, den Angegriffenen ernsthaft zu verteidigen: „Wir hatten Angst um unser Leben.“
Zeuge spricht von Aggressionen unter Drogen und Alkohol
Den Angeklagten habe er einige Zeit zuvor im Umfeld des Hauptbahnhofs kennengelernt, so der heroinabhängige Zeuge, der früher nach eigenen Angaben als Schweißer und Monteur tätig war. In Konversationen habe er den jungen Landsmann durchaus als normal erlebt, unter Alkohol- und Drogeneinfluss soll der 25-Jährige aber schnell aggressiv geworden sein.
Auch die in Russland geborene Ehefrau des Zeugen bestätigte, dass sie den mutmaßlichen Täter während des Geschehens als beängstigend wahrnahm. Jeder Beschwichtigungsversuch gegenüber Oleksandre T. sei fruchtlos gewesen, auch die Beteuerung, dass Maxim S. nicht allein verantwortlich gewesen sei, den schnarchenden Artem des Nachtlagers zu verweisen: „Das war eine gemeinsame Entscheidung, aber er wollte nicht auf uns hören“, sagte die 45-jährige Zeugin mit Blick auf den Angeklagten.
Schließlich soll Oleksandre T. die Umstehenden laut Anklage mit der sinngemäßen Drohung „Haut ab, wenn ihr leben wollt“ aus dem Container geschickt und sein tödliches Werk vollendet haben, indem er den schwer verletzten Maxim S. fesselte und das Kabel eines Wasserkochers um seinen Hals zuzog.
Gab es Todesdrohungen des Angeklagten gegen Zeugen?
Demgegenüber erinnerte sich die Zeugin nunmehr anders: Es sei so gewesen, dass Oleksandre T. beteuert habe, er wolle Maxim S. nichts antun, sondern nur mit ihm reden. Alle sollten jetzt gehen und man könne sich später auf ein Bier treffen. Doch folgt man der Kenntnis der Staatsanwaltschaft, nutzte Oleksandre T. die Abwesenheit der anderen, das Leben eines Menschen brutal zu beenden.
Auch für die Zeugin eine einschneidende Erfahrung: „Das hat mir solche Angst gemacht, dass ich nicht zur Polizei gegangen bin. Es tut mir leid, dass ein Mensch ums Leben gekommen ist“, erklärte die 45-Jährige am Mittwoch. Sie und ihr Mann waren schließlich doch noch vor Gericht erschienen, nachdem es zunächst geheißen hatte, dass sie nicht erreichbar seien. Generell waren oder sind einige der potenziellen Tatzeugen ohne festen Wohnsitz für die Behörden nur schwer greifbar. Mindestens einer von ihnen lebt heute mutmaßlich gar nicht mehr in Leipzig.
Dem vorbestraften und als gefährlich eingestuften Oleksandre T. indes droht bei einem Schuldspruch sogar Sicherungsverwahrung nach der Haft. Die 1. Strafkammer hat derzeit noch zwei Prozesstage geplant.
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