Täglich stehen in Deutschland Menschen vor Gericht – die Mehrheit wegen vergleichsweise „kleiner“ Delikte. Und nur ein Bruchteil der verhandelten Kriminalfälle wird überhaupt durch Gerichtsreporter beobachtet und als Geschichte medial aufbereitet. Was auch mit der ausgedünnten Besetzung und begrenzten Kapazität vieler Redaktionen zu tun hat. Wir blicken für Sie zurück auf ausgewählte Gerichtsverhandlungen in Leipzig, welche die Gemüter 2024 erregten.

Nichts war vor ihrem Zugriff sicher: Haftstrafen für Diebesbande

Nach einer Serie von Einbrüchen verurteilt das Leipziger Landgericht drei Angeklagte im Juni zu Gefängnisstrafen von bis zu sechs Jahren. Die 27, 30 und 39 Jahre alten Männer hatten zuvor weitgehende Geständnisse abgelegt, wonach die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft zutreffend seien.

Personen mit Wachtmeistern, stehend und mit Handfesseln.
Die drei Mitglieder der Einbrecherbande stehen gefesselt mit Wachleuten im Gerichtssaal. Foto: Lucas Böhme

Demnach ging das Trio im Sommer 2023 mit wechselnder Besetzung auf Beutezug in Leipzig, brach beispielsweise in eine Shisha-Bar, ein Gartenlokal oder ein Restaurant ein. Aber auch Privatwohnungen gerieten ins Visier der Täter – in einer davon fielen den ungebetenen Besuchern 1.000 Euro Bargeld, eine X-Box, eine Kreditkarte, ein Ring, ein Fernseher, ein Tablet, eine Apple Watch und ein Smartphone in die Hände.

Anfang Juli 2023 wurde sogar ein 400 Kilogramm schwerer Tresor der aus den Olsenbande-Filmen bekannten Marke „Franz Jäger“ mit Edelsteinen und Schmuck aus einem Geschäft in Leutzsch weggeschleppt.

Skurriler Geldbetrug führt zu brutaler Selbstjustiz

Es klingt wie ein skurriles Drehbuch, ist aber wahr: Eine Familie kidnappte Anfang 2023 einen 30-Jährigen aus Leipzig-Probstheida, misshandelte und bedrohte den Gefangenen, ehe er von der durch Anwohner alarmierten Polizei befreit werden konnte.

Hintergrund: Das Opfer hatte der Familie 15.000 Euro Bargeld abgenommen und sich aus dem Staub gemacht, mit dem irrsinnigen Versprechen, die Scheine durch eine chemische Prozedur vermehren zu können.

Anklagebank im Gerichtssaal.
Vier der Angeklagten im Gerichtssaal mit ihren Verteidigern und Dolmetschern. Foto: Lucas Böhme

Wohl auch aus Scham, welch hochnotpeinlichem Betrug man aufgesessen war, nahmen die fünf Angeklagten das Recht in die eigene Hand. Im Juni 2024 kommen der syrische Familienvater, zwei Söhne sowie zwei Tathelfer unter anderem wegen der ungewöhnlichen Vorgeschichte am Landgericht mit Bewährungsstrafen davon. Trotzdem sei Selbstjustiz nie zu tolerieren, stellt der Vorsitzende Richter gegenüber den Angeklagten klar. Die zeigen sich nach längerer Untersuchungshaft reuig: Es werde nicht wieder vorkommen, heißt es.

Großer Medienrummel: Prozess gegen Mallorca-Sängerin Melanie Müller

Unter großem Medienrummel wird Melanie Müller im Sommer 2024 der Prozess am Amtsgericht gemacht: Die Schlagersängerin und TV-Darstellerin soll knapp zwei Jahre zuvor bei einem Konzert in Leipzig von der Bühne aus den „Hitlergruß“ gezeigt haben. Außerdem habe die 36-Jährige eine Ecstasy-Tablette und ein Kokaingemisch von 0,69 Gramm besessen.

Müller mit Anwalt.
Melanie Müller mit ihrem Verteidiger Adrian Stahl im Amtsgericht Leipzig. Foto: Lucas Böhme

In der Verhandlung bestreitet die „Dschungelcamp“-Gewinnerin von 2014 die Vorwürfe. Müllers Erklärung, wonach ihre auf Videos sichtbare Armbewegung nur das Publikum habe anheizen sollen, nimmt ihr Amtsrichter Lucas Findeisen nicht ab. Er verurteilt die zweifache Mutter Ende August unter anderem wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Drogenbesitzes zu satten 80.000 Euro Geldstrafe, toppt sogar die Forderung des Staatsanwalts um ein Vielfaches.

Müller, die im Prozess schlechte Presse und einen Einbruch von Auftrittsanfragen beklagt, wehrt sich juristisch gegen die Entscheidung. Voraussichtlich 2025 wird die Berufung am Landgericht verhandelt. Bereits im Dezember 2024 kommt heraus, dass die Justiz wegen eines neuen Verdachts gegen sie ermittelt.

Fesselmord im Lindenauer Hafen: Täter muss lange in Haft

Der Fund einer halbnackten Männerleiche im alten Kornspeicher des Lindenauer Hafens sorgte im Sommer 2023 für Schlagzeilen. Der Verstorbene war erst 25 und, wie Ermittlern schnell klar wurde, einem Verbrechen zum Opfer gefallen. Über ein Jahr später schickt eine Jugendkammer des Landgerichts Kevin R. unter anderem wegen Mordes für neuneinhalb Jahre in den Strafvollzug.

Angeklagter und Anwalt.
Kevin R. (r.) kurz vor der Urteilsverkündung mit seinem Verteidiger Dr. Malte Heise. Foto: Lucas Böhme

Der zum Tatzeitpunkt 19-Jährige kam aus dem Bekanntenkreis des Ermordeten. Nach einigem Hin und Her gesteht der junge Mann im Prozess: Er habe den fünf Jahre älteren Daniel P. mit der Aussicht auf ein erotisches Abenteuer zum Kornspeicher gelockt, gefesselt und in ein Wasserbassin gestoßen, wo er erstickte. Als Tatmotiv gibt er Wut darüber an, dass der Getötete ihn mit einem nie gezahlten Darlehen für den Kauf eines Mopeds getäuscht und sexuell ausgenutzt habe.

Ruinen am Lindenauer Hafen.
Düster, abgelegen und etwas unheimlich: In den ehemaligen Getreidespeichern am Lindenauer Hafen wurde ein Toter gefunden, der Opfer eines Verbrechens wurde. Foto: Lucas Böhme

Wegen psychischer Auffälligkeiten und eines schwierigen Lebenslaufs gilt der Angeklagte als unreif, wird nach dem milderen Jugendstrafrecht behandelt. Unter Rücksicht auf das Geständnis bleibt die Kammer knapp unter den zehn Jahren Höchststrafe, die durch die Staatsanwältin gefordert worden waren. Mit der ernsthaften Aufarbeitung seiner grausamen Tat stehe Kevin R. noch ganz am Anfang, bemerkt dessen Verteidiger am Ende des Prozesses.

Teil 1: So urteilten Leipziger Gerichte im Jahr 2024

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