Diese Tat erschütterte die Stadt: Nach dem brutalen Übergriff auf eine 26-Jährige im Flur eines Leipziger Studentenwohnheims im Sommer 2024 steht fest, dass der unter anderem wegen Vergewaltigung Beschuldigte aufgrund einer schizophrenen Erkrankung nicht bestraft wird. Im Sicherungsverfahren schickte das Landgericht den 29-jährigen Wisdom B. am Freitag stattdessen dauerhaft in eine geschlossene Psychiatrie.

Mit dem Beschluss wurde den Anträgen sowohl von Staatsanwaltschaft als auch Verteidigung entsprochen. Bereits vor Kurzem hatte die Leipziger Anklagebehörde gegen den 29 Jahre alten Wisdom B. ein Sicherungsverfahren eröffnet, indem nunmehr keine Haftstrafe, sondern die Einweisung in eine geschlossene Klinik zur Debatte stand.

Brutaler Übergriff in der Nacht: Opfer hat bis heute Albträume

Einigkeit bestand darin, dass der junge Mann, dem eine paranoid-halluzinatorische Schizophrenie attestiert wurde, zwar schuldunfähig sei, aber ohne Behandlung als gefährlich gelten muss und in Freiheit erneut Gewalttaten begehen könnte. Auch am 1. August befand sich der nigerianische Asylbewerber laut Gutachter in einem psychotischen Schub, als er die heimkehrende Studentin Magdalena G. (Name geändert) gegen 01:30 Uhr im Flur des Wohnheims Straße des 18. Oktober brutal überfiel.

Am Fahrstuhl habe er den 26-Jährigen aufgelauert, sie von hinten gepackt und sich auf sie gestürzt, nachdem sie zu Boden gefallen war, heißt es in der Antragsschrift, die Staatsanwältin Yvonne Kobelt zum Auftakt der Verhandlung in dieser Woche vortrug. Eine Nachbarin nahm die Hilfeschreie der jungen Frau wahr und alarmierte die Polizei, die Wisdom B. noch vor Ort festnahm.

Trotz massiver Gegenwehr der Geschädigten war es ihm gelungen, mit dem Finger in sie einzudringen, was rechtlich als Vergewaltigung gewertet wird. Im Zeugenstand schilderte die Betroffene, dass sie nach dem Übergriff bis heute unter Albträumen leidet. Wisdom B. quatschte die Studentin nach Kenntnis der Ermittler schon Stunden zuvor am Vormittag an, soll sie bedrängt und gegen ihren Willen angefasst haben.

Auch weitere Personen im Umfeld des Wohnheims habe er mehrfach angesprochen und die Aufforderung zum Gehen ignoriert. Zudem entblößte er sich nach seiner Verhaftung vor den Augen einer Beamtin in einer JVA-Zelle und masturbierte.

Wisdom B. äußerte Bedauern für die Tat

Das Verhalten des 29-Jährigen sei laut Befund des psychiatrischen Gutachters Ausdruck einer längeren Krankheitsgeschichte Wisdom B.s, die sich in Wahngedanken und daraus folgender Kriminalität manifestiert. Schon 2019 war ein ärztlicher Befund in Spanien zum gleichen Schluss gekommen.

Wisdom B. selbst hatte zum Verhandlungsbeginn ein weitgehendes Geständnis abgelegt und beteuert, seine Straftat tue ihm leid. Er habe das Verhalten des späteren Opfers bei der ersten Begegnung und während des Übergriffs fehlgedeutet – dem Gutachter nach eine wahnhafte Verkennung der realen Situation.

In ihrem Plädoyer folgte Staatsanwältin Yvonne Kobelt der dringenden Empfehlung, den momentan in Altscherbitz untergebrachten Wisdom B. in die Psychiatrie einzuweisen: „Es ist so, dass die Staatsanwaltschaft einschätzt, dass der Angeklagte aufgrund seines Krankheitsbildes für die Gesellschaft gefährlich ist.“ Am Ablauf der Taten gäbe es durch das Geständnis, die Spurenlage und die Zeugenaussagen keine Zweifel.

Anwalt: „Den Täter verteidigen, nicht die Tat“

Auch Rechtsanwalt Andreas Meschkat hatte hier keine andere Auffassung. Er ging besonders auf seine Rolle als Verteidiger in einem solchen Verfahren ein, das die Öffentlichkeit aufwühlt: „Es ist für Tatopfer und deren Angehörige unerträglich, dass Täter nicht bestraft werden können, die im Zustand der Schuldunfähigkeit gehandelt haben. Das ist nachvollziehbar für jeden, der empathisch ist.“

Jüngst hätten ihn aber durchaus kritische Rückmeldungen erreicht. Selbst die Frage, ob die Aussage des Beschuldigten, dass er Stimmen im Kopf hört, auf seinen anwaltlichen Rat zurückgeht, habe er sich gefallen lassen müssen.

Das sei unangemessen, so Meschkat: „Ein Verteidiger geht seiner gesetzlichen Verpflichtung nach, den Täter zu verteidigen, nicht die Tat.“ Im Falle einer seelischen Störung schließe das Gesetz eine Strafe aus, sein Mandant werde wohl aber auf unbestimmte Zeit weggeschlossen. Dessen nachgewiesene Erkrankung könne man therapeutisch und medikamentös behandeln, heilbar sei sie nicht.

Beschuldigter zieht Wunsch nach Abschiebung zurück

Die Kammer machte ebenso klar, dass Wisdom B.s Handeln keineswegs folgenlos bleibt: Bewusst sehe der Gesetzgeber die Möglichkeit der Unterbringung vor, wenn man es mit schuldunfähigen, aber gefährlichen Personen zu tun habe. Neben lebenslanger Haft und Sicherungsverwahrung stelle die Unterbringung eines der schärfsten Mittel im Rechtsstaat dar, erklärte der Vorsitzende Richter Rüdiger Harr: „Wir gewährleisten die Behandlung, wir gewährleisten aber auch den Schutz der Allgemeinheit.“

Positiv verwies er auf die Krankheitseinsicht des Beschuldigten und die Aussage einer Ärztin, wonach Wisdom B. in der Klinik bereits zur Ruhe gekommen sei und Fortschritte zeige. Einen zunächst geäußerten Wunsch, nach Nigeria abgeschoben zu werden, zog der 29-Jährige am Freitag zurück, er wolle weiter in Deutschland behandelt werden.

Es werde in jedem Fall sehr viel Zeit brauchen, sodass derzeit nicht abzusehen ist, ob und wann Wisdom B. wieder freikommt. Dennoch betonte Richter Harr: „Der eingeschlagene Weg ist der richtige und der einzig mögliche.“

Die Entscheidung ist rechtskräftig.

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