Fast viereinhalb Jahre liegt der Großbrand zurück, der ein Todesopfer forderte: Seit Montag verhandelt das Leipziger Landgericht erneut gegen einen 74-Jährigen, der im Juni 2020 in Beilrode (Ortsteil Last) eine Scheune und ein Carport angezündet haben soll. Der ungeliebte Stiefsohn des Angeklagten (47) erstickte damals in seinem Zimmer im Obergeschoss des Wohnbereichs. Doch ist Detlev B. tatsächlich wegen Mordes zu bestrafen?

Eine Frage, die eine Kammer des Leipziger Landgerichts im Oktober 2022 verneinte. Damals hatte sie den heute 74-jährigen Detlev B. wegen Brandstiftung mit Todesfolge in einem Indizienprozess zu zwölf Jahren hinter Gittern verurteilt, aber keinen Nachweis gesehen, dass der Angeklagte den Tod seines Stiefsohnes gewollt oder auch billigend in Kauf genommen habe.

Die Staatsanwaltschaft, die auf lebenslange Haft wegen Mordes plädiert hatte, legte Revision ein. Mit Erfolg: Der Bundesgerichtshof (BGH) kritisierte, dass ein Tötungsvorsatz nicht hinreichend ausgeschlossen worden sei, und ordnete an, dass eine andere Kammer des Landgerichts Leipzig dies noch einmal neu verhandeln müsse. Die Revision des Angeklagten, dessen Anwalt einen Freispruch wollte, wurde verworfen. Folglich stellten die Richter die eigentliche Täterschaft von Detlev B. im ersten Prozess auch ohne Rechtsfehler fest, so der BGH.

Spannungen mit dem Stiefsohn

Diese Feststellung geht so: Detlev B. wohnte seit 2017 als Lebenspartner mit auf dem Gehöft von Barbara Z., seiner Jugendliebe aus Teenager-Tagen. Die gerade verwitwete Frau freute sich, jemanden an ihrer Seite zu haben, der sich zudem engagiert um Hof, Haus, Garten und den Familienhund kümmerte.

Doch kam es auch wiederholt zu Spannungen mit Thomas Z., der mit auf dem Gehöft lebte. Er war leiblicher Sohn von Barbara Z., seit einem Arbeitsunfall 2010 war der frühere Kraftfahrer frühverrentet und erwerbsunfähig. Er litt an einer Herzerkrankung, Niereninsuffizienz und Übergewicht, bewohnte ein Zimmer im Obergeschoss des Gehöfts, das zuletzt mit Pet-Flaschen, Unrat und Müll übersät war. Selbst die verzweifelte Mutter kam zuletzt kaum noch an ihren gehbehinderten Sohn heran, der sich zusehends zurückzog, allein aß, jedes Hilfsangebot ausschlug, die Zeit mit Facebook und Zocken am PC verbrachte.

Beide Männer mochten sich nicht, ohne dass sich die Anspannung im Streit entlud. Doch hinterrücks warf Detlev B. seinem Stiefsohn vor, stinkfaul zu sein und anderen die Arbeit zu überlassen. Thomas Z. dagegen beklagte sich, dass Detlev B. sich wie sein Vater aufführe, ihn kommandieren wolle.

Laut Anklage wollte er Versicherungsgeld für einen Neuanfang

In dieser Situation sei Detlev B. alles über den Kopf gewachsen: Haushalt, Einkäufe, Einbauten, Renovierungen von Dach, Hausflur und Carport, Gartenarbeit – all das wurde ihm laut Überzeugung des Gerichts zu viel. Zumal der frühere Bauschlosser zusätzlich seine hochbetagten Eltern pflegte, ehe die Mutter starb und der Vater in ein Heim kam.

Am 21. Juni 2020, einem Sonntag, soll Detlev B. vormittags gegen 11:30 Uhr mit drei bis vier Litern Kraftstoff in der Scheune des Hofes, die an den Wohnbereich grenzte, gezündelt haben, während seine Lebensgefährtin Barbara Z. in der Küche gerade das Mittagessen vorbereitete.

Sie, ihr Partner und der Hund überlebten den Großbrand – nicht aber Thomas Z., der auf die verzweifelten Rufe, schnell nach unten zu kommen, nicht mehr reagierte. Er starb mit nur 47 Jahren, bekleidet auf dem Bett, infolge einer Kohlenmonoxidvergiftung, die durch seine Herzkrankheit begünstigt wurde. Dazu wies sein Körper großflächige Verbrennungen auf.

Laut Staatsanwaltschaft habe Detlev B. die Brandlegung als Ausweg zur Beendigung der verfahrenen Wohnsituation gesehen. Etwa 214.700 Euro von der Gebäudeversicherung hätten ihm und der heute 74-jährigen Barbara Z. in seinem Kalkül als Startkapital für einen Neuanfang dienen sollen. Das Geld wurde jedoch nie ausgezahlt und Detlev B. nach längerer Ermittlung verhaftet. Den grausigen Tod seines Stiefsohnes, den er als nutzlos verachtet habe, soll der mehrfache Vater zumindest billigend in Kauf genommen haben, so die Anklage.

Vorsatz oder nicht?

Eine Deutung, der sich das Schwurgericht nach dem ersten Prozess so nicht anschloss: Es gäbe keinen Hinweis darauf, dass Detlev B. nicht auf die Rettung von Thomas Z. vertraut habe, doch unterschätzte der Rentner demnach in fataler Weise, wie schnell sich das Flammenmeer durch das Gebäude schlug.

Im Gegensatz zu seiner Unschuldsbeteuerung war die Täterschaft Detlev B.s für die Kammer andererseits unstrittig, für die es keine Zeugen, aber Indizien gab: das Tatmotiv, widersprüchliche Aussagen des Verdächtigen, Spuren des Brandbeschleunigers an den Schuhen – all dies ließ letztlich keine Zweifel aufkommen. Auch habe Detlev B. im Carport unter seinem Hyundai ein weiteres Feuer gelegt, um den Verdacht von sich abzulenken.

Angeklagter schweigt diesmal

Im neuen Prozess ist ein Freispruch ohnehin vom Tisch, es muss nur noch die Frage geprüft werden, ob Detlev B. als Brandstifter mit einem Vorsatz handelte. Dann wäre es sogar möglich, dass er wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt wird. Äußern wolle sich sein Mandant jetzt nicht mehr, sagte dessen Anwalt Dr. Carsten Pagels am Montag.

Vor dem ersten Urteil 2022 hatte der Verteidiger die Ermittlungsarbeit heftig kritisiert und den Verdacht angedeutet, dass der verstorbene Thomas Z. seines Lebens überdrüssig gewesen sein und Suizid begangen haben könnte. Das Gericht fand dafür keine Anzeichen.

Deutlich wurde am Montag, dass Barbara Z., die bei dem Brand ihren Sohn verlor, selbst als Nebenklägerin weiterhin zu Detlev B. hält: Sie besucht ihn in der Haft und spricht ihm Mut zu. Über die Tatvorwürfe werde nicht geredet, sagte sie. Das Grundstück selbst habe sie verschenkt, das frühere Neubauernhaus ist heute eine Ruine. Und wohl auch ein trauriges Symbol zerstörter Leben.

Der Prozess wird fortgesetzt.

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