Er gilt als potenziell gefährlich: Ein 25-Jähriger muss sich seit Montag wegen Mordes vor dem Leipziger Landgericht verantworten. Die Anklage wirft ihm ein Handeln aus niedrigen Beweggründen vor. Demnach habe der zuletzt obdachlose Ukrainer einen 43 Jahre alten Mann in einem Container am Hauptbahnhof zunächst verprügelt und dann erdrosselt. Vorausgegangen sei ein Streit um einen weiteren Mann, der in dem Container zu laut schnarchte.

Die Gegend um den Leipziger Hauptbahnhof: Hier trifft man auch auf erschütternde Schicksale, Menschen, die faktisch ohne Lobby und kaum beachtet am Rande der Gesellschaft ihr Dasein fristen. In einem verlassenen Container auf der sogenannten Sachsenseite des Hauptbahnhofs, der durch obdachlose Personen als Aufenthalts- und Schlafort genutzt wurde, kam es im April dieses Jahres zu einem brutalen Tötungsverbrechen. Wegen Mordes steht der 25 Jahre alte Oleksande T. seit Montag vor dem Landgericht.

Für die Staatsanwaltschaft war es ein Verbrechen auf sittlich niedrigster Stufe

Die Anklage geht davon aus, dass der junge Ukrainer einem 43-Jährigen, der mit ihm den Container zum Schlafen genutzt hatte, wahrscheinlich am Vormittag des 23. April zunächst ins Gesicht schlug, dann auf seinen Kopf und Oberkörper eintrat. Schließlich habe er dem hilflosen Mann ein Kabel um den Hals gelegt, die Umstehenden weggeschickt, da ihnen sonst das Gleiche passieren würde.

Sein schwer verletztes Opfer habe der Aggressor gefesselt und das weiße Kabel um den Hals des Geschädigten gezogen, bis dieser kein Lebenszeichen mehr von sich gab. Maxim S. wurde nur 43 Jahre alt.

Vorangegangen sei ein Vorfall, bei dem der Getötete einen Landsmann des Angeklagten in der Nacht gebeten habe, den Container wegen lauten Schnarchens zu verlassen. Es ist eine völlige Nichtigkeit, die Oleksandre T. als Anlass gereicht haben soll, einem anderen das Leben zu nehmen: „Dem Angeklagten ging es nur darum, seine Aggressionen auszuleben“, sagte Staatsanwalt Christopher Jusciak zum Prozessauftakt. Oleksandre T. habe gewusst, dass sein Motiv auf sittlich niedrigster Stufe steht.

Staatsanwalt Christopher Jusciak. Foto: Lucas Böhme
Laut Staatsanwalt Christopher Jusciak musste das 43-jährige Opfer allein deshalb sterben, weil der Angeklagte seine Aggressionen habe ausleben wollen. Foto: Lucas Böhme

Kaltblütig soll der 25-Jährige dann noch jenen Landsmann, der wegen seiner Schnarcherei des Containers verwiesen worden war, unter massiven Drohungen dazu gebracht haben, bei der Beseitigung des Leichnams zu helfen. Genützt hat es letztlich nicht viel, da einer der Zeugen dann offenbar doch den Weg zur Polizei antrat und auspackte – so kamen die Ermittlungen in Gang.

Verschärfte Sicherheitsmaßnahmen: Angeklagter gilt als potenziell gefährlich

Oleksandre T. folgte der Anklageverlesung am Montag mit starrem Blick und beinahe teilnahmslos. Der Ukrainer zeigte auch keinerlei Anstrengung, sein Gesicht aus lauter Scham hinter einem Ordner zu verstecken, wie es so viele andere Angeklagte tun, wenn die Kameras der Presse auf sie gerichtet sind. Laut Aussage seines Anwalts Jens Farag wolle sich Oleksandre T. zumindest momentan nicht zu dem schweren Tatvorwurf äußern.

Einen Antrag der Verteidigung von letzter Woche, den Prozess auszusetzen, lehnte das Schwurgericht ab: Trotz Gesundheits- und Konzentrationseinschränkungen sei der junge Mann in der Lage, einer Verhandlung zu folgen. Zugleich gelten verschärfte Sicherheitsbestimmungen, da der äußerlich fast bubenhaft wirkende Mittzwanziger seitens des Leipziger Gefängnisses, wo er derzeit in U-Haft sitzt, als potenziell gefährlicher Insasse mit erhöhter Fluchtgefahr gesehen wird. So musste er am Montag zusätzlich Fußfesseln tragen und wurde durch drei Wachleute eskortiert, eine durchaus nicht immer übliche Maßnahme.

Diese Vorkehrungen seien aber nötig: „Es wird an Ihnen liegen, inwieweit diese gelockert werden können“, sagte der Vorsitzende Richter Johann Jagenlauf in Richtung des Tatverdächtigen, der während des Prozesses durch eine Dolmetscherin unterstützt wird. Nach LZ-Informationen hat er eine Wanderungsgeschichte hinter sich und soll unter anderem bereits in Polen strafrechtlich auffällig geworden sein.

Die Verhandlung wird am 7. November fortgesetzt, insgesamt fünf weitere Termine sind noch geplant. Es droht eine lebenslange Haft und, je nach Befund eines Gutachters, möglicherweise sogar die Sicherungsverwahrung, sofern Oleksandre T. als Risiko für die Allgemeinheit eingestuft wird.

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