Einst waren sie Kumpels, dann aber versuchte Artur S. laut Anklage der Staatsanwaltschaft, seinen früheren Schwager zu töten. Erst kurz vor der Tat soll der Angeklagte zudem gegenüber dem späteren Opfer sexuell übergriffig geworden sein. Ein weiterer Zeuge im Leipziger Landgericht erklärte nun am Montag, dass Artur S. auch ihn befummelt habe.
Tag zwei im Prozess um versuchten Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung am Leipziger Landgericht: Auf der Anklagebank muss sich Artur S. verantworten, ein gepflegt wirkender und strafrechtlich bisher völlig unbescholtener junger Mann.
Angriff in Gohliser Treppenhaus
Laut Überzeugung der Anklage lauerte der 33-jährige Familienvater seinem früheren Schwager Matthias K. (Name geändert) am frühen Morgen des 6. Dezember 2022 etwa 04:30 Uhr auf, als dieser arglos seine Wohnung verließ, um die Frühschicht anzutreten. Schauplatz war ein Treppenhaus in der Kasseler Straße in Leipzig-Gohlis.
Mit einer präparierten Rohrzange habe Artur S. mehrfach auf den Kopf des heute 28-jährigen Mannes geschlagen, der den Angreifer glücklicherweise abwehren und in die Flucht schlagen konnte. Trotz der Dunkelheit im morgendlichen Hausflur habe er seinen früheren Schwager, den Ex-Freund seiner Schwester, als Täter erkannt, so Matthias K. vergangene Woche im Zeugenstand. Bei dem Angriff war er erheblich verletzt worden und musste stationär in eine Klinik.
Angeklagter soll sexuell übergriffig gewesen sein
Während der Angeklagte Artur S. den Tatablauf in einer Erklärung seiner Verteidigerin Doreen Blasig-Vonderlin eingeräumt, aber eine Tötungsabsicht bestritten hatte, blieb das mögliche Motiv vorerst völlig unklar.
Mögliche Anhaltspunkte liefert allerdings ein sexueller Übergriff, der Ende November 2022 stattgefunden haben soll: Damals habe Artur S. seinem Schwager im betrunkenen Zustand nach einer Party unter die Hose gefasst, woraufhin Matthias K. alle Brücken zu Artur S. abgebrochen habe. Zuvor hatten sich beide jahrelang als Kumpels geschätzt.
Artur S., der sich an den mutmaßlichen Vorfall nach eigenen Angaben nicht mehr erinnert, sei über den Kontaktabbruch so sauer gewesen, dass er sich zum gezielten Angriff auf Matthias K. entschlossen habe, sagte Staatsanwältin Vanessa Fink zum Beginn des Prozesses.
Weiterer Übergriff im Urlaub auf Mallorca?
Wie nun herauskam, könnte es sein, dass der mögliche Übergriff von damals nicht der einzige seiner Art war: Ein Kumpel des Angeklagten, der bisher noch nicht in den Gerichtsakten gelistet war, wandte sich nach Beginn des Prozesses überraschend an eine Prozessbeteiligte und sagte nach Angaben des Landgerichts am Montag aus, dass Artur S. auch ihn unsittlich berührt habe. Dies soll sich Mitte 2023 zugetragen haben, ein halbes Jahr nach dem Geschehen in Gohlis – damals waren die beiden Bekannten gemeinsam nach Mallorca gereist.
Hier sei es dann zu Manipulationen gekommen, als er selbst betrunken gewesen sei, erklärte der 33-jährige Zeuge der Strafkammer gegenüber. Der Zwischenfall habe ihn sehr mitgenommen. Sowohl er als auch das erste Opfer hatten den Verdacht geäußert, dass ihnen etwas ins Getränk gemischt worden sein könnte.
Die frühere Partnerin (29) von Artur S., mit der er zwei Kinder hat, betonte vor Gericht aber, dass ihr Ex-Freund nach ihrer Erfahrung nicht zur Gewalt neige. Auch Anzeichen, dass er sich zu Männern hingezogen fühlen könnte, habe sie bei ihm während der Beziehung nie bemerkt.
Bringt ein Gutachten Licht ins Dunkel?
Artur S. selbst, der dieses Jahr auf Mallorca verhaftet worden war, bat das erste Opfer schon vor Beginn des Prozesses um Entschuldigung und sagte 5.000 Euro Schadenersatz zu, von denen mit Stand letzte Woche bereits 4.000 Euro überwiesen sind.
Was aber genau ihn ihm vorging, bleibt weiter rätselhaft. Das Landgericht hat noch vier Verhandlungstage eingeplant, außerdem soll am 20. September ein psychiatrisches Gutachten über Artur S. verlesen werden. Bei einer Verurteilung drohen dem jungen Mann mehrere Jahre hinter Gittern.
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