Die Akte zum brutalen Mord im Lindenauer Hafen vom Sommer 2023 wird noch nicht geschlossen: Wie die LZ durch das Leipziger Landgericht erfuhr, hat die Anklagebehörde gegen das ergangene Urteil am Folgetag Revision eingelegt. Damit wird die Entscheidung des Landgerichts, den geständigen Täter (20) für die Tötung seines Bekannten zu neuneinhalb Jahren Haft zu verurteilen, noch einmal am Bundesgerichtshof überprüft werden.

Am Montag hatte die 3. Strafkammer des Leipziger Landgerichts gegen den 20 Jahre alten Kevin R. neuneinhalb Jahre Freiheitsentzug ausgesprochen. Wegen psychischer Auffälligkeiten beim Angeklagten und seinem problematischen Lebenslauf wurde von der Anwendung des härteren Erwachsenenstrafrechts abgesehen: Kevin R. sei in seiner Reife laut Gutachten einem Jugendlichen gleichzustellen. Damit bleibt ihm eine lebenslange Haft trotz der Schwere und Brutalität seiner Tat erspart.

Angeklagter fĂĽhlte sich ausgenutzt und betrogen

Im Prozess hatte der junge Mann prinzipiell eingeräumt, seinen 25-jährigen Kumpel Daniel P. am Abend des 28. Juni 2023 im alten Kornspeicher am Lindenauer Hafen getötet zu haben. Für das Gericht war erwiesen, dass der Täter sein Opfer, das er seit einigen Monaten kannte, mit der Aussicht auf ein sexuelles Abenteuer in die Ruine gelockt, dort mit Panzertape gefesselt, mit einer Socke geknebelt und schließlich einen etwa 3 Meter tiefen Wasserschacht heruntergestoßen hatte. So hatte es auch Kevin R. selbst im Prozess geschildert.

Hintergrund sei ein Streit gewesen: Das bisexuelle Tatopfer soll für Kevin R. starke Gefühle gehegt und ihn mit der Aussicht, 6.000 Euro Darlehen für ein ersehntes Moped zu gewähren, mehrfach zum gemeinsamen Sex gebracht haben. Er habe dies mitgemacht, obwohl er sich eher zu Frauen hingezogen fühle, so der Angeklagte.

Als er aber realisierte, dass Daniel P. ĂĽber keine 6.000 Euro verfĂĽgte und er offenbar einem LĂĽgenkonstrukt aufgesessen war, habe er sich betrogen und sexuell ausgenutzt gefĂĽhlt: Daraufhin habe er Daniel P. bestrafen wollen, gestand er.

Zwei von drei Mordmerkmalen kassiert

Für die Kammer stand im Ergebnis der Beweisaufnahme fest, dass Kevin R.s Wut zum Auslöser der erschreckenden Tat wurde, die Daniel P. das Leben kostete. Der Vater eines kleinen Jungen erstickte qualvoll, sein verwesender Körper wurde vier Wochen später durch Zufall halbnackt in der Betonwanne entdeckt.

Die Richter gingen von einem heimtückischen Mord aus, da der 25-Jährige völlig arglos gewesen sei. Von den Mordmerkmalen der Habgier und der Ermöglichung einer anderen Straftat dagegen nahm die Kammer im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft Abstand: Zwar soll Kevin R. nach dem Verbrechen die Bankkarte des Getöteten an sich genommen und knapp zwei Wochen später 550 Euro von dessen Konto abgehoben haben. Es sei aber nicht erwiesen, dass dies ein tatbestimmendes, vordergründiges Motiv war.

Der Angeklagte habe sich im Prozess nach außen reuelos gezeigt, so der Vorsitzende Richter Bernd Gicklhorn in der Urteilsbegründung. Da Kevin R. die Tat als solche jedoch eingestand, blieb das Gericht noch ein halbes Jahr unter den nach Jugendstrafrecht höchstmöglichen zehn Jahren Haft, die Staatsanwältin Katharina Thieme und die Nebenklage gefordert hatten.

Selbst Verteidiger Dr. Malte Heise gab zu, dass sein junger Mandant erst ganz am Anfang der Aufarbeitung stünde und die Folgen seines Verbrechens noch gar nicht erkannt habe. Der Antrag des Rechtsanwalts lag bei achteinhalb Jahren Gefängnis.

Update 26. September: Bereits vergangene Woche hat die Leipziger Staatsanwaltschaft ihre Revision gegen das Urteil zurückgezogen. Dieses ist damit rechtskräftig.

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