Schwere Vorwürfe treffen eine junge Frau aus Borna, die sich seit Dienstag vor dem Leipziger Landgericht unter anderem wegen versuchten Totschlags verantworten muss. Laut Überzeugung der Anklage soll die damals erst 18-Jährige vor knapp zwei Jahren heimlich einen Jungen entbunden haben. Nach der Geburt habe sie den Säugling mitten in der Nacht auf einer Wiese abgelegt und sich entfernt. Glückliche Umstände retteten das Leben des Kindes.
Sofern es stimmt, was die Staatsanwaltschaft der Angeklagten Marlene Z. (Name geändert) vorwirft, mag man sich fragen, was in ihr vorging und welches Glück im Spiel war, dass die Sache keinen tödlichen Ausgang nahm: Die damals erst 18-Jährige wird beschuldigt, ihr neugeborenes Kind kurz nach der heimlichen Entbindung in der Nacht zum 28. Oktober 2022 ausgesetzt zu haben. Tatort soll eine Wiese in der Nähe des elterlichen Wohnhauses der jungen Frau in Borna bei Leipzig gewesen sein.
Staatsanwalt: „Es bestand akute Lebensgefahr“
Den kleinen Jungen habe Marlene Z. bei Außentemperaturen von etwa 12 Grad einfach nackt zurückgelassen. Der Säugling erlitt neben einer Unterkühlung – seine Körpertemperatur lag zuletzt nur noch bei 24 Grad – auch eine Atem- und Blutgerinnungsstörung, war dem Tode nahe: „Es bestand akute Lebensgefahr“, heißt es in der Anklageschrift.
Nach mehreren Stunden habe die Mutter der Verdächtigen das Kind etwa 05:30 Uhr am Morgen zufällig auf der Wiese entdeckt, sich ihm angenommen und den Notruf gewählt. Diesem glücklichen Zufall, der schnellen Reaktion und nicht zuletzt der sofortigen Behandlung des Kindes in der Neonatologie des Klinikums Borna dürfte es zu verdanken sein, dass der Junge letztlich ohne Folgeschäden überlebte und demnächst seinen zweiten Geburtstag hat.
Der Angeklagten sei sein Schicksal zum Tatzeitpunkt dagegen „vollkommen gleichgültig“ gewesen, sagte Staatsanwalt Christopher Jusciak.
Weiterer Prozess wahrscheinlich ohne Öffentlichkeit
Beim Prozessauftakt gegen die inzwischen 20-jährige Marlene Z., die derzeit auf freiem Fuß ist, wurde am Dienstag im Leipziger Landgericht nur die Anklage verlesen. Laut ihrer Verteidigerin Katja Hoger will sich die junge Frau womöglich beim nächsten Termin zum Tatvorwurf erklären.
Zugleich deutete der Vorsitzende Richter Bernd Glickhorn an, dass ein Ausschluss der Öffentlichkeit vom weiteren Prozess als wahrscheinlich gilt: Da in der Gerichtsverhandlung wohl auch intimste Lebensdetails der mutmaßlichen Täterin zur Sprache kommen, müsste das Interesse der Allgemeinheit in diesem Falle zurücktreten. Eine Verständigung, also eine Absprache über ein mögliches Geständnis und Strafmaß, ist bislang noch nicht erfolgt.
Die Angeklagte wird im Prozess auch durch einen Vertreter der Jugendgerichtshilfe unterstützt. Bei einer Verurteilung wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie Aussetzung droht ihr eine Haftstrafe. Vier weitere Verhandlungstage sind aktuell geplant, mit einem Urteil wird im Oktober gerechnet.
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