Die Anklage ging von Vergewaltigungen und schweren Misshandlungen aus: Doch nun sprach das Landgericht einen heute 38 Jahre alten Mann frei, der vor fast sechs Jahren eine minderjährige WGT-Bekanntschaft bei sich zu Hause in Leipzig aufgenommen und brutal malträtiert haben soll. Der mehrtägige Prozess, der großteils unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand, förderte aus Sicht der Strafkammer offenbar keine Beweise zutage, dass sich das Geschehen so abgespielt hat, wie die Staatsanwaltschaft annahm.

Angeklagter soll Notlage eines jungen Mädchens ausgenutzt haben

Die ging davon aus, dass der damals 32 Jahre alte Marc F. (Name geändert) auf dem populären Leipziger Wave Gotik Treffen (WGT) im Jahr 2018 Sina G. (Name geändert) kennenlernte und mit der erst 15-Jährigen eine intime Beziehung eingegangen sei. Dabei soll Marc F. sich dominant und die Teenagerin unterwürfig gegenüber dem wesentlich älteren Mann verhalten haben.

Ein eigens geschaffenes System von „Strafpunkten“ habe es dem Leipziger ermöglicht, sein Opfer für angebliche Verfehlungen nach seinem Gusto physisch zu maßregeln, ohne dass ein Signalwort oder ein Stoppzeichen zum Abbruch vereinbart worden seien. In einem Zeitraum von Ende November bis Anfang Dezember 2018 sei Sina G. dann aus ihrem Thüringer Elternhaus in die Wohnung von Marc F. im Westen Leipzigs geflohen. Hier soll die inzwischen 16-Jährige in totaler Abhängigkeit vom Wohnungsinhaber gelebt haben, der sogar die Akkus aus ihrem Handy entfernt hätte, um jeden Kontakt Sinas zu ihrer Familie zu unterbinden.

Marc F.s Wohnung war laut Anklageschrift auch der Tatort, an dem es mehrfach zu Vergewaltigungen und brutalen Misshandlungen gekommen sei. Marc F. habe dabei die Zwangslage Sinas für sich ausgenutzt, sie teils mit Alkohol und Drogen gefügig gemacht, ohne dass ihn ihr erkennbares Leid interessiert habe.

Staatsanwaltschaft wollte Haftstrafe

Nach Angaben des Landgerichts konnte der kürzlich gestartete Strafprozess gegen Marc F., der weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand, jedoch keine Beweise für seine Täterschaft zutage fördern.

Vielmehr sollen sich deutliche Zweifel am Geschehen ergeben haben. Diese gründeten offenbar auch auf ein Glaubwürdigkeitsgutachten zur heute 22-jährigen Belastungszeugin. Das Gutachten war vor einem Jahr in Auftrag gegeben worden – zuvor war damals ein erster Anlauf für den Prozess kurzerhand ohne Urteil geplatzt.

Sowohl Marc F. als auch die laut Anklage Geschädigte sollen jeweils von einer Persönlichkeitsstörung betroffen sein. Mit dem Freispruch, den Marc F.s Anwalt Stefan Costabel dem Vernehmen nach von vornherein angestrebt hatte, wich die Strafkammer von der Anklage ab: Staatsanwältin Linda Ullmann hatte in ihrem Plädoyer drei Jahre Haft gefordert.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, es steht die Möglichkeit der Revision offen.

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