Alles schien okay – bis Ende des Jahres 2022, als die Stimmung kippte: Ein junger Mann soll einem Kumpel, dem Bruder seiner Freundin, an einem Wintermorgen im Treppenhaus aufgelauert, mit einer Rohrzange brutal auf ihn eingeschlagen und ihn schwer verletzt haben. Am Montag begann der Prozess wegen versuchten Mordes vor dem Landgericht Leipzig.
Matthias K. (Name geändert) vernahm noch ein Rascheln in der Dunkelheit des Treppenhauses – und dann traf ihn auch schon ein Schlag auf den Kopf: So schildert der 28-Jährige an diesem Montagvormittag während seiner Zeugenvernehmung im Leipziger Landgericht, wie er den 6. Dezember 2022 erlebte. Damals wollte er gegen 04:35 Uhr ahnungslos den Weg zur Frühschicht antreten, als sein eigener Kumpel Artur S. ihm laut Anklage auflauerte und mit einer präparierten Rohrzange mehrfach auf seinen Kopf einschlug.
Schläge im dunklen Treppenhaus
Artur S. sitzt jetzt nur wenige Meter von Matthias K. entfernt auf der Anklagebank – wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Laut Staatsanwältin Vanessa Fink ging der 33-Jährige äußerst berechnend vor, indem er zunächst das Treppenlicht im Hinterhaus in der Kasseler Straße abstellte und sich gezielt mit einer Rohrzange bewaffnete. Anschließend habe er Matthias K. mehrfach mit der Tatwaffe auf den Kopf geschlagen, im Wissen, dass dies potenziell tödliche Verletzungen herbeiführen kann.
So weit kam es zum Glück nicht, denn nach Kenntnis der Ermittlungsbehörden konnte Matthias K. den Angreifer an der Jacke packen, zu Boden ziehen und ihn in die Flucht schlagen. Allerdings trug er stark blutende Wunden, Hautrötungen, Schwellungen, Prellungen, Abschürfungen und Quetschungen davon, erlitt starken Schmerz und wurde eine Nacht stationär in der Klinik behandelt.
An einem gewissen Punkt war er sich sicher, den Angeklagten trotz der Finsternis an der Stimme erkannt zu haben: „Da wusste ich zu hundert Prozent, dass er das war“, schildert Matthias K. dem Gericht in seiner Zeugenaussage.
Kurz vor der Tat soll es einen sexuellen Übergriff gegeben haben
Ernsthafte Zweifel daran bestehen auch deswegen nicht, weil der Angeklagte Artur S. selbst die äußeren Abläufe prinzipiell einräumt: In einer Erklärung, die seine Verteidigerin Doreen Blasig-Vonderlin vorab verliest, übernimmt er die Verantwortung, und beantwortet auch aus seiner Sicht die Frage nach dem „Warum“: Das Opfer war der Bruder seiner langjährigen Partnerin gewesen, mit der er zwei Kinder hat.
Dann habe Matthias K., nachdem man sich jahrelang als Kumpel geschätzt hatte, scheinbar total plötzlich den Kontakt zu ihm beendet, sagt der Angeklagte.
Den Grund für den Kontaktabbruch will er erst aus den Ermittlungsakten erfahren haben, schildert er: Demnach soll es bereits Ende November 2022, kurz vor der Tat, zu einem Vorfall gekommen sein, bei dem Artur S. den später Geschädigten im stark betrunkenen Zustand gegen dessen Willen unsittlich berührte, als er nach einer Party in seiner Wohnung übernachtete.
Laut Staatsanwaltschaft sei der Angeklagte über die nachvollziehbare Reaktion des Schwagers, alle Brücken nach dem Übergriff abzubrechen, so verärgert gewesen, dass er den Plan fasste, Matthias K. anzugreifen. Artur S. selbst sagt dazu: „Ich kann bis heute nicht sagen, was in mir vorging.“ Er bestreitet aber jede Tötungs- oder Verletzungsabsicht. Das Tatwerkzeug habe er nur zur Selbstverteidigung bei sich gehabt.
Angeklagter bittet um Entschuldigung und zahlt Ausgleich
Schon vor Beginn des Prozesses hatte Artur S. dem Vernehmen nach Reue geäußert und einen Täter-Opfer-Ausgleich versucht. Dazu gehört auch eine symbolische Wiedergutmachung von 5.000 Euro Schadenersatz an den Geschädigten und Nebenkläger, von denen 4.000 Euro laut Strafkammer inzwischen überwiesen sind.
Außerdem schrieb Artur S. auch einen Entschuldigungsbrief: „Es tut mir sehr, sehr leid, was ich dir angetan habe. Dein guter Kumpel Artur“, heißt es darin.
Matthias K. aber, das wurde am Montag deutlich, tut sich schwer damit, die Entschuldigung für die brutale Tat so richtig anzunehmen. Das Tischtuch zu seinem einstigen Kumpel dürfte wohl endgültig zerschnitten sein. Artur S. war Ende April 2024 in Spanien verhaftet worden, der Fall lag zunächst „nur“ als gefährliche Körperverletzung bei den Akten.
Der Prozess wird fortgesetzt.
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