Das war wohl nichts: Alle Beteiligten hatten sich am Montagmorgen im Landgericht versammelt, damit die Verhandlung beginnen konnte – nur eine fehlte: die Angeklagte höchstpersönlich. Die Leipziger Staatsanwaltschaft wirft der 47-jährigen Frau unter anderem eine Reihe brutaler Raubüberfälle vor. Nun wurde der Beginn des Prozesses auf kommende Woche verschoben.

Es geht um teils brutalste Straftaten vor etwa drei Jahren – aber noch immer konnte der Prozess gegen Ahlem O. am Landgericht Leipzig nicht beginnen. Die 47-Jährige meldete sich am Montagmorgen über ihren Anwalt kurzfristig krank, obwohl sie Punkt 9 Uhr auf der Anklagebank hätte Platz nehmen sollen. Doch der Sitz blieb leer.

Überfälle und Angriff auf schwangere Frau: Anklage geht von schockierenden Taten aus

Die Staatsanwaltschaft legt der Frau zur Last, unmittelbar oder als Anstifterin an einer Reihe teils brutaler Straftaten in Leipzig beteiligt gewesen zu sein. Am 29. Juni 2021, so Punkt eins der Anklageschrift, hätten drei Männer einem weiteren Mann in der Schwantesstraße unter Vorhalt eines Messers 350 Euro Bargeld abgenommen, wobei Ahlem O. den Raub in Auftrag gegeben haben soll.

Am 20. Oktober soll die damals 44-jährige Tunesierin dann einer Schwangeren in der Eisenbahnstraße den Ellenbogen in den Bauch gerammt und geäußert haben: „Ich mache dein Gesicht kaputt!“ Die Betroffene blieb durch den schockierenden Übergriff wohl zumindest äußerlich unverletzt, so die Ermittlungsbehörden. Anders sah es nur kurz darauf aus, als Ahlem O. laut Ermittlungen mit einer Komplizin einen Wohnungsmieter in der Stuttgarter Allee brutal zusammenschlug und zudem die Räumlichkeiten seiner Wohnung verwüstete.

Die letzte Tat soll sich am 15. November 2021 ereignet haben: Damals drang Ahlem O. laut Anklage mit drei Männern in eine Wohnung in der Borsdorfer Straße ein, um dort Bargeld, Personaldokumente und Mobiltelefone zu stehlen. Die mutmaßlichen Komplizen wurden bis heute nicht ermittelt.

Angeklagte lässt sich über ihren Anwalt entschuldigen

Die Schuldfrage, die genauen Hintergründe der vorgeworfenen Taten, die mögliche Vorbeziehung von Ahlem O. zu den Geschädigten – all das sind Themen, zu denen sich die Angeklagte heute hätte äußern können, sofern sie nicht von ihrem Schweigerecht Gebrauch macht. Doch wie ihr Pflichtverteidiger Jens Belter vermelden musste, habe seine Mandantin mitgeteilt, krank zu sein und daher nicht an der Verhandlung teilnehmen zu können. Sie rechne mit einer Woche Ausfall.

Oberstaatsanwältin und Verteidiger sitzen sich gegenüber. Foto: Lucas Böhme
Oberstaatsanwältin Beate Herber und Verteidiger Jens Belter saßen sich allein gegenüber: Der Sitz neben Belter, wo seine angeklagte Mandantin hätte Platz nehmen müssen, blieb leer. Foto: Lucas Böhme

Da dem Gericht wiederum kein ordentliches Attest vorlag, stand die Möglichkeit offen, Ahlem O. umgehend polizeilich vorführen zu lassen. Oberstaatsanwältin Beate Herber sprach sich dafür aus, der Vorsitzende Richter Carsten Ruge aber lehnte dies ab: Eine solche Maßnahme, wie sie häufig bei unentschuldigtem Fehlen Angeklagter genutzt wird, kann die Verhandlung erfahrungsgemäß um Stunden hinauszögern. Davon abgesehen, dass der Erfolg alles andere als gewiss ist.

Stattdessen wurde die Vorführung von Ahlem O. zum nächsten Verhandlungstermin am 13. August angeordnet und die einbestellten Zeugen auf 16. August umgeladen. Es bleibt damit abzuwarten, ob das Verfahren dann endlich startet und die Strafkammer aufklären kann, was hinter den schwerwiegenden Vorwürfen steckt.

Vorerst aber gingen die Beteiligten am Montag schon nach wenigen Minuten unverrichteter Dinge aus dem Gerichtssaal.

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