Es war eine Bekanntschaft unter Nachbarn mit ständigem Auf und Ab, die laut Staatsanwaltschaft mit dem gewaltsamen Tod eines der Beteiligten endete: Seit Dienstag muss sich ein 33-Jähriger wegen Totschlags vor dem Landgericht Leipzig verantworten. Er soll seinen Hauskumpel vor rund zwei Jahren im Streit mit dem beschuhten Fuß gegen den Kopf getreten und so getötet haben. Der Angeklagte schilderte einige Dinge abweichend.
Man wollte nach einigen gemeinsamen Bier in der Stadt dann daheim zusammen Fußball gucken, es war das Vorrundenspiel der WM 2022, Deutschland gegen Spanien – so schildert der Angeklagte David P. (33) am Dienstag im Leipziger Landgericht, was am 27. November 2022 aus seiner Sicht geschah. Doch irgendwann eskalierte die Situation offenbar, es gab Krach. Am Ende war Christian G., ein Hausnachbar von David P., so schwer verletzt, dass er kurz darauf verstarb.
Alkohol, Drogen und Leben-in-den-Tag-hinein
Laut Oberstaatsanwalt Ulrich Jakob soll der 33-jährige David P. seinen Nachbarn am Tattag in dessen eigener Wohnung in der Delitzscher Straße irgendwann zwischen 17.30 Uhr und 19.30 Uhr zu Boden geschlagen, auf den Körper des Opfers eingetreten haben. Mindestens einmal habe der beschuhte Fuß von David P. auch den Kopf von Christian G. getroffen, was zum Bruch des Schädeldachs und einer „raumfordernden Einblutung“ führte.
Der Betroffene erlitt darüber hinaus Hämatome, Frakturen und eine gebrochene Augenhöhle, erlag am Folgetag in der Klinik dem schockierenden Verletzungsbild. „Er wollte ihn verletzen und nahm zumindest billigend in Kauf, ihn zu töten“, wirft die Anklagebehörde dem unscheinbaren, schmächtigen Mann vor, der im großen Saal des Landgerichts neben seinen zwei Verteidigern sitzt.
Der 33-Jährige, Vater zweier minderjähriger Kinder, schildert der Strafkammer bereitwillig, wie er die Dinge sieht. Er selbst lebte in der Wohnung zwei Etagen über dem verstorbenen Christian G., ging mit ihm eine Bekanntschaft unter Nachbarn ein, bei der es aber immer wieder zu Auseinandersetzungen gekommen sei. Viel wurde gebechert, gibt der Angeklagte David P. zu Protokoll, der selbst bereits seit vielen Jahren dem Alkohol zuspricht und auch Drogen konsumiert, mehrere Entgiftungsversuche hinter sich hat.
„Es war schon ein Leben-in-den-Tag“, meint David P., der mal eine Maler- und Lackiererlehre begann, zur Frage der Richterbank, wie sein typischer Tagesablauf eigentlich so aussah.
Richter: Für unbekannten Täter gibt es keinen Anhaltspunkt
An jenem Sonntag im November 2022 habe man sich, wie so oft, in der Wohnung von Christian G. zwei Etagen tiefer treffen und Fußball gucken wollen, nachdem man schon am Hauptbahnhof kräftig getankt hatte, erzählt David P. im Landgericht. „Anfangs war er ziemlich ruhig, es war eigentlich gute Stimmung.“ Nachdem er vom Zigarettenholen aus seiner eigenen Wohnung zwei Stockwerke höher zurückgekehrt sei und sich auf den Platz von Christian G. gesetzt habe, sei es aber zu einem handfesten Streit gekommen, sagt der Angeklagte aus.
Der später Verstorbene habe ihn mit einer Schere attackiert, er wiederum habe ihm daraufhin ins Gesicht geschlagen, gibt der Verdächtige zu, räumt auch einen Fußtritt ein. Einen Tritt gegen den Kopf bestreitet er. Christian G. habe er erst später bewusstlos aufgefunden, nachdem dieser noch einmal aus dem Haus gegangen sei.
Der Vorsitzende Richter Johann Jagenlauf hält David P. entgegen, dass diese Version einfach nicht zum Verletzungsbild des Getöteten passe: „Entweder es waren Sie im Rahmen dieser Auseinandersetzung oder es müsste jemand Weiteres Herrn G. diese Verletzungen zugefügt haben.“ Für einen unbekannten Dritten, so der Richter weiter, fanden Polizei und Staatsanwaltschaft aber nie einen Anhaltspunkt.
Unterbringung in Entziehungsanstalt möglich
Will David P. seine Verantwortung herunterspielen? Bereits am 28. August 2021 soll er das Opfer brutal angegriffen haben, wobei Christian G. laut Anklage damals ein stumpfes Trauma, eine Nasenbeinfraktur, eine Fraktur des Lendenwirbels und eine Prellung am Augenlid davontrug, mehrere Tage stationär behandelt wurde. Auch hier seien die dokumentierten Folgen des Angriffs gravierender, als es die Schilderungen des Angeklagten vermuten ließen, so Richter Jagenlauf.
Er erteilte vorsorglich den Hinweis, dass für David P. im Falle einer Verurteilung auch die Einweisung in eine Entziehungsanstalt infrage käme. Der 33-Jährige sitzt derzeit in Untersuchungshaft, wo er wegen Selbstverletzungen auch schon in einem „besonders gesicherten Haftraum“ (BGH) untergebracht werden musste.
Der Prozess wird fortgesetzt, es sind Termine bis 30. August geplant worden.
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