Das Oberlandesgericht Thüringen hat vier Mitglieder der rechtsradikalen Eisenacher Kampfsportgruppe „Knockout 51“ zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Es blieb allerdings deutlich unter den Forderungen der Bundesanwaltschaft. Antifaschist*innen, Politikerinnen und Opferberatung kritisieren das Urteil.

Die Angeklagten wurden zu Freiheitsstrafen zwischen drei Jahren und zehn Monaten sowie zwei Jahren und zwei Monaten verurteilt. In einem Fall handelt es sich um eine Jugendstrafe. Sie haben laut Gericht eine „kriminelle Vereinigung“ gebildet, Körperverletzungen begangen und gegen das Waffengesetz verstoßen.

Drei der Angeklagten befinden sich bereits seit einigen Wochen wieder auf freiem Fuß. Sie hatten zuvor zwei Jahre in Untersuchungshaft verbracht. Diese Zeit wird auf die Freiheitsstrafen angerechnet. Der sogenannte Rädelsführer Leon R. befand sich bis zum Urteil im Gefängnis; seine Untersuchungshaft wurde aber heute aufgehoben.

Die Bundesanwaltschaft hatte Freiheitsstrafen von bis zu sieben Jahren gefordert und die Gruppierung als „terroristisch“ eingestuft. Dem widersprach das Gericht. „Der Plan, Linke zu töten, sei nur angedachte Notwehr gewesen, da es zuvor Angriffe auf R. gab“, so die Begründung des Gerichts laut „taz“-Journalist Konrad Litschko auf X (ehemals Twitter).

An den Angriffen auf R. soll auch die angebliche Gruppe um Lina E. beteiligt gewesen sein. Der rechtsradikale Kampfsportler war deshalb als Zeuge im sogenannten Antifa-Ost-Verfahren aufgetreten. Zum Vergleich: Lina E. wurde im vergangenen Jahr zu einer Haftstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Beide Urteile sind noch nicht rechtskräftig.

Kritik von Politikerinnen und Opferberatung

Antifa-Gruppen aus Thüringen und Landtagsabgeordnete von Linken und Grünen kritisierten das Urteil gegen „Knockout 51“. Es bleibe „hinsichtlich der Strafzumessung und Urteilsbegründung eindeutig hinter den Erwartungen zurück“, schreibt Madeleine Henfling, Sprecherin für Antifaschismus der Grünen-Fraktion im Thüringer Landtag.

Henfling weiter: „Es entsteht der Eindruck, dass das Gericht die Gefährlichkeit trotz der bisherigen Körperverletzungen, Widerstandsdelikte, der Informationsweitergabe aus der Polizei zur möglichen Strafvereitelung, der Vorstellung von einem Nazi-Kiez in Eisenach sowie der Kontakte in rechtsterroristische Netzwerke nicht ausreichend einordnen und würdigen konnte.“

Auch Katharina König-Preuss, Sprecherin für Antifaschismus in der Linksfraktion, warf dem Gericht vor, die „extrem rechte Ideologie der Gruppe“ nicht erfasst zu haben. „Ein solches Urteil für schwerste organisierte Gewalttaten, Waffenbeschaffung und Mordpläne kann fast als eine Art Freifahrtschein der Thüringer Justiz für die extreme Rechte verstanden werden.“

Theresa Lauß, für Eisenach zuständige Person in der Opferberatung „ezra“, sieht eine „gefährliche Verharmlosung des gezielten Vorgehens“ der Gruppe. „Es ist davon auszugehen, dass die Haftstrafen nicht abschreckend wirken werden.“

Bundesanwaltschaft zweifelte angebliche Selbstverteidigung an

Die Bundesanwaltschaft hatte im Mai 2023 Anklage gegen die vier Mitglieder von „Knockout 51“ erhoben. In Bezug auf mögliche Tötungsabsichten schrieb sie: „Spätestens seit April 2021 suchten die Mitglieder gezielt die Auseinandersetzung mit Linksextremisten, um unter dem Deckmantel der Selbstverteidigung tödlich wirkende Gewalt anwenden zu können.“

Dass es dazu nicht gekommen ist, lag laut Bundesanwaltschaft nicht am fehlenden Willen der Kampfsportler: „Trotz immer wieder durchgeführter provokanter Aktionen fanden keine weiteren Überfälle durch Mitglieder aus dem linksextremistischen Spektrum statt, die zu einem tödlich wirkenden Gegenschlag hätten genutzt werden können.“

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