Mit einem Schuldspruch wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefรคhrlicher Kรถrperverletzung ging am Mittwoch ein Prozess vor dem Leipziger Landgericht zu Ende. Angeklagt war ein 29-Jรคhriger, der den Liebhaber seiner Ex-Freundin in deren Grรผnauer Wohnung brutal mit einem Messer attackiert hatte. Dass der Angriff am Ende noch halbwegs glimpflich ausging, war alles andere als zwingend, so der Befund der Strafkammer.
Ahmed S. ist schuldig des versuchten Mordes in Tateinheit mit gefรคhrlicher Kรถrperverletzung und muss fรผr fรผnfeinhalb Jahre in den Strafvollzug, auรerdem fรผr Verfahrens- und Anwaltskosten aufkommen. Diese Entscheidung fiel am Mittwoch vor dem Landgericht Leipzig. Die Strafkammer sah es als erwiesen, dass der 29-jรคhrige Angeklagte sich in der Nacht zum 25. Oktober 2023 mithilfe einer Karte Zugang zur Wohnung seiner Ex-Partnerin Maren B. (Name geรคndert) in der Jupiterstraรe verschafft hatte.
Opfer einst eng mit Angeklagtem befreundet
Schon zum Prozessauftakt Anfang Mai hatte der Angeklagte teilweise eingerรคumt, was dann laut Anklageschrift passierte: Dem neuen Liebhaber seiner Ex-Freundin, der noch wach in der Kรผche saร, fรผgte er mit einem Messer erhebliche Stichverletzungen an Rรผcken und Oberkรถrper zu, bis es dem 27-Jรคhrigen gelang, dem Angreifer die Tatwaffe im Gerangel abzunehmen und aus der Wohnung zu flรผchten. Der Geschรคdigte musste notรคrztlich versorgt und in einer Klinik operiert werden.
Dabei hรคtte sich der Tรคter wegen eines erwirkten Kontaktverbots seit April 2023 gar nicht in der fraglichen Wohnung aufhalten dรผrfen. Zuvor hatte Ahmed S. mehrere Jahre hier mit Maren B. gelebt, beide hatten gemeinsam zwei Kinder, die 2017 bzw. 2019 auf die Welt kamen. Mit der Zeit nahmen die individuelle Auseinanderentwicklung und der Krach in der Partnerschaft offenbar immer mehr zu, was im Kontakt- und Annรคherungsverbot fรผr Ahmed S. gipfelte.
Zugleich wandte sich Maren B. immer mehr dem spรคteren Tatopfer zu, einem alten Freund des Angeklagten, der frรผher im Haushalt ein- und ausging, spรคter aus Leipzig nach Hessen verzog, der Kontakt wurde spรคrlicher. โWir waren wie Brรผderโ, hatte Ahmed S. zur Frage gesagt, was ihn einst mit dem Opfer verband. Am 24. Oktober reiste dieses nach Leipzig, um den Tag mit Maren B. zu verbringen. Zuvor hatte der 27-Jรคhrige den spรคteren Angreifer, seinen langjรคhrigen Freund, am Telefon laut Gericht รผber seinen wahren Aufenthaltsort belogen.
War ein Tรถtungsvorsatz gegeben?
In dieser Situation habe Ahmed S., nachdem er mit dem Versuch abgeblitzt war, unter einem Vorwand in die Wohnung von Maren B. zu gelangen, in der Nacht zum 25. Oktober gewaltsam die Tรผr aufgehebelt.
Anders als von ihm dargestellt, sei er der Aggressor gewesen und habe mindestens mit bedingtem Vorsatz gehandelt, den Tod des ehemaligen Freundes durch den Messerangriff mithin billigend in Kauf genommen, so die Vorsitzende Richterin Antje Schiller in der Urteilsbegrรผndung. Dafรผr sprรคchen bezeugte Drohungen des Tรคters und auch die zugefรผgten Verletzungen etwa in Halswirbelnรคhe.
Das Schwurgericht stรผtzte sich neben der Spurenlage, den Kommunikationsdaten und dem Verletzungsbild wesentlich auf die Aussagen des Geschรคdigten sowie der Ex-Freundin. Maren B. war mitten in der Nacht von den Schreien und Kampfgerรคuschen in der Wohnung wachgeworden, mit Kind zu einer Nachbarin geflรผchtet. Die Zeugen hรคtten glaubhaft und ohne Belastungseifer ausgesagt, so das Gericht.
Strafkammer sieht keine niedrigen Beweggrรผnde nachgewiesen
Es folgte mit seiner Argumentation weitgehend dem Standpunkt der Anklage, die sechs Jahre Haft gefordert hatte, teilte auch deren Sicht, dass das Opfer zum Zeitpunkt des Angriffs arg- und wehrlos war. Folglich wรคre das Mordmerkmal der Heimtรผcke anzunehmen. Es sei pures Glรผck, dass der Angegriffene nach dem ersten รberraschungsmoment รคuรerst wehrhaft reagierte und ihm letztlich die Flucht zu einem nahen Parkplatz gelang.
Oberstaatsanwalt Ulrich Jakob hatte in seinem Plรคdoyer zudem niedrige Beweggrรผnde als Tatmotiv und zweites Mordmerkmal geltend gemacht. Das lehnte die Kammer ab, weil sie nicht hinreichend belegt sah, dass Ahmed S. aus รผbersteigertem Besitzdenken gegenรผber Maren B. handelte, ihr keine Selbstbestimmung zubilligen wollte, wie die Anklage annahm. Vielmehr sei der Angeklagte offenbar wรผtend gewesen, dass sein alter Freund ihm eine Lรผge auftischte, die sich anbahnende Liebelei mit Maren B. nicht zugab.
Angeklagter gestand Tat und bat um Entschuldigung
Auch die Verteidigung griff diese Enttรคuschung als Ausgangspunkt auf: Die Tatortspuren, das Verletzungsbild beim Opfer und das Verhalten von Ahmed S. wรคhrend der Tat kรถnnten keinen Tรถtungsvorsatz belegen. Zudem seien die Opfer-Aussagen teilweise nicht nachzuvollziehen, erklรคrte Rechtsanwalt Markus Czempik, der maximal drei Jahre Haft wegen gefรคhrlicher Kรถrperverletzung sowie eine Aussetzung des Haftbefehls beantragt hatte.
Einigkeit zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung bestand darin, dass einige Punkte fรผr Ahmed S. sprachen: So habe er den Tatablauf prinzipiell eingerรคumt, Reue gezeigt, Fragen beantwortet, beim Nebenklรคger entschuldigt und diesem auch Schmerzensgeld angeboten. Hinzu kรคmen die Alkoholisierung des Angeklagten zum Tatzeitpunkt und der Umstand, dass der Angriff kรถrperlich ohne ernsthafte Langzeitfolgen blieb.
Zulasten von Ahmed S. wurde unter anderem gewertet, dass er wegen Gewaltdelikten vorbestraft ist und wรคhrend des Verbrechens unter Bewรคhrung stand. In seinem Schlusswort vor dem Urteil hatte der 29-jรคhrige Iraker sein Bedauern wiederholt und um Entschuldigung fรผr die Umstรคnde gebeten, die er bei der Justiz verursacht habe.
Es bliebe letztlich offen, ob die Tat โein Ausraster, eine Dummheitโ war, so die Kammervorsitzende zum Angeklagten: โWas es am Ende gemacht hat in der Beziehung zu Ihrer Ex-Freundin, Ihrem Freund, Ihren Kindern, darรผber kรถnnen Sie jetzt nachdenken. Das mรผssen Sie mit sich ausmachen.โ
Das Urteil ist noch nicht rechtskrรคftig. Der Verteidiger teilte mit, eine Revision zu prรผfen.
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