Diebstähle, Schulden, Lügen, eine Ehe, die nach wenigen Wochen zerbrach: Viel Erbauliches war es nicht, was Zeugen über Daniel P. zu berichten wussten. Der 25-Jährige wurde im Sommer vergangenen Jahres am Lindenauer Hafen Opfer einer grausigen Gewalttat, für die seit gestern sein Bekannter Kevin R. wegen Mordes auf der Anklagebank sitzt. Das Gericht will nun besser verstehen, in welchen Kreisen Täter und Opfer unterwegs waren.

Irgendwann funktionierte es einfach nicht mehr, der Kontakt riss völlig ab: Gefasst schilderte Maja T. (Name geändert) am Dienstag im Zeugenstand, welche Erinnerungen sie mit ihrem Sohn Daniel P. verbindet. Bis er etwa 17, 18 war, habe sie einen normalen Draht zu ihm gehabt, so die 46-Jährige. Aber schon der Polizei gegenüber erklärte sie: „Das Verhältnis hat sich im Lauf der Jahre geändert, weil er ständig lügt und klaut.“

25-Jähriger laut Anklage in Falle gelockt und ermordet

Das war im Sommer 2023, als der Stendalerin die traurige Mitteilung überbracht wurde, dass ihr Sohn Daniel P. tot im Wasserbecken eines heruntergekommenen Getreidespeichers am Lindenauer Hafen in Leipzig gefunden worden war. Laut Anklage wurde der bisexuelle Mann von seinem Bekannten Kevin R. (20) mit der falschen Aussicht auf Liebesspiele am 28. Juni 2023 in die Ruine gelockt, gefesselt, geknebelt und in einen Wasserschacht geworfen, wo er vermutlich qualvoll erstickte. Kevin R. hob rund zwei Wochen später 550 Euro vom Konto des Opfers ab.

Ehemalige Getreidespeicher am Lindenauer Hafen im Westen Leipzigs. Foto: Lucas Böhme
Ehemalige Getreidespeicher am Lindenauer Hafen im Westen Leipzigs: In der Ruine rechts kam es zu dem Gewaltverbrechen. Foto: Lucas Böhme

In einer Erklärung seines Verteidigers Dr. Malte Heise zum gestrigen Prozessauftakt wurde der äußere Tatablauf mit ein paar Abweichungen eingeräumt. Laut dem Angeklagten habe es Krach um Geld gegeben: Er sei wegen einer nicht eingehaltenen Darlehenszusage zum Kauf eines Kleinkraftrads unendlich wütend auf Daniel P. gewesen und habe sich betrogen gefühlt, so seine Version in Kurzform.

Diebstähle und unsteter Lebenswandel

Für die Mutter des Opfers keine Überraschung: Schon seit 2022 habe sie keinerlei Kontakt mehr zu ihrem Sohn gehabt, erklärte Maja T. am Dienstag. Dieser habe bereits mit 17 Jahren die Heimat Stendal verlassen und sei zu einem deutlich älteren, schwulen Mann in Leipzig gezogen. Ein Ortswechsel, der ihrer Aussage nach durchaus nachvollziehbar war – wegen seiner vielen Lügengebilde und Schulden soll sich der laut seiner Mutter wegen Betrugs vorbestrafte Daniel P. in Stendal Feinde gemacht haben.

Nicht einmal vor der Behauptung, seine Mutter sei tot, schreckte der junge Mann zurück, wenn er sich einen Vorteil davon versprach, so hieß es.

Zu einer wirklichen Stabilisierung seines unsteten Lebenswandels kam es aber auch in Leipzig offenbar nie. Übereinstimmend berichteten mehrere Zeugen aus dem Umfeld von Daniel P. am Dienstag, dass er keinen seiner Jobs lange durchhielt, permanent Geld und Wertgegenstände geklaut haben soll. Seine Partnerschaften habe der junge Mann, dessen Bisexualität allgemein bekannt war, „gewechselt wie die Flops.“

Opfer war Vater eines kleinen Kindes

In der Schönefelder Wohnung seines wesentlich älteren Liebhabers, in der er sich zeitweise aufhielt, soll er sich mit einem Kumpanen an der Münzsammlung vom Wohnungsinhaber bedient und sogar eigenmächtig einen Versuch unternommen haben, dessen Auto zu verhökern, ein Kaufinteressent stand wohl bereits vor dem Haus. „Er hatte immer Geld zur Verfügung und wenn er gekündigt worden ist, wusste man nicht, woher das Geld kommt“, erinnerte sich Andreas S. (Name geändert) am Dienstag als Zeuge.

Der 20-Jährige ist Halbbruder jener heute 24-jährigen Frau, die Daniel P. im Sommer 2019 in Leipzig über eine App kennengelernt und Ende des Jahres geheiratet hatte. Aus der Verbindung ging im Herbst 2020 ein Sohn hervor, doch Daniel P. hatte seiner jungen Ehefrau zur Zeit der Geburt seit Monaten den Rücken gekehrt, nie Unterhalt gezahlt und alle Brücken zur kleinen Familie abgerissen.

Von einem kurzen Treff in den Höfen am Brühl abgesehen, bei dem er seinen Jungen einmal sah, habe sich das auch nie geändert. Als „freundlich, aber hinterlistig“ charakterisierte ihn sein damaliger Schwager. „Er hat eigentlich in jedem zweiten Satz gelogen.“

Daniel P. lebte zeitweise bei älterem Mann

Etwas freundlicher fiel das Urteil von Marvin N. (Name geändert) aus, der Daniel P. vom regelmäßigen Feiern in Leipzig kannte: Der Ermordete sei „eigentlich ein guter Mensch“ gewesen, eine „kleine Dramaqueen“, etwas eigenwillig und in seiner Welt verfangen, meinte der 17-Jährige. Ursprünglich kennengelernt hatte der Teenager den Stendaler über jenen homosexuellen Mann, in dessen Wohnung Daniel P. zuweilen Unterschlupf gefunden hatte.

Jener Franz K. (Name geändert) soll allgemein dafür bekannt sein, jüngere Männer bis hin zu Minderjährigen, oft aus sozial schwachen Verhältnissen und betreuten Wohngruppen, bei sich aufzunehmen – auch ihm habe er mit dem Versprechen, er könne so viel mehr haben, schon durch die Blume ein Partnerschaftsangebot unterbreitet, erzählte Marvin N. der Strafkammer am Dienstag. Gegen den Willen seiner Mutter habe er den Kontakt zu dem älteren Mann vorübergehend heimlich weitergeführt, dessen Offerte aber deutlich abgelehnt, sagte der 17-jährige Schüler.

Fotos von Feiern zeigen sowohl den mutmaßlichen Mörder Kevin R. als auch das spätere Tatopfer Daniel P. in gemeinsamer Runde. Beide bewegten sich offenbar in ähnlichen Kreisen und kannten teils die gleichen Leute – so viel steht aktuell fest. Der Prozess aber ist erst am Anfang und kann noch manche Überraschung bereithalten. Derzeit sind vor der Jugendkammer Gerichtstermine bis 7. Oktober geplant, um zu beleuchten, was zu der Gewalttat führte, mit der das noch junge Leben von Daniel P. ausgelöscht wurde.

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