Das Bundesverwaltungsgericht hat am vergangenen Donnerstag Klagen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) und des Naturschutzbunds (NABU) gegen einen Abschnitt der LNG-Pipeline vor der Insel Rügen abgewiesen. Konkret hatten die Verbände wegen fehlender Umweltverträglichkeitsprüfung und dem beschleunigten Bauverfahren gegen den Planfeststellungsbeschluss des ersten Seeabschnitts der Gasversorgungsleitung von Rügen nach Lubmin geklagt.
Das Bundesverwaltungsgericht sah das Verfahren nach LNG-Gesetz als rechtmäßig an. Die DUH möchte nun gegen die Genehmigung des LNG-Terminals in Mukran vorgehen. Auch der NABU prüft weitere rechtliche Schritte.
„Das für diese Entscheidung maßgeblich verantwortliche LNG-Beschleunigungsgesetz sollte eher den Namen Klimakrisenbeschleunigungsgesetz tragen, da es fossile und klimaschädliche Projekte ermöglicht, die ansonsten nicht realisierbar wären“, so Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH.
„Die Ostsee-Anbindungsleitung und das dazugehörige LNG-Terminal in Mukran sind dafür traurige Paradebeispiele. Die irreversiblen Schäden für das Ökosystem Ostsee, die es mit Umweltverträglichkeitsprüfung wahrscheinlich nicht gegeben hätte, zeigen auf, welche Gefahr das Beschleunigungsgesetz darüber hinaus birgt.“
Gebaut ist besagter Pipeline-Abschnitt bereits. Die DUH war im September 2023 und im Januar 2024 mit Eilanträgen gegen den Weiterbau vor dem Bundesverwaltungsgericht gescheitert. Das Bergamt Stralsund hatte den Weiterbau der Pipeline auf Antrag des Betreibers Gascade im Januar und Februar, also der Laichzeit des Herings sowie der Vogelrastzeit zugelassen.
Kritik an LNG-Gesetz
Das „Gesetz zur Beschleunigung des Einsatzes verflüssigten Erdgases“, kurz LNG-Gesetz, war im Juni 2022 in Kraft getreten, „um wegfallendes Erdgas aus Russland schnell zu ersetzen“, so die Bundesregierung. Es beschleunigt Zulassungs-, Vergabe- und Nachprüfverfahren und ermöglicht Ausnahmen von einer Umweltverträglichkeitsprüfung.
Ebenfalls seit Juni 2022 gilt in Deutschland die 2. Stufe von drei Stufen des „Notfallplans Gas“, die sogenannte Alarmstufe. Diese ermöglicht unter anderem, dass die Bundesregierung unterstützend für die Gasversorgungsunternehmen tätig wird, um die Gasversorgung zu gewährleisten.
Laut der Bundesnetzagentur war die Gasversorgung weder bei der Einführung des LNG-Gesetzes, noch nach aktuellem Stand gefährdet. Seit Beginn der völkerrechtswidrigen Großoffensive Russlands gegen die Ukraine und die einhergehenden Konflikte mit Russland über Deutschlands Gasversorgung stiegen dafür die Gaspreise in Deutschland für die Verbraucher*innen.
Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht kritisierte die DUH, dass eine Gasversorgungskrise überhaupt nicht bestehe und dass LNG nicht geeignet sei, eine mögliche Gaskrise in Deutschland überhaupt zu lösen. Sie stellte außerdem infrage, ob die Ausnahme von der Umweltverträglichkeitsprüfung überhaupt EU-Rechts-konform sei. Die Auswirkungen auch Arten- und Umweltschutz stünden in zudem in keinem Verhältnis zum Nutzen der Pipeline.
Das Bundesverwaltungsgericht stützte sich hingegen in einer Pressmitteilung nach der Urteilsverkündung auf die Alarmstufe des Notfallplans Gas und das LNG-Gesetz selbst und stellte also fest, dass die beschleunigte Zulassung der Gasleitung geeignet sei, „einen relevanten Beitrag zu leisten, um die fortbestehende Krise der Gasversorgung infolge der Einstellung der russischen Gaslieferungen und der Zerstörung der Nord-Stream-Pipelines zu bewältigen.“ Es bestätigte auch die Vereinbarkeit des Gesetzes mit EU-Recht und dem verfassungsrechtlichen Klimaschutzgebot.
Ökosystem vs. Gaslobby
„Trotz voller Gasspeicher und einer irreversiblen Schädigung des Ökosystems und der Ostsee hat das Gericht den Weiterbau der Pipeline erlaubt. Dies zeigt einmal mehr, welch großen ökologischen Schaden das LNG-Beschleunigungsgesetz anrichtet, das die Rechtsgrundlage für den beschleunigten Ausbau der LNG-Anlagen ohne Umweltprüfung ist“, hatte Müller-Kraenner bereits zu den ersten beiden Urteilen des Gerichts geäußert.
Auch Leif Miller, Bundesgeschäftsführer des NABU, kritisierte am Donnerstag: „Das Projekt zementiert die fossile Abhängigkeit bis 2043 und steht stellvertretend für eine ganze Reihe großer Infrastrukturvorhaben. Immer wieder werden deren Auswirkungen kleingerechnet, hier sogar scheibchenweise in Teilprojekte zerlegt, um Umweltfolgen ‚wegzuzaubern‘ oder ohne Umweltverträglichkeitsprüfung lieber nicht so genau hinzusehen.“
In einem Hintergrundpapier der DUH werden die Umweltschäden des Pipelinebaus vor Rügen beleuchtet. Betroffen von dem Bau sind demnach zahlreiche Schutzgebiete, unter anderem „das FFH Gebiet Greifswalder Bodden, Teile des Strelasundes und Nordspitze Usedom, das FFH Gebiet Greifswalder Boddenrandschwelle und Teile der Pommerschen Bucht plus die Vogelschutzgebiete Greifswalder Bodden und südlicher Strelasund“. Und damit der Lebensraum mehrerer geschützter Arten wie dem Seehund, der Kegelrobbe oder dem Baltischen Stör.
Zudem hebt die DUH die hohen CO₂-Emissionen des LNG-Transports und der -Verbrennung hervor, sowie die Schäden, die durch die Gewinnung mittels Fracking in den USA entstehen.
Proteste vor dem Gericht
Nicht nur Klimaverbände schlugen Alarm: Auch die „Bürgerinitiative Lebenswertes Rügen“ hielt in Vertretung eine Rede bei einer Kundgebung vor dem Bundesverwaltungsgericht vor der mündlichen Verhandlung, die bereits am 18. April stattgefunden hatte. Neben zahlreichen Forderungen setzt sich die Initiative auch gegen den Bau der Gaspipeline ein.
Neben den ökologischen Auswirkungen sei auch die Beeinträchtigung für den lokalen Tourismus massiv. Die Initiative will „Eine Novellierung des LNG-Beschleunigungsgesetzes und damit ein Rügen ohne LNG-Terminal“.
Rund 50 Menschen nahmen an der Kundgebung der DUH und der Klimagerechtigkeitsgruppe Ende Gelände Leipzig vor dem Bundesverwaltungsgericht teil. Bis in den Gerichtssaal waren die Parolen schließlich zu hören: „What do we want? Climate Justice!“
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Es gibt 2 Kommentare
MeckPomm hatte dem Bau des LNG-Terminals unter der Bedingung zugestimmt, dass die Vorpommernbahn (Angermünde – Stralsund) für 160km/h ausgebaut wird. Hierzu sollten umgehend die Planungen beginnen. Nun hat das Bundesverkehrsministerium mitgeteilt, dass in absehbarer Zeit keine Planungen beginnen werden. https://www.ndr.de/nachrichten/mecklenburg-vorpommern/Stockende-Verkehrswende-Streckenausbau-Berlin-Ruegen-verzoegert-sich,bahnstrecke428.html
“Grünes Licht für LNG” passender Titel für die zuständigen Entscheider: Wirtschaftsminister + Chef der Bundesnetzagentur (beide mit allergrünstem Parteibuch). Warum protestieren die Typen von Bild 1 nicht auch gegen Rechts-Grün in Form der Partei Bündnis 90/Die Grünen? Vorsichtshalber gleich Bündnis 90/Die Grünen auch nicht im Artikel erwähnt, ebenso wie LNG Lieferant USA. Tod der Ostsee – eure Ampel.