Die meisten Menschen werden sich erinnern: Vor den Bauernprotesten waren Totalblockaden von Straßen, Kreuzungen und Autobahnauffahrten angekündigt. Verbunden war dies mit der Zusage der Protestierenden, dass medizinisches Personal, Pflegekräfte, Rettungskräfte, Feuerwehrleute und auch Menschen, die einer dringenden medizinischen Versorgung bedürfen, auf dem Weg zu ihren Arbeitsstellen bzw. zur medizinischen Versorgung nicht behindert würden, wenn diese sich zu erkennen gäben.
Ist das an diesem Tag geschehen? Wir haben beim Sächsischen Staatsministerium des Innern nachgefragt. Auf die erste Anfrage hin bekamen wir als Antwort eine fast schon akademische Zusammenfassung über Demonstrations- und Veranstaltungsrecht. Das konnte man schon als Ausweichmanöver bezeichnen.
Unsere drei erste Fragen lauteten:
1. Gab es bei den Protestaktionen Totalblockaden?
2. Gab es Fälle, in denen keine Rettungsgassen durch die Protestierenden, aber auch in den durch die Proteste hervorgerufenen Staus, gebildet wurden?
3. Wurden durch die Einsatzkräfte Maßnahmen zur Verhinderung von Totalblockaden durchgeführt oder Maßnahmen zur Strafverfolgung eingeleitet?
Die Antwort fing dann mit einer Definition an: „Vorausstellend wird der Begriff ‚Totalblockaden‘ als Zustand verstanden, bei dem weder Rettungsfahrzeuge noch weitere Verkehrsteilnehmer durchfahren können.“
Ja, das kann man so verstehen.
Ãœber 30 Strafanzeigen am 8. Januar
Die Fragen 1 bis 3 wurden zusammengefasst beantwortet.
„Es kam vereinzelt zu Versammlungen, bei denen zunächst keine Rettungsgassen gebildet wurden. Die Polizei vor Ort gewährleistete dann im Zusammenwirken mit den zuständigen Versammlungsbehörden durch die Erteilung von Auflagen die Durchfahrt von Rettungsdienst und Öffentlichem Nahverkehr. Verkehrsbehinderungen durch Stauerscheinungen im Umfeld der Versammlungen waren nicht gänzlich auszuschließen. Über eine Behinderung von Rettungsfahrzeugen ist hierbei nichts bekannt.
Am 8. Januar 2024 wurden im Rahmen der Versammlungslage im Freistaat Sachsen über 30 Strafanzeigen gefertigt, davon 10 Anzeigen wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz, 8 Anzeigen wegen Nötigung und 3 Anzeigen wegen Gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr. Die Zahlen stellen einen Zwischenstand dar, der sich jederzeit ändern kann, wenn weitere Anzeigen im Nachgang erstattet werden.“
Die Versammlung in Wurzen, die in der Pressemeldung der Polizei Sachsen vom 8. Januar 2024, 13:17 Uhr benannt wird, erfüllt aber schon den Tatbestand einer Totalblockade, schließlich steht darin, dass den Aufforderungen der Polizei, eine Fahrspur freizuhalten, zum ‚überwiegenden Teil‘ nachgekommen wurde. Daraus kann man schließen, dass ein Teil weiter blockierte.
Es ist natürlich nach der Definition des SMI fraglich, ob die Blockaden von Autobahnauffahrten nicht auch „Totalblockaden“ waren.
Polizei weiß nichts von Personenkontrollen
Gefragt hatten wir auch noch: „Konnten durch die vor Ort befindlichen Einsatzkräfte Fälle, in denen die Protestierenden Kontrollen von Fahrzeugen und/oder Personen zwecks Weiterfahrt durchführten, festgestellt werden?“
„Vor Ort befindliche Einsatzkräfte der Polizei konnten keine Vorkommnisse dieser Art feststellen“, antwortet das Innenministerium.
Fazit: Sollten die Protestierenden tatsächlich Kontrollen durchgeführt haben, werden vielleicht noch einige Anzeigen erstattet werden, oder man wird es aus anderen Quellen erfahren. Und: Eine wirkliche Übersicht über die Vorfälle am 8. Januar und an den Folgetagen hat auch das Sächsische Innenministerium (noch) nicht.
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