Am Donnerstag findet vor einer längeren Unterbrechung bis Ende November der vorerst letzte Prozesstag gegen den Sänger und Schauspieler Gil Ofarim statt, der sich vor dem Landgericht Leipzig unter anderem wegen Verleumdung und falscher Verdächtigung eines Hotelmanagers des Westin verantworten muss. Erwartet wird die Fortsetzung eines digitalforensischen Gutachtens zu den Aufnahmen der Überwachungskameras vom Abend des 4. Oktober 2021.
Das Bett blieb kalt, Gil Ofarim übernachtete am 4. Oktober 2021 nach einer MDR-Produktion entgegen der Planung nicht im bekannten Leipziger Hotel Westin – so viel steht fest. Doch war dieser Umstand tatsächlich auf eine antisemitische Beleidigung eines Hotelmanagers zurückzuführen, der den Sänger und Schauspieler aufgefordert habe, seine Kette mit Davidstern abzulegen, um einchecken zu dürfen?
Die Leipziger Staatsanwaltschaft glaubt diese Darstellung Ofarims im Ergebnis ihrer Ermittlungen nicht und hat den 41-Jährigen angeklagt.
Gutachten zu Überwachungsbildern soll bei Aufklärung helfen
Zur Frage, was sich am Abend des 4. Oktober 2021 im Hotel abspielte, erhoffen sich die Prozessbeteiligten konkrete Antworten des digitalen Forensikers Prof. Dr. Dirk Labudde von der Hochschule Mittweida. Der 57-jährige Fachmann hat eine umfangreiche Präsentation erstellt, die mit technischen Hilfsmitteln im Kern zwei Fragen auf den Grund geht: Hat Ofarim die Kette mit Davidstern an dem Abend im Hotel sichtbar getragen? Und ist es möglich, dass es aus der Warteschlange heraus den Zuruf „Pack deinen Stern ein!“ gab, wie es Ofarim in seinem viral gegangenen Video sagte?
Um dies zu beantworten, zerlegte der Experte die insgesamt sieben Videodateien in Einzelbilder, passte Helligkeit und Kontrast an, künstliche Intelligenz kam zum Einsatz, um einzelne Bildausschnitte zu vergrößern. Ein vorläufiger Kernbefund, den der Forensiker am Mittwoch vortrug: Zumindest im Zeitfenster zwischen Gil Ofarims Betreten des Hotels Westin am Abend des 4. Oktober 2021 um 19:21 Uhr und dem Verlassen des Hauses um 19:45 Uhr lässt sich kein helles Objekt ausmachen, das sichtbar wäre und eine Kette mit Davidstern darstellen könne. Erst ab 19:46 Uhr sei dies anders.
Da befand sich Gil Ofarim bereits wieder vor dem Eingang des Hotels, telefonierte und saß mit seinem Gepäck auf dem Bordstein. Etwas verloren und hilflos wirkt er da. Einige Minuten später, gegen 20 Uhr, nahm er dann das kurze Video mit dem Antisemitismus-Vorwurf gegen Hotelmanager W. auf, das am nächsten Tag viral ging.
„Er hat fast schon geflirtet“
Fast zwei Stunden ging es im Gerichtssaal am Mittwoch um Details zur Historie und den Details des Bewegungsablaufs am und im Hotel Westin. Dokumentiert ist, wie Gil Ofarim um 19:17 Uhr vor dem Hotel durch einen Fahrdienst gebracht wurde und zwei Minuten später aus dem Wagen ausstieg. Ofarim sei während der Fahrt freundlich gewesen: „Er war sehr offen, hat fast schon geflirtet“, sagte die Fahrerin Heide B. (40) damals gegenüber der Polizei.
B. war damit beauftragt worden, den Künstler nach einer MDR-Produktion zum gebuchten Hotel zu chauffieren. Er habe ihr auch noch seine Autobiografie geschenkt, mit ihr geplaudert. An eine lange, braune Perlenkette um den Hals Ofarims konnte sich die Fahrerin erinnern, an eine Kette mit Davidstern-Symbol dagegen nicht.
Hotelmanager bestreitet Vorwurf Ofarims
Nach wie vor bemüht sich der aktuell bis 7. Dezember terminierte Prozess vor dem Leipziger Landgericht um Aufklärung, was am 4. Oktober 2021 tatsächlich geschehen war. Während Gil Ofarim bei seiner Version einer antisemitischen Diskriminierung bleibt, bestreitet Hotelmanager W. den Vorwurf vehement. Der 35-Jährige ist im Prozess Nebenkläger und durch einen Anwalt vertreten. Nach seiner Version, deren äußerer Ablauf auch durch einige Hotelgäste bestätigt wurde, habe er Ofarim den Anmeldebogen entzogen und das Einchecken verwehrt.
Grund sei gewesen, dass der Gast mit einer schlechten Bewertung diese Hotels im Internet gedroht habe, nachdem Stammgäste des Hauses aus der Schlange der Wartenden vorgezogen worden seien. Am Abend des 4. Oktober 2021 war das Check-in durch einen technischen Systemausfall verzögert und es hatte sich eine größere Menschenmenge im Eingangsbereich des Hotels gebildet.
Gutachter schließt möglichen Ruf nicht völlig aus
Für Donnerstagnachmittag wird die weitere Erstattung des Gutachtens durch Gutachter Labudde im Gerichtssaal erwartet. Ob es tatsächlich den Ruf eines Hotelgastes „Pack den Stern ein“ gegeben habe, wie in Ofarims Video-Veröffentlichung nahegelegt, sei aus dem tonlosen Material der Überwachungskameras heraus nicht konkret ersichtlich, allerdings auch nicht völlig ausgeschlossen – zumal Gäste des Hotels im Foyer meist nur mit dem Rücken zur Kamera zu sehen sind und wegen der Corona-Pandemie Masken trugen.
Zudem sagte Donnerstagvormittag unter anderem die ehemalige Managerin des Künstlers im Zeugenstand aus. Sie wurde von Ofarim nach dem Vorfall im Hotel angerufen, erlebte ihn nach ihrer Erinnerung sehr aufgebracht. Die jahrelange Zusammenarbeit mit dem Münchner Sänger und Schauspieler habe sie als gute Zeit in Erinnerung: Ofarim habe sich nach ihrer Wahrnehmung stets höflich und zuvorkommend verhalten, erklärte die 45-Jährige.
Der Prozess ging am Donnerstag gegen 12:30 Uhr in die Mittagspause und wird laut Plan ab 14 Uhr fortgesetzt.
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