Am sogenannten โ€žTag Xโ€œ des Lina E.-Prozess wurden in Leipzig rund 1000 Menschen viele Stunden lang von der Polizei am Alexis-Schumann-Platz in einem Kessel festgehalten. Aus Solidaritรคt mit den Gekesselten wollte die Klimagerechtigkeitsgruppe Fridays for Future (FFF) eine Kundgebung abhalten. Das wurde ihr jedoch verboten. Dagegen hat Fridays for Future am letzten Dienstag, dem 10. Oktober, Klage beim Verwaltungsgericht eingereicht. Die Gruppe will nachtrรคglich feststellen lassen, dass das Verbot rechtswidrig war.

Eine Entscheidung in diesem Jahr ist allerdings nicht mehr zu erwarten. LZ Television hat Pauli, Aktivist*in bei FFF Leipzig und Klรคger*in gefragt, wie es zu dem Verbot kommen konnte und was sich FFF von der Klage erhofft.

Warum habt ihr Klage gegen die Stadt Leipzig eingereicht?

Am 3. Juni, der in der Presse als โ€žTag Xโ€œ bekannt ist, wurden รผber 1000 Menschen mehr als 12 Stunden lang in einem Polizeikessel festgehalten. Wir haben am gleichen Abend eine Spontanversammlung bei der Versammlungsbehรถrde angezeigt. Wir wollten Solidaritรคt mit den Menschen, die von der Polizei gekesselt wurden, zeigen.

Diese Versammlung wurde von der Stadt Leipzig unter Berufung auf die Allgemeinverfรผgung verboten. Diese Verfรผgung sollte aber eigentlich nur Versammlungen mit Tag-X-Bezug verbieten. Wir glauben, dass das nicht rechtmรครŸig ist, deshalb haben wir Klage eingereicht.

Der 3. Juni war nicht nur โ€žTag Xโ€œ, sondern auch der Welttag des Fahrrads. Unter diesem Motto hattet ihr auch eine Versammlung angemeldet, die, im Gegensatz zu der anderen Kundgebung, abgehalten werden durfte. Was ist der rechtliche Unterschied zwischen den beiden Versammlungen?

Die beiden Versammlungen haben fast nichts miteinander zu tun, auรŸer dass Fridays for Future (FFF) beide angezeigt hatte. Der 3. Juni ist seit Jahren schon der Welt-Fahrrad-Tag. Als Klimagerechtigkeitsbewegung, die auch fรผr eine nachhaltige Mobilitรคt steht, wollten wir dazu unbedingt etwas machen.

Es war eher Zufall, dass einige Menschen von FFF nach der Versammlung von dem Kessel erfahren haben. Sie sind dorthin gekommen und haben gesehen, welches Unrecht dort passiert und wie menschenunwรผrdig die Menschen in diesem Kessel behandelt werden. Dagegen wollten wir etwas tun. Deshalb haben wir eine Solidaritรคtskundgebung angezeigt.

Mit welcher Begrรผndung wurde sie abgelehnt?

Es wurde mit Verweis auf die Allgemeinverfรผgung abgelehnt. Die sagte im Prinzip aus, dass alle Versammlungen, die nicht bis zu einem bestimmten Stichtag angezeigt wurden und einen Bezug zu Tag X, Lina E. oder dem Antifa-Ost-Verfahren haben, automatisch verboten seien.

Das entstand, glaube ich, aus einer sehr paranoiden Angst der Behรถrden heraus, dass dort ganz groรŸer Krawall passiert. Wir haben dann gesehen, dass der Krawall grรถรŸtenteils von der Polizei ausging, die teils 12-Jรคhrige รผber 12 Stunden lang ohne Toilette, ohne Trinken und Essen oder Decken รผber Nacht gefangen gehalten hat.

Als Klimagerechtigkeitsbewegung, die sich nicht nur fรผr Klima, sondern auch fรผr Gerechtigkeit und Versammlungsfreiheit einsetzt, wollten wir sowas nicht einfach stehen lassen.

Welcher konkrete Grund wurde euch fรผr das Verbot genannt?

Die Versammlungsbehรถrde unterstellt uns einen Tag-X-Bezug, aufgrund verschiedener Faktoren. Neben Ort und Zeit der Versammlung war das auch, weil wir uns allgemein mit Anti-Repression beschรคftigen wรผrden, dass FFF in der Vergangenheit auch Antifa-Banner auf den Demos hatte und noch viele weitere Grรผnde.

Ihr habt nun Klage gegen das Verbot eingereicht. Kurz vor dem Tag X war ein angefochtenes Versammlungsverbot bereits gerichtlich bestรคtigt worden. Warum denkt ihr, dass ihr in diesem Fall Aussicht auf Erfolg habt?

Zum einen wurde die Versammlung, die dann vom Bundesverfassungsgericht (hier liegt offenbar eine sprachliche Verwechslung vor, denn tatsรคchlich hatte das Oberverwaltungsgericht die Demo vorab untersagt, Anm. d. Red.) verboten wurde, nicht aufgrund der Allgemeinverfรผgung verboten. Es gab ein ordentliches Verbotsverfahren. Das gab es fรผr uns gar nicht. Wir hatten keine Mรถglichkeit, vor Ort Rechtsmittel einzulegen.

Auf der anderen Seite war die (bereits zuvor verbotene) Versammlung eine Tag-X-Versammlung. Das war unsere Versammlung nicht. Wir wollten nur unsere Solidaritรคt mit den Menschen im Kessel zeigen.

Was erwartet ihr euch von der Klage?

Natรผrlich ist am Anfang von einem Klageverfahren noch nicht absehbar, wer gewinnen wird. Aber wir wรผrden natรผrlich keine Rechtsmittel einlegen, wenn wir nicht denken wรผrden, dass wir eine Chance auf Erfolg haben.

Wir wollen mit einer positiven Entscheidung ein Zeichen dafรผr setzen, dass die Versammlungsfreiheit sich nicht so leicht einschrรคnken lรคsst und dass zivilgesellschaftliche Organisationen Rechtsmittel einlegen, wenn es versucht wird. Wir beobachten gerade, dass der sรคchsische Staat das Versammlungsrecht massiv einschrรคnken will, zum Beispiel durch das neue Versammlungsgesetz.

Es begrenzt die Mรถglichkeiten fรผr linke Demonstrationen immer weiter. Das wollen wir nicht unkommentiert auf uns sitzen lassen.

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Es gibt 2 Kommentare

@Der Michel: Der Fehler ihres Kommentars liegt im fehlendem Textverstรคndnis. SchlieรŸlich geht es schlicht um die RechtmรครŸigkeit von Verwaltungshandeln in Bezug auf Grundrechte. Wie man Aktivismus fรผr Klimaschutz und folglich eine gewรผnschte ร„nderung der Politik als unpolitisch herbei fabulieren kann bleibt ebenso unverstรคndlich. Da es z.B. aktuell im Bundestag keine linke Partei , gar linke Parteiflรผgel (gekennzeichnet durch z.B. Friedenspolitik, soziale Gerechtigkeit, Solidaritรคt) mehr gibt, dรผrfen Ursachen eher im rechten Spektrum gefunden werden.

Fridays for future hat es sich in einer selbstzitierenden und selbstreferenzierenden linken Blase bequem gemacht. Jede als links interpretierte Meinung wird begierig aufgenommen und mitvertreten. Klimaschutz wird immer mehr nur zu einem Thema unter vielen. โ€œDu, wir gehen heute auf die Demo, kommst Du mitโ€. โ€œZu welcher dennโ€? โ€œEgal, jede ist wichtig.โ€
Ich habe mal gelesen, dass sich FFF am Anfang explizit als unpolitisch und sachorientiert verstanden wissen wollte. Aber das ist lange her. Die Chance, weitere Teile der gesellschaftlichen Mitte zu erreichen, war schwierig und so hat man als Zielgruppe die, die man sowieso schon hat. Und so sieht man sich auf jeder Demo wieder โ€“ Hauptsache das linke Familiengefรผhl lebt und man freut sich, immer die gleichen Leute zu treffen.
Klar, unter Linken sind endlose (polemisch gesagt: oft langweilige) Diskussionen sehr beliebt und man kann jedes Thema durch stundenlanges Argumentieren politisieren.
FFF und Letzte Generation haben meines Erachtens noch nie so viel Energie darauf verwendet, auรŸerhalb ihrer Peergroup um Zustimmung zu kรคmpfen. Dies ist viel zu anstrengend, da โ€œรผberzeugtโ€ man eben die, die man gar nicht erst รผberzeugen muss. Der โ€œDurchschnittsbรผrgerโ€ wird sehr herablassend betrachtet und wer im Besitz der unumstรถรŸlichen Wahrheit ist, nimmt sich von seinem moralischen Standpunkt aus das Recht heraus, mit anderen gar nicht erst das Gesprรคch zu suchen.

Dass Greta Thunberg sich jetzt aktuell mit antisemitischen ร„uรŸerungen exponiert, passt auch ins Bild. Sie spricht von Genozid in Palรคstina โ€“ und die Massaker der Hamas und die Tatsache, dass die einen brutalen รœberfall auf Israel begangen haben, erwรคhnt sie mit keiner Silbe. Solche Haltungen sind in der Linken ja bedauerlicherweise weit verbreitet. Bei deutschen Linken gibt es zwar auch eine grรถรŸere Gruppe, die sich mit Israel solidarisch erklรคrt, doch auch hier ist die Verklรคrung der Palรคstinenser mindestens genauso groรŸ. Und unter Linken im Ausland? Man denke nur an den unseeligen Ex-Labour-Chef Jeremy Corbyn, der extremer Judenfeind ist.
Bรถsartige Ironie des Schicksals: Die Hamas hat bei ihrer Attacke u.a. auf einem Techno-Festival hunderte junge Menschen regelrecht abgeschlachtet und einige als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Genau die Generation als Opfer, deren Altersgenossen hauptsรคchlich fรผr FFF unterwegs sind โ€“ und die sich jetzt zu weiten Teilen hingegen mit den Palรคstinensern solidarisch erklรคrt. Finde den Fehler.

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