In der Gemeinde Parthenstein bei Leipzig ging 2021 und 2022 die Angst vor einem Feuerteufel um. Immer wieder brannten vor allem Heuballen, aber auch beispielsweise Mülltonnen oder ein Ferienhaus. Dazu kamen Ölflecken und angesägte Baumstämme, die zu schlimmsten Unfällen hätten führen können. Jetzt stehen vier Verdächtige vor dem Landgericht Leipzig.
Vier junge Männer betreten am Montagmorgen nacheinander den großen Saal des Leipziger Landgerichts. Sie sind erst 19, 20, 23 und 24 Jahre und wollen nicht erkannt werden, verbergen ihre Gesichter schamhaft hinter Schreibblöcken oder Ordnern, während sie neben ihren Verteidigern auf den Beginn der Verhandlung warten. Sie müssen sich vor einer Jugendkammer verantworten, weil nur einer von ihnen zum Zeitpunkt der vermuteten Taten als erwachsen galt.
Serie an Brandlegungen und hoher Schaden
Und diese Taten haben es in sich. Staatsanwalt Moritz Diekmann listet in seiner umfangreichen Anklageschrift insgesamt 29 Komplexe auf, die sich zwischen Juni 2021 und Mai 2022 in allen Ortsteilen der Gemeinde Parthenstein (Landkreis Leipzig) ereigneten. Oft geht es dabei um das gezielte Anzünden von Strohballen, die sich sowohl im Eigentum von Privatleuten als auch einer Agrargenossenschaft befanden. Aber auch beispielsweise Mülltonnen, Stapelholz und ein Ferienhaus fielen der Feuersbrunst zum Opfer.
Letzteres geschah Anfang Januar 2022, der Sachschaden betrug allein hier fast 180.000 Euro. Einsatzkräfte konnten die Hütte damals nicht mehr retten, aber zumindest ein Übergreifen der Flammen auf Bäume verhindern.
Die vier Angeklagten sollen in wechselnder Besetzung agiert haben, Niko S.* (20), der in der ersten Reihe sitzt, soll laut Anklage jedoch immer dabei gewesen sein.
Tückisch: Baumstamm und Ölspuren auf der Straße
Das gilt auch für gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr, die der Staatsanwalt dem Quartett zusätzlich anlastet. Mehrfach hätten Teile der Gruppe Bäume angesägt, um sie zu Fall zu bringen. Meist scheiterte dies und die Einschnitte wurden bei Routine-Kontrollen entdeckt. Einmal jedoch prallte tatsächlich ein PKW auf einen umgestürzten Baumstamm und erlitt Totalschaden, 18.000 Euro. Das war im Oktober 2021.
Und damit nicht genug: Zweimal sollen absichtlich Ölspuren auf der Fahrbahn gelegt worden sein, im April 2022 über 500 Meter, einen Monat später ganze 7 Kilometer lang. Zum Glück wurde die Flüssigkeit beizeiten bemerkt, ohne dass es zu einem Crash kam. Ungefähr zu dieser Zeit hatte die Kripo bereits die Verdächtigen im Visier. Mindestens drei von ihnen gehörten der Freiwilligen Feuerwehr an.
Verteidiger fürchtet Nachteile für seinen Mandanten
Schon kurz nach Anklageverlesung stellt der Verteidiger von Niko S.*, der als einziger überall mitgemacht haben soll, einen Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit vom Prozess: Sein Mandant werde sich zwar umfassend zum Vorwurf äußern. Aber: „Das Verfahren ist seit längerer Zeit von beträchtlichem medialen Interesse begleitet“, so Rechtsanwalt Ingo Stolzenburg. Er fürchte Nachteile für die persönliche, soziale und berufliche Perspektive seines Klienten, der als einziger der Angeklagten vorübergehend in Untersuchungshaft saß und später unter Auflagen freikam.
Der 20-Jährige leide unter einer Angst- und Anpassungsstörung sowie depressiven Reaktionen, sein persönlicher Lebensbereich müsse geschützt bleiben. Derzeit werde der junge Mann psychotherapeutisch begleitet.
Gericht folgt Antrag und schließt Öffentlichkeit weitgehend aus
Die Kammer unter dem Vorsitzenden Michael Dahms nimmt sich etwa anderthalb Stunden Zeit, den Antrag zu beraten, gibt ihm aber dann statt: Interessierte Prozessbeobachter und Journalisten müssen den Gerichtssaal räumen und dürfen erst am Tag der Urteilsverkündung wieder Platz nehmen. Bis dahin kann es dauern: Das Gericht hat eine Vielzahl an Zeugen geladen, zudem wollen bis auf einen alle Angeklagten laut ihrer Anwälte eine Aussage zur Anklageschrift machen.
Ob sich dann auch die rätselhafte Frage nach einem möglichen Tatmotiv aufklärt? Der Umstand, dass wenigstens drei der jungen Männer zur Freiwilligen Feuerwehr gehörten, legt nahe, dass es um den Wunsch nach Selbstprofilierung und Anerkennung beim Einsatz gegangen sein könnte. Ob sich das bewahrheitet, muss die weitere Verhandlung zeigen. 15 Prozesstage sind aktuell bis Mitte November anberaumt.
Im Publikum saßen am Montag auch mehrere Elternteile der Angeklagten. Was er davon halte, dass er beim Prozess nun nicht dabei sein dürfe, wird einer gefragt. „Na ja, so ist eben das Recht“, meint er nur.
*Name geändert.
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