Wie will man in Deutschland eigentlich gegen Klimazerstörung demonstrieren, wenn der Protest gegen klimaschädliche Geschäftsmodelle kriminalisiert wird? Wenn Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten vor Gericht landen, weil ein Konzern wie DHL den Protest einfach mit hypothetischen Geschäftsschäden aufwiegt? Am Freitag, 16. Juni, findet um 11 Uhr vor dem Landgericht Halle der Auftakt des Prozesses von DHL gegen 54 Klimaaktivist/-innen statt.
Der Logistik-Konzern DHL versucht aktuell von einer Gruppe Flughafen-Gegner/-innen eine Summe von bis zu einer halben Million Euro zu erklagen. Die Kampagne „Repression Nicht Zustellbar“ kritisiert das rabiate Vorgehen des Großkonzerns als Einschüchterungsversuch.
Hintergrund ist eine angemeldete Protest-Kundgebung, die am 9. Juli 2021 gegen den klimaschädlichen Flughafenausbau Leipzig/Halle stattfand.
„Wenn alle, die legitimen Klima-Protest durchführen, Angst haben müssen, von einem Großkonzern vor Gericht geschleift zu werden, dann haben wir ein Demokratie-Problem!“, sagt Luka Scott, Sprecherin von „Repression Nicht Zustellbar“. „DHL, falls ihr es ernst meint mit eurem Slogan ‚GoGreen‘, dann lasst die Klage gegen mich und die anderen Aktivist/-innen fallen!“
DHL ist kein klimafreundlicher Konzern. Er verursacht jedes Jahr 29 Millionen Tonnen CO₂. Davon entfallen 65 Prozent allein auf den Lufttransport – also knapp 19 Millionen Tonnen. Wenn der Konzern ernsthaft an einer Klimaneutralität arbeiten würde, würde er den Luftfrachtverkehr deutlich reduzieren und die Sendungen auf die Schiene verlagern. Das wäre auch in Leipzig möglich. Der Umschlagplatz auf die Schiene befindet sich direkt am Flughafen.
Wenn im straßengebundenen Flottenbetrieb auf E-Transporter umgerüstet wird, hat das einen deutlich geringeren Effekt.
Dass DHL am 9. Juli 2021 einen geschäftlichen Schaden erlitten hat, dürfte schwer zu belegen sein, denn die Protestierenden von cancelLEJ blockierten nur ein Tor – ein zweites Tor war offen und die Lieferfahrzeuge konnten dort unbehelligt ein- und ausfahren.
Aber DHL geht zivilrechtlich vor. Und das mit einem Klageaufwand, den man tatsächlich nur noch als juristische Einschüchterung bezeichnen kann.
Aktuell werden sechs Gerichtsprozesse gegen sechs einzelne Aktivist/-innen geführt. Am Freitag steht die erste Person vor Gericht. Dennoch wären – falls DHL in einem dieser Prozesse gewinnt – aufgrund zivilrechtlicher Besonderheiten alle 54 Aktivist/-innen von den dann ausstehenden Geld-Forderungen juristisch betroffen. Die sechs Aktivist/-innen wurden willkürlich, ohne Angabe von Gründen durch die Anwält/-innen von DHL ausgewählt.
Aus verfahrenstechnischen Gründen beträgt der anfängliche Streitwert aber lediglich 84.000 Euro – so hält DHL die Gerichtskosten gering, die das Unternehmen vorschießen muss. In der Klageschrift schreibt DHL aber deutlich, dass der Konzern eine höhere Summe erklagen will. Dafür will der Großkonzern einen Feststellungsantrag stellen.
Der Flughafen LEJ ist einer von drei Hauptstandorten von DHL weltweit und gilt bereits jetzt als der klimaschädlichste Flughafen Deutschlands. Allein hier wurden durch Starts und Landungen jededs Jahr über 6 Millionen Tonnen CO₂ emittiert. Durch den geplanten Ausbau würde die Menge auf 10 Millionen Tonnen anwachsen. Die Proteste gegen diese Expansion finden gemeinsam mit den Bürgerinitiativen vor Ort statt: Seit über 17 Jahren kämpfen diese gegen den Fluglärm, der vor allem die Nacht verlärmt.
Es gibt 2 Kommentare
“Allein hier wurden durch Starts und Landungen jedes Jahr über 6 Millionen Tonnen COâ‚‚ emittiert. ”
Aus welcher Quelle dieser Wert kommt, würde mich mal interessieren. Da ich nur ein Vergleichswert für den Frankfurter Flughafen von 189.000 Tonnen CO₂ im Jahr 2018 gefunden habe. Wobei der Frankfurter Flughafen mehr Tonnen Güter umschlägt und fast die 4 fache Menge an Starts und Landungen hat. (Quelle Frankfurter Allgemeine vom 09.01.2020)
“Im Zivilprozess am Landgericht Halle gegen eine Klimaaktivistin hat das Logistikunternehmen DHL einen Vergleich angeboten. Der Anwalt der DHL Hub Leipzig GmbH sagte zum Auftakt der Verhandlung, die Beklagte werde von den Schadenersatzansprüchen freigestellt, wenn sie den Vergleich annehme. Zudem solle sie 80 Arbeitsstunden in einem Aufforstungs- oder Naturschutzbetrieb leisten oder ersatzweise 15 Euro pro Stunde zahlen. Die Prozesskosten sollen dem Angebot von DHL zufolge zwischen den beiden Parteien aufgeteilt werden.” https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen-anhalt/halle/halle/dhl-klage-klimaaktivistin-schadensersatz-prozess-verzicht-102.html