Das pauschale Versammlungsverbot, wie es die Sächsische Corona-Schutz-Verordnung am 17. April 2020 vorgeschrieben hatte, war unverhältnismäßig. Dies geht aus einer Entscheidung hervor, welche das Bundesverwaltungsgericht (BVG) in Leipzig am heutigen Mittwoch bekannt gab. Damit konnte ein privater Kläger zumindest einen juristischen Teilerfolg verbuchen.
In seinem am Mittwoch, dem 21. Juni veröffentlichten Urteil bezog sich das BVG in Leipzig auf die Sächsische Corona-Schutz-Verordnung vom 17. April 2020, welche damals angesichts der pandemischen Situation in § 3, Abs. 1, Satz 1 festgelegt hatte: „Alle Veranstaltungen, Versammlungen und sonstige Ansammlungen sind untersagt.“
Laut Gericht schwerwiegender und unverhältnismäßiger Eingriff in Grundrechte
Diese Bestimmung stellte, so befanden die Richter in Leipzig, auch im Verhältnis zum richtigen Ziel der Infektionsverhinderung einen zu schwerwiegenden Eingriff in die grundgesetzlich geschützte Versammlungsfreiheit dar. Dies gelte selbst dann, wenn der Verordnungsgeber annehmen konnte, dass etwa Abstandsgebote und andere Auflagen die Ansteckungen nicht gleichermaßen bremsen wie ein Totalverbot.
Zwar hatte Sachsen im Absatz 3 des genannten Paragrafen Ausnahmegenehmigungen auf Antrag möglich gemacht, „soweit dies aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar ist.“
Dieser Vorbehalt habe die Massivität des Grundrechtseingriffs jedoch nur unwesentlich abgemildert. Insbesondere rüffelte das BVG den Freistaat, weil das Hintertürchen einer Ausnahme auf Antrag nicht erkennen ließ, unter welchen Bedingungen eine Versammlung mit Beachtung des Infektionsschutzes vertretbar sein könnte. Zudem habe selbst dann eine Genehmigung letztlich im Ermessen der Behörde gestanden.
Totalverbot mit nebulösem Vorbehalt unzulässig
Dass Gesundheit und Leben vieler Menschen im Frühjahr 2020 durch die Pandemie ohne Zweifel gefährdet waren, betonte auch der Senat in seiner Entscheidung. Allerdings sah der Gesetzgeber wegen einer Verlangsamung des Infektionsgeschehens im April 2020 wieder Spielräume für Lockerungen gegenüber einer Vorgänger-Verordnung vom 31. März 2020, kontextualisierten die Richter das Geschehen seinerzeit.
Dieser Lage wurde ein pauschales Verbot von Versammlungen mit einem lediglich nebulösem Vorbehalt nicht gerecht, so das BVG: „Der Verordnungsgeber hätte selbst regeln müssen, unter welchen Voraussetzungen Versammlungen infektiologisch vertretbar sein können, um zumindest Versammlungen unter freiem Himmel mit begrenzter Teilnehmerzahl unter Beachtung von Schutzauflagen wieder möglich zu machen. Nur so hätte er die erforderliche Rechtssicherheit für Bürger und Behörden schaffen können.“
Weiterer Antrag des Klägers verworfen
Mit dieser Entscheidung kippte das BVG eine Entscheidung der Vorgängerinstanz von Ende 2021 zumindest teilweise: Das Sächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) hatte die von einem Mann aus Dresden eingereichte Klage noch komplett verworfen und das allgemeine Verbot vom Infektionsschutzgesetz gedeckt gesehen.
Der Kläger, der mit vielen Punkten der Verordnung nicht einverstanden war und dem es verwehrt blieb, ohne Sonderantrag dagegen vor dem Sozialministerium in Dresden mit Gleichgesinnten zu demonstrieren, bekam nun in diesem Punkt recht. Auch durfte er sich laut eigener Aussage ohne Sondererlaubnis damals nicht mit zwei weiteren Personen in seiner Wohnung zusammensetzen, um zu debattieren und ein Engagement gegen die Maßnahmen zu planen.
Abgewiesen wurde dagegen sein Antrag, wonach auch die Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 Metern im öffentlichen Raum (§ 2, Abs. 2 der Sächsischen Schutz-Verordnung vom 17. April 2020) für unwirksam hätte erklärt werden sollen: Dies sei laut BVG nicht zu beanstanden.
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