Über siebeneinhalb Jahre nach einem nächtlichen Angriff auf die Privatwohnung des damaligen sächsischen Justizministers Sebastian Gemkow (CDU) in Leipzig verurteilte das Landgericht einen 43-Jährigen in zweiter Instanz zu einer Geldstrafe. Ein vorheriger Freispruch wurde damit aufgehoben. In einem anderen Verfahren waren zwei Verdächtige freigesprochen worden.
Jens E. ist schuldig der Sachbeschädigung und versuchten gefährlichen Körperverletzung – zu diesem Schluss kam das Leipziger Landgericht am Montag und verurteilte den 43-jährigen Mann zu einer Geldstrafe in Höhe von 4.800 Euro sowie den Verfahrenskosten. Nach Überzeugung der 4. Strafkammer soll der Familienvater Teil der Gruppierung gewesen sein, die am frühen Morgen des 24. November 2015 eine Erdgeschosswohnung im Leipziger Süden mit Pflastersteinen und Buttersäure attackiert hatte.
Perfider Angriff galt womöglich nicht dem Minister
Dort lebten CDU-Politiker Sebastian Gemkow, damals Justizminister von Sachsen, sowie seine Ehefrau und die zwei kleinen Töchter. Sie schreckten durch den Lärm in einem Nebenzimmer aus dem Tiefschlaf hoch. Die Familie blieb unverletzt, musste aber nach dem Anschlag aus der Wohnung ausziehen. Der Sachschaden betrug etwa 10.900 Euro. Über die Hintergründe des perfiden Säureangriffs auf die Wohnung von Gemkow, heute Wissenschaftsminister Sachsens im Kabinett Kretschmer II, war lange spekuliert worden.
Vermutet wurde vielfach, dass die Angreifer eigentlich gar nicht den CDU-Politiker im Visier hatten, sondern den benachbarten Vertrieb eines bei Linken beliebten Modelabels.
Angeklagter beteuerte Unschuld und lieferte eigenartige Erklärung
Mit der verhängten Geldstrafe kippte das Landgericht einen Freispruch der Vorinstanz: Ende 2021 hatte Jens E. sich vor dem Amtsgericht verantworten müssen und dort seine Unschuld beteuert, er sei kein Steinewerfer und kenne Leute mit derlei Plänen nicht. Die DNA auf einem der Steine, welche die Ermittler auf seine Spur gebracht hatte, erklärte er damals damit, er habe am Vorabend auf einer Legida-Demonstration auf dem Richard-Wagner-Platz einen Stein von einem Unbekannten in die Hand gedrückt bekommen. Von einer „ungewöhnlichen Situation“ sprach daraufhin die Vorsitzende Richterin.
Dennoch sprach das Schöffengericht Jens E. letztlich wegen zu großer Zweifel frei. Die Staatsanwaltschaft wollte sich damit nicht abfinden und legte Rechtsmittel ein. Sie hatte zehn Monate mit Bewährung verlangt.
Teil der Strafe gilt als vollstreckt
Im Berufungsprozess vor dem Landgericht hatte Jens E., der auch im Zusammenhang mit dem rechtsextremen Überfall auf Connewitz bereits verurteilt wurde, zunächst geschwiegen, aber durch seine Verteidigung erklären lassen, er halte weiterhin an seiner Version des Geschehens fest und sei unschuldig. Das Gericht kam zu einem anderen Schluss und verhängte 120 Tagessätze zu je 80 Euro, von denen die Hälfte wegen des langen Verfahrens bereits als vollstreckt gilt. Somit bleibt es bei 4.800 Euro Geldstrafe. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, eine Revision zum Oberlandesgericht ist möglich.
Hauptverfahren endete mit zwei Freisprüchen
Ein Hauptverfahren zum Fall Gemkow hatte schon 2017 begonnen. Einen der beiden Verdächtigen, einen Autoverkäufer aus Nordrhein-Westfalen, sprach das Amtsgericht seinerzeit frei, hier wurde von einer Zufallsübertragung seiner DNA ausgegangen. Sein Mitangeklagter, der massiv vorbestrafte Hooligan Thomas K. aus Leipzig, bekam dagegen zunächst eine Haftstrafe von über zwei Jahren.
Diese wurde 2019 jedoch vom Landgericht in der Berufung kassiert: Trotz großer Bauchschmerzen, da man nicht von der Unschuld Thomas K.s überzeugt sei, waren die Zweifel selbst mit gesicherter DNA letztlich zu groß, sagte der Richter. K. erhielt einen Freispruch, die Staatsanwaltschaft verzichtete darauf, das Urteil anzufechten.
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