Er soll zufällig über einen Drogenbunker gestolpert sein, doch seine Aussage hat keine Beweiskraft: Im Prozess gegen Maximilian S. und vier weitere Männer vor dem Leipziger Landgericht entschied die Kammer am Mittwoch, dass ein Wohnungsvermieter aus Leipzig-Leutzsch nicht weiter als Zeuge befragt werden kann. Dessen ungeachtet biegt der Prozess wegen illegalen Handels mit Betäubungsmitteln am Landgericht wohl auf die Zielgerade ein.
René K. wird kein weiteres Mal in den Zeugenstand treten. In ihrem Beschluss untersagte die 8. Strafkammer die Verwertung seiner Aussagen, da die Polizei nur aufgrund von Abhörmaßnahmen auf den heute 54-Jährigen aufmerksam geworden war. Doch die waren der Rechtslage nach unzulässig – und damit können daraus gewonnene Erkenntnisse nicht vor Gericht verwertet werden.
Prozess seit Januar 2023
Dabei ist anzunehmen, dass René K. durchaus ein paar interessante Details zu erzählen hätte. Denn während eines kurzen Zeitraums von Mitte November bis Anfang Dezember 2019 vermietete der Mann nach Kenntnissen der Ermittler eine Wohnung in der Franz-Flemming-Straße an Rechtsanwalt André R. (43). Dieser wiederum habe die Anmietung für seinen Mandanten Friedemann G. (36) vorgenommen, der sich laut abgegebener Geständnisse Ende 2018 mit dem als „Kinderzimmer-Dealer“ bekannt gewordenen Maximilian S. (28) zusammentat, um ein gemeinsames Rauschmittel-Geschäft im Internet aufzuziehen.
Das Trio sitzt seit 23. Januar als mutmaßliche Drogenbande auf der Anklagebank, dazu mit Jens M. (40) und Julius M. (24) zwei weitere Männer wegen Beihilfe zum illegalen Handel mit Betäubungsmitteln. Zwischen April 2019 und Januar 2021 sollen laut Staatsanwaltschaft rund 20 Kilo berauschender Substanzen versandt worden sein.
Gericht sieht Beweisverwertungsverbot
Doch ob sich die Annahme einer Drogenbande überhaupt bewahrheitet, scheint inzwischen mehr als fraglich. Im Strafrecht wird erst dann von einer Bande gesprochen, wenn sich mindestens drei Personen zur Begehung von Straftaten zusammentun.
Im Gegensatz zu Friedemann G. und Maximilian S., die ihr gemeinsames Drogen-Business weitgehend übereinstimmend gestanden, ließ Rechtsanwalt R. durch seinen Anwalt erklären, er habe mit Betäubungsmitteln nichts zu tun gehabt. Auch habe er nicht gewusst, dass die gemieteten Räumlichkeiten als Lager für Rauschgift und Geld dienen sollten.
Die Krux dabei: Für die Ermittlungsbehörden, die im Frühjahr 2019 durch einen anonymen Tipp auf das virtuelle Drogen-Kaufhaus mit dem schönen Namen „Candylove“ aufmerksam gemacht worden waren, waren der 2015 als „Kinderzimmer-Dealer“ verurteilte Maximilian S. und dessen Knastkumpel Friedemann G. wohl so etwas wie alte Bekannte.
Doch Jurist André R., langjähriger Anwalt Friedemann G.s, geriet erst durch Maßnahmen der Telekommunikations-Überwachung (TKÜ) ins Visier der Fahnder. Weil ein Anwalt zwangsläufig als Berufsgeheimnisträger gilt, dem Mandanten potenziell persönlichste Angelegenheiten anvertrauen, dürfen solcherlei Gespräche dem Gesetz nach nicht abgehört, geschweige denn in einer gerichtlichen Beweiserhebung verwertet werden.
Vermieter stieß auf Bunkerwohnung
Aber erst durch die TKÜ fand auch der Name des Wohnungsvermieters René K. den Weg in die Protokolle, der daraufhin im Jahr 2021 als Zeuge zu einem Polizeiverhör geladen worden war – so schilderte es der 54-Jährige vergangene Woche im Gerichtsaal. Denn offenbar hatte der Vermieter die Räume der angemieteten Wohnung in Leutzsch wegen technischer Probleme betreten und war ob der dort gelagerten Pillen sofort stutzig geworden, er habe Anwalt R. daraufhin erbost zur Rede gestellt.
Man sei in heller Aufregung gewesen, weil man Angst hatte aufzufliegen, so heißt es jedenfalls aus Ermittlerkreisen.
Doch da diese Kenntnis nach Meinung der Kammer auf einer unrechtmäßigen TKÜ fußt, spielen derlei Details für die Beweisaufnahme im Prozess keine Rolle mehr. Ein Versuch von Staatsanwalt Christian Kuka, René K. zur Entstehung des Mietverhältnisses zu befragen, war bereits vergangenen Mittwoch durch die Verteidigung gestoppt worden.
Verfahren gegen Mitangeklagten abgetrennt
Daneben verkündete die Kammer den Beschluss, dass bei einer Razzia 2020 beschlagnahmte Datenträger nicht wieder an Maximilian S. ausgehändigt werden. Die Speichermedien hätten immer noch potenzielle Beweiskraft, allerdings konnten die Zugänge bisher nicht geknackt werden und ihre Entschlüsselung dürfte dem Vernehmen nach selbst mit leistungsstarken Rechnern Jahre dauern.
Das Verfahren gegen den Mitangeklagten Julius M. wurde am Mittwoch zudem kurzerhand abgetrennt. Der 24-Jährige, der für jeden Prozesstag von außerhalb nach Leipzig anreisen muss, hatte sich laut Mitteilung seines Anwalts René Bast im Hotel übergeben und erschien gar nicht erst vor Gericht. Ob er gesundheitlich länger ausfällt, blieb zunächst unklar.
Die Funktion des nicht vorbestraften jungen Mannes beschränkte sich offenbar auf die eines Vertriebsgehilfen, der gegen Pauschalbezahlung und Mietkosten Drogenbestellungen abwickelte. Teil einer Bande war er laut aktuellem Wissensstand nicht, so die Kammer.
Urteil schon in einer Woche?
Der Prozess wird am 17. Mai fortgesetzt. Nach Auskunft des Gerichts könnten dann womöglich die Plädoyers starten, selbst eine Urteilsverkündung bereits in einer Woche wird nicht ausgeschlossen. Vorsichtshalber sind aber noch Termine im Juni vorgesehen.
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