Seit gestern stehen fünf Menschen wegen Widerstands, tätlichen Angriffs auf Polizeibeamte, Vermummung und Verstößen gegen das Sprengstoff- und Waffengesetz vor Gericht. Vor fast vier Jahren sollen sie an einer Spontanversammlung in Connewitz teilgenommen haben. Anlass war der rechtsterroristisch motivierte Angriff an Jom Kippur auf eine Synagoge in Halle (Saale). Die Spontanversammlung trug ein Frontbanner mit dem Adorno-Zitat „Dass Auschwitz sich nie wiederhole …“ und eine Israel-Flagge.
Am Mittwoch startete nun der Prozess gegen die fünf angeklagten Personen im Alter von 26 bis 39 Jahren mit dem Verlesen der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft und den ersten Zeugen. Zwei weitere Termine sind bereits für die Verhandlung vor dem Amtsgericht Leipzig angesetzt, der nächste am 6. Juni 2023. Der Vorgang bezüglich der gesamten Versammlung liegt beim Staatsschutz.
Widerstand gegen die Polizei sei rechtmäßig
Laut der Staatsanwaltschaft bewegte sich die Spontanversammlung am 9. Oktober 2019 mit ungefähr 80 Menschen über das Connewitzer Kreuz, in die Fichtestraße und dann stadtauswärts auf die Bernhard-Göring-Straße. An der Ecke zur Richard-Lehmann-Straße hielt die Polizei den Aufzug mit einer Auto-Sperre an. Daraufhin sei ein lauter Ruf „Auflösen! Auflösen! Löst euch auf!“ zu hören gewesen und die Teilnehmenden liefen in unterschiedliche Richtungen davon.
Laut Staatsanwaltschaft habe eine der angeklagten Personen sich mit einem Bengalo auf eines der Polizeiautos zubewegt. Als sie von einem Polizisten aufgehalten wurde, habe sie billigend Verletzungen des Beamten in Kauf genommen. Außerdem hatte die Person weiteren Sprengstoff ohne Genehmigung bei sich. Den anderen wird vorgeworfen, sich gegen das Festhalten durch Polizeibeamte mit Gewalt gewehrt oder versucht zu haben, andere aus dem Griff der Polizisten zu befreien.
Videoaufnahmen der Polizist*innen stellen diese Darstellung jedoch infrage. Laut Daniel Werner, Anwalt eines Angeklagten, habe die Polizei, wie auf den Aufnahmen zu sehen, die Versammlung nicht aufgelöst, sondern die Teilnehmenden durch ihre Handlungen, also das Absperren und Festhalten, daran gehindert, weiter Teil der Versammlung zu sein. Denn auch Spontanversammlungen werden von der Versammlungsfreiheit in Deutschland, die als hohes Gut sogar im Grundgesetz festgelegt ist, geschützt. Eine Versammlung kann deshalb nicht einfach aufgelöst werden. Auch muss für die Teilnehmenden die An- und Abfahrt von und zu der Versammlung sicher möglich sein.
Da also diese Maßnahmen der Polizei nicht rechtmäßig gewesen seien, so Werner, sei auch der Widerstand dagegen nicht strafbar. Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Zeug*innen von der Polizei sagten jedoch aus, man habe die Versammlung nur stoppen wollen, um sie in „geregelte Bahnen“ zu lenken, woraufhin sie sich selbst auflöste.
Zweifel an Aussagen der Polizist*innen
Es ergeben sich aber auch noch weitere Diskrepanzen zwischen den Videoaufnahmen und den Aussagen der Polizist*innen. So erinnerten sich sowohl einer der Beamten vor Ort als auch der Zugführer, der erst später zum Ort des Geschehens stieß, daran, dass die Versammlung sehr leise gewesen sei und es keine Parolen gegeben habe. Beide hätten das „Auflösen“ laut und deutlich vernommen. Die Videoaufnahmen zeigen das Gegenteil: Parolen und Rufe, vor allem als die Polizei die Sperre errichtet. Das „Auflösen“ will der Staatsanwalt als einziger gehört haben. Richter Dr. Lange stellte nur fest, ein „A-a-ö“-ähnlicher Laut könne schon in das Getummel hineininterpretiert werden.
Die Anwält*innen der Angeklagten stellten mit Abstand die meisten Fragen an die Zeug*innen. Sie bezogen sich vor allem darauf, wie die Polizist*innen sich auf das Aussagen vorbereitet hätten und auf Details zum Geschehen am 9. Oktober 2019. Die dahinterstehende Strategie der Verteidigung könnte es sein, durch kleinteilige Detailfragen die Glaubwürdigkeit der polizeilichen Zeugen in Zweifel zu ziehen. Wohl wissend, dass Aussagen von Polizeiangehörigen per se vor Gericht oft eine hohe Glaubwürdigkeit genießen.
Inwieweit hier also die Ausgangspunkte für ein faires Verfahren gegeben sind, bleibt abzuwarten. Der Prozess wird fortgesetzt.
Keine Kommentare bisher
Also der Artikel lässt den Schluss zu, dass man Bengalos und weiteren Sprengstoff mit sich führt um bei einer ungerechtfertigte Auflösung einer Spontandemo durch die Polizei gegen die Polizei damit vorzugehen. Zigaretten habe ich auch meist dabei um bei einer Auflösung einer Demo die Polizei karzinogen zu ärgern. Auf die Idee der Böller bin ich noch gar nicht gekommen.