Im Osten und Süden von Leipzig liefen heute Hausdurchsuchungen, auch in Thüringen rückten am frühen Mittwochmorgen Spezialkräfte zu Razzien an. Die Maßnahmen stehen im Zusammenhang mit gewalttätigen Übergriffen im ungarischen Budapest Anfang Februar. Im Visier der Behörden sind dabei offenbar als linksextremistisch eingestufte Personen. Nähere Informationen werden im Laufe des Tages erwartet.
In Sachsen und Thüringen ging die Polizei seit dem frühen Morgen mit Razzien gegen als linksextremistisch eingestufte Personen vor. Neben dem thüringischen Jena sind in Leipzig die Stadtteile Connewitz sowie Volkmarsdorf von den Maßnahmen betroffen gewesen. Laut übereinstimmender Medienberichte suchten die Fahnder nach einer Frau und drei Männern. Die deutschen Staatsangehörigen stünden mutmaßlich im Zusammenhang mit gewaltsamen Übergriffen auf Personen aus der rechtsextremen Szene, die sich im Februar in Budapest ereignet hatten. Dort hatte parallel der sogenannte „Tag der Ehre“ stattgefunden, ein international berüchtigtes Neonazi-Event.
Hier wird jährlich durch zahlreiche Rechtsextremisten der deutschen Wehrmacht und ihrer ungarischen Verbündeten im Zweiten Weltkrieg „gedacht“, die Großveranstaltung gilt als Sammelbecken von Geschichtsrevisionismus, NS-Verherrlichung und der Relativierung faschistischer Verbrechen.
Offenbar Angriffe in Budapest im Fokus
LKA-Sprecher Tom Bernhardt wollte diesen Zusammenhang am Mittwochvormittag auf LZ-Anfrage zunächst nicht explizit bejahen, bestätigte jedoch die laufenden Maßnahmen in Sachsen und Thüringen. Die Ermittlungen würden gemeinsam mit der Generalstaatsanwaltschaft in Dresden geführt, eine ausführlichere Information wurde für den frühen Nachmittag in Aussicht gestellt.
In Leipzig-Connewitz waren am Morgen vermummte Spezialkräfte zu sehen, die einen Hauseingang am Wiedebachplatz bewachten. Auch die Spurensicherung ist im Einsatz. Ähnliches ereignete sich in der Connewitzer Leopoldstraße sowie an der Eisenbahnstraße im Osten Leipzigs.
Nach den Angriffen von Budapest sollen insgesamt vier junge Menschen aus Leipzig (20–29) im Visier der Behörden stehen, nach denen die ungarische Polizei fahndet. Sie sollen angeblich bereits gefasst worden sein. An den Orten der Durchsuchungen gab es spontane Solidaritätsaktionen, es kursieren zudem bereits Demo-Aufrufe für den heutigen Tag, welcher ohnehin „Internationaler Tag gegen Polizeigewalt“ ist.
LKA bestätigt laufende Ermittlungen – bisher keine Festnahmen
Das Landeskriminalamt (LKA) Sachsen hat den Sachverhalt inzwischen bestätigt: Demnach richteten sich die vom Amtsgericht Dresden angeordneten Durchsuchungsmaßnahmen, die drei Wohnungen in Leipzig und fünf in Jena betrafen, gegen insgesamt sieben Personen, darunter vier Frauen (20 – 22) und drei Männer (21, 26 und 29). Die Verdächtigen hätten sich mutmaßlich an Attacken auf „vermeintliche Angehörige der rechten Szene in Budapest“ rund um benannten „Tag der Ehre“ beteiligt, bei dem zwei deutsche, drei ungarische und drei polnische Staatsangehörige teils erhebliche Verletzungen davontrugen, teilt das LKA Sachsen mit.
Bei den Razzien wurden demnach Beweismittel sichergestellt, die nun zur Auswertung kommen sollen. Die Ermittlungen, welche durch die LKA Sachsen und Thüringen sowie die Generalstaatsanwaltschaft in Abstimmung mit den Behörden Ungarns geführt werden, dauern weiter an.
Festnahmen habe es im Zusammenhang mit den Razzien bisher weder in Thüringen noch in Sachsen gegeben, erklärte LKA-Sprecher Tom Bernhardt kurz vor 14 Uhr telefonisch auf eine weitere LZ-Nachfrage.
Polizeiwagen in Leipzig-Plagwitz ausgebrannt – Demo-Aufruf heute ab 19 Uhr
Schon in der Nacht zum heutigen Mittwoch brannten überdies drei Polizeifahrzeuge im Innenhof der Polizeiaußenstelle Leipzig-Südwest in Plagwitz aus, ein vierter Einsatzwagen wurde beschädigt. Wegen des Verdachts der Brandstiftung und einer möglichen, politischen Motivation wurden entsprechende Ermittlungen durch das Polizeiliche Terrorismus- und Extremismusabwehrzentrum (PTAZ) des LKA Sachsen aufgenommen, welches einen Zeugenaufruf gestartet hat.
Für den Mittwochabend wird ab 19 Uhr unter dem Motto „No Justice, no Peace, fight the Police“ zu einer Demonstration auf dem kleinen Wilhelm-Leuschner-Platz aufgerufen. Es scheint sich mal wieder etwas zusammenzubrauen.
Eichendorffstraße: weiterer Einsatz am Abend
Seit dem Nachmittag fand offenbar eine weitere Durchsuchungsmaßnahme in der Connewitzer Eichendorffstraße statt, die auch am Abend noch andauerte. Dabei kam sogar das Spezialeinsatzkommando (SEK) zum Einsatz. Ein Zusammenhang zu den Razzien des Tages erscheint naheliegend.
Laut unbestätigten Informationen soll nach einer bestimmten Person gesucht worden sein, die jedoch vor Ort nicht angetroffen wurde. Teile der Eichendorffstraße waren durch etwa ein Dutzend Polizeifahrzeuge und zahlreiche vermummte Einsatzkräfte abgeriegelt.
Demo gegen Repression und Polizeigewalt gestartet
Auch kurz vor 20 Uhr ist die Maßnahme wohl noch nicht beendet, während auf der nahegelegenen Karl-Liebknecht-Straße ein Demozug mit geschätzten 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmern unter dem Motto „No Justice, no Peace, fight the Police“ gegen staatliche Repression protestiert. Zu der Demo war ab 19 Uhr vom kleinen Wilhelm-Leuschner-Platz aus aufgerufen worden. Zur Erinnerung, der heutige 15. März ist der Internationale Tag gegen Polizeigewalt.
Die Demo soll laut Plan in der Connewitzer Herderstraße enden. Wir sind mit Reportern vor Ort und behalten die Situation weiter im Auge. Fest steht aber schon jetzt, dass die Stimmung nach den Ereignissen des Tages extrem aufgeheizt ist. Mehrfach kam es aus dem Demozug heraus zum Bewurf von Einsatzkräften der Polizei mit Pyrotechnik.
Inzwischen endet die Demo in Connewitz. Zum Schluss wurde Polizeigewalt in mehreren Redebeiträgen thematisiert, etwa von den „Eltern gegen Polizeigewalt“, die darauf hinwiesen, dass ihre Kinder von Repression betroffen sind, die sich jeden Montagabend rechten Gruppen auf dem Ring widersetzten.
Massive Polizeipräsenz auch im Bereich des Polizeireviers in der Wiedebachstraße. Dieses soll von mindestens einer Flasche getroffen worden sein.
Solidemo in der Eichendorffstraße
Im Bereich der Connewitzer Eichendorffstraße läuft zur Stunde eine Solidemo, während die Polizei weiterhin Teile der Straße abgeriegelt hat.
Die Versammlung soll bis zum Ende der Maßnahme weitergehen und ist entsprechend angemeldet. Das SEK hat das fragliche Gebäude inzwischen verlassen.
Die Stimmung hat sich entspannt, die anwesenden Teilnehmer der Versammlung tanzen. Jetzt, kurz vor 22 Uhr, ist die Demo beendet und die Polizei abgerückt.
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